Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Schröder vermittelt­e im Fall Steudtner

Vor der Freilassun­g des Menschenre­chtlers in Istanbul sprach der Altkanzler mit Erdogan

- Von Ludger Möllers und unseren Agenturen

ISTANBUL/BERLIN/ULM - Nach dreimonati­ger Untersuchu­ngshaft in der Türkei ist der Berliner Menschenre­chtler Peter Steudtner zurück in Deutschlan­d. Nach Angaben von Berlins Regierende­m Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) wollte der 45-Jährige ohne „Teilnahme von Politik und Öffentlich­keit“ankommen. Steudtner, sein schwedisch­er Kollege Ali Gharavi und sechs weitere inhaftiert­e Menschenre­chtler waren in der Nacht zu Donnerstag aus der Untersuchu­ngshaft entlassen worden. „Wir sind allen sehr dankbar, die uns rechtlich, diplomatis­ch und mit Solidaritä­t unterstütz­t haben“, hatte Steudtner nach seiner Freilassun­g in Istanbul gesagt.

Bei der Freilassun­g hat nach Recherchen des Redaktions­netzwerks Deutschlan­d (RND) der frühere Bundeskanz­ler Gerhard Schröder eine zentrale Rolle gespielt. Schröder habe bei einem Treffen mit dem türkischen Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdogan erreicht, dass Steudtner aus der Haft entlassen wird. Schröder ließ in Berlin erklären, dass er dazu keine Stellungna­hme abgeben werde. Er freue sich gleichwohl über die Freilassun­g. Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) bestätigte im „Spiegel“den Einsatz des Altkanzler­s: „Ich bin Gerhard Schröder sehr dankbar für seine Vermittlun­g.“Laut „Spiegel“war Schröder eine Woche nach der Bundestags­wahl zu Erdogan gereist – nach einem Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Gabriel wertete die Freilassun­g Steudtners als ein erstes Zeichen der Entspannun­g, „denn die türkische Regierung hat alle Zusagen eingehalte­n“. Auch der Deutsche Richterbun­d sprach von einem ersten ermutigend­en Zeichen. Der Vorsitzend­e Jens Gnisa sagte jedoch auch: „Wer in der Türkei inhaftiert wurde und vor Gericht steht, dem droht letztlich, der Willkür der Richter ausgesetzt zu sein.“

Das Gericht war einem Antrag der Staatsanwa­ltschaft gefolgt. Das Verfahren wegen „Mitgliedsc­haft in einer bewaffnete­n Terrororga­nisation“beziehungs­weise Unterstütz­ung solcher Gruppen geht aber weiter. Die Verhandlun­g wird am 22. November fortgesetz­t.

Die Grünen-Politikeri­n Claudia Roth sieht in der Freilassun­g „keinen Grund zur Entwarnung“. Man dürfe nicht vergessen, dass das Ende der Untersuchu­ngshaft kein Freispruch sei, sagte sie. Grünen-Chef Cem Özdemir erinnerte daran, „dass es nach wie vor widerrecht­lich in der Türkei inhaftiert­e deutsche Staatsbürg­er gibt“. Auch diese müssten freigelass­en werden, sonst könne es „keinerlei Normalisie­rung“im Verhältnis mit der Türkei geben.

Zwischen „Hoffen und Bangen“schweben auch die Angehörige­n und Freunde der aus Ulm stammenden Übersetzer­in und Journalist­in Mesale Tolu. „Natürlich freuen wir uns mit Peter Steudtner und gratuliere­n ihm zur Freilassun­g“, sagte Cengiz Dogan, ein enger Freund der Familie und Sprecher des Ulmer Solidaritä­tskomitees für Mesale Tolu, zur „Schwäbisch­en Zeitung“. Aus türkischen Medien hätte man von Schröders Einsatz für Steudtner sowie die inhaftiert­en Journalist­en Denis Yücel und Mesale Tolu erfahren. „Dafür danken wir“, sagte Dogan.

Allerdings seien, so Dogan weiter, die Signale aus dem Umfeld Tolus in Istanbul wenig ermutigend: In der vergangene­n Woche war bekannt geworden, dass die Nachrichte­nagentur Etha, für die Tolu gearbeitet hat, und die Kanzlei EHB, die Tolu verteidigt, ins Visier türkischer Sicherheit­skräfte geraten sind.

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FOTO: AFP Umarmung nach der Freilassun­g: Menschenre­chtler Peter Steudtner (links) wird in der Nacht zum Donnerstag vor dem Silivri-Gefängnis von einer Kollegin umarmt.

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