Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Die Giftpfeile fliegen
Nach Leipzigs Pokalniederlage gegen die Bayern steht der Schiedsrichter im Brennpunkt
LEIPZIG (SID/dpa) - Nach dem giftigen Pokalgipfel war der Ärger um Schiedsrichter Felix Zwayer auch am frühen Morgen noch nicht verraucht. RB Leipzigs Trainer Ralph Hasenhüttl fuhr verbal schwere Geschütze gegen den Berliner Referee auf und fühlte sich beim Sieg von Rekordchampion Bayern München durch ein 5:4 im Elfmeterschießen (1:1 n.V.) verschaukelt.
„Bis zur 55. Minute war es ein Super-Spiel. Mit dem Platzverweis ist dann das passiert, was keiner sehen wollte: Das Spiel wurde kaputt gemacht“, wetterte Hasenhüttl: „Heute waren 22 sehr gute Akteure auf dem Platz, nur einer konnte das Niveau nicht halten.“Die Emotionen kochten auf beiden Seiten hoch. Der Höhepunkt: RB-Sportdirektor Ralf Rangnick stürmte zur Halbzeit auf den Platz und versuchte, dem Schiedsrichter-Gespann via Handy Bilder vom zu Unrecht nicht gegebenen Foulelfmeter für RB zu zeigen.
Ermittlungen gegen Rangnick
Es kam zur Rudelbildung, Weltmeister Mats Hummels baute sich vor Rangnick auf. „Ich habe Herrn Rangnick gesagt, dass er das nicht nötig hat und dass das unsportlich ist. Es geht nicht, dass er mit dem Handy zum Schiri geht, um ihm Szenen zu zeigen. Sonst haben die Schiedsrichter demnächst in der Halbzeit nur noch Verantwortliche um die Ohren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das erlaubt ist“, sagte der Verteidiger. Der DFBKontrollausschuss leitete am Donnerstag Ermittlungen gegen Rangnick ein, der rechtfertigte sich: „Es ist für jeden Sportdirektor völlig normal, dass er in solchen Situationen mit den Schiedsrichtern spricht. Und zwar sachlich und ruhig. Nichts anderes habe ich gestern gemacht. Sicherlich wäre es besser gewesen, ich hätte das Gespräch in den Katakomben gesucht.“
Stein des Anstoßes war Zwayer. Beide Seiten warfen ihm mehrere falsche Entscheidungen und fehlendes Fingerspitzengefühl vor. So zeigte Zwayer Leipzigs Naby Keita in der 55. Minute Gelb-Rot. Der Mittelfeldstratege hatte Robert Lewandowski auf dem Weg zum Tor am Trikot gezogen. In der ersten Halbzeit war er wegen Foulspiels verwarnt worden, nachdem er selbst dreimal Opfer von Foulspielen geworden war und es keine Verwarnung gegeben hatte.
Bayerns Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge verstand den RB-Protest dennoch nicht: „Die Gelb-Rote Karte für Keita war berechtigt“, meinte der 62-Jährige und stellte klar: „Zwayer ist einer unserer besten Schiedsrichter.“
Und Keita ist kein Unschuldslamm. Der Profi aus Guinea, der zur neuen Saison für 70 Millionen Euro zum FC Liverpool wechselt, spielte in den letzten Wochen stets an der Grenze des Erlaubten und wurde innerhalb von 39 Tagen dreimal vom Platz gestellt. Gegen die Bayern fehlte er ab Minute 56 an allen Ecken und Enden. „Das war ärgerlich“, meinte Mitspieler Marcel Sabitzer. „Er hat Gelb, er weiß, dass es gefährlich werden kann. Wir sagen es ihm extra noch in der Halbzeit.“Sabitzer sah Keita aber auch als Opfer. „Lewandowski macht das geschickt. Er legt sich den Ball weit vor, Keita greift zu, dann ist es schnell Gelb-Rot.“
Hasenhüttl verzweifelt
Ein weiterer Knackpunkt für RB war der nicht gegebene Elfmeter nach der Attacke von Arturo Vidal gegen Emil Forsberg (35.) an der Strafraumlinie. Diese Szene führte dazu, dass Rangnick seinen Tribünenplatz verließ und zur Pause auf den Rasen stürmte. „Ich kann nicht verstehen, dass Zwayer den Elfer aus zwei Metern Entfernung erst pfeift, ihn dann aber zurücknimmt, weil es sein Assistent aus 40 Metern anders gesehen hat. Tut mir leid. Das ist ganz, ganz schwer zu akzeptieren“, schimpfte Hasenhüttl. Ein Videobeweis war nicht möglich, weil die Technik erst ab dem Viertelfinale im neuen Jahr zum Einsatz kommt. Rummenigge sah auch diese Aktion anders. „Das Foul vor dem Elfmeter war nun mal fünf Zentimeter außerhalb. Das konnte man im Fernsehen genau sehen“, behauptete der BayernBoss.
Dass Zwayer in der 68. Minute nach einem vergleichsweise harmlosen Einsteigen von Jerome Boateng gegen Yussuf Poulsen auf Strafstoß entschieden hatte, fand Hummels nicht in Ordnung: „Aus meiner Sicht war das die Königin der Konzessionsentscheidungen.“Forsberg traf zum 1:0, doch Thiago (73.) glich per Kopf nach wunderschöner Boateng-Flanke noch aus. Unglücklich lief für Leipzig auch das Elfmeterschießen. Als letzter Schütze trat der eingewechselte Timo Werner an und scheiterte an seinem früheren Stuttgarter Teamkollegen Sven Ulreich. Die Mitspieler versuchten ihn zu trösten. „Ich glaube, das ist kein Problem für ihn. Er hat genug Selbstvertrauen“, sagte Sabitzer.
RB kann schon am Samstag in der Bundesliga (18.30 Uhr/Sky) in München Revanche nehmen und doch noch den ersten Sieg gegen die Bayern landen. „Ich weiß nicht, ob es so geil ist, wenn du nach so einem 120-Minuten-Fight drei Tage später in München spielen musst. Das wird ein sehr schweres Spiel, wo wir über die Grenzen gehen müssen“, sagte Sabitzer. Vorerst bleibt RB nur das Lob – von Bayern-Trainer Jupp Heynckes nämlich: „Es ist eine Mannschaft, die taktisch hervorragend ausgerichtet ist und vor allen Dingen auch kämpferisch und läuferisch erstklassig ist.“