Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Tausendundein Kameraschwenk
„Bayern Sagenhaft“: Dokumentation zwischen Werbung und Klischee
FRIEDRICHSHAFEN - „Bayern Sagenhaft“klingt vielversprechend; nach einem Stück Heimatkunde voll unentdeckter Geheimnisse. Monika Gruber als Sprecherin, Hannes Burger als Texter und nicht zuletzt Joseph Vilsmaier als Regisseur klingen nach einer unterhaltsamen Mischung, nach einem Trupp, der ein spaßiges spannendes Stück auf die Leinwand bringen könnte. Und dann beginnt der Film mit vielen bunten Bildern und noch mehr Klischees.
Alle paar Minuten wird ein Bierkrug von Nahem gezeigt, leer getrunken, schwungvoll an einen anderen gestoßen. Gibt's mal kein Bier, dann gibt’s Enzianschnaps. Beinahe kein Bayer läuft ohne Lederhose über die Leinwand und kaum eine Frau spaziert ohne Dirndl herum. Alternativ gibt’s Mittelaltergewänder, königliche Prunkmode und Fasnetskostüme, als träfe man in Bayern bloß ausnahmsweise auf normal gekleidete Menschen.
Fotofolgen unterlegt mit Musik und versehen mit Effekten, die an eine Powerpointpräsentation erinnern, unterbrechen wiederholt das Bewegtbild. Doch auch Letzteres mag nicht recht überzeugen. Es folgt Kameraschwenk auf Kameraschwenk, die häufig identische Bewegung lässt die Augen ermüden. Wieder und wieder wird durch einen Raum geschwenkt, durch Menschengruppen geschwenkt, durch eine Szenerie geschwenkt. Gleichförmig werden die unterschiedlichsten Orte Bayerns filmisch dargestellt. Zahlreiche Luftaufnahmen folgen ebenso immer wieder dem identischen Muster. Dabei können die eigentlich tatsächlich sagenhaften Landschaften nicht richtig wirken, weil die Luftaufnahmen technische Qualität vermissen lassen.
Denn das muss man dem Bundesland Bayern lassen: Sie wären da, die sagenhaften Landschaften, die sagenhaften historischen Bauwerke, die sagenhaften Traditionen und Bräuche. Da sind die Berge, beinahe unberührte Landschaften, Seen und Flüsse mit Stränden und Nebelschleiern, wunderschöne Straßenzüge in Altstädten und auch die Vermischung von Tradition und Moderne könnte faszinieren.
Leider wird die Darstellung den Themen nicht gerecht. Es gibt kurze visuelle Genussmomente, wenn in einer Nahaufnahme eine kleine Geste gezeigt wird oder eine blühende Landschaft mit Kühen wie aus dem Bilderbuch. Doch das bleiben Ausnahmen am Rande. Der Film bleibt eine lose Abfolge von Themen, die bis auf Bayern nichts verbindet, der Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit erfolgt sprunghaft und in wirrem Wechsel. Auf einmal sieht man in Nahaufnahme eine Prostata-OP, während Bayerns fortschrittliche Medizintechnik erläutert wird. Dann findet's Monika Gruber angeblich „nicht schlimm“, beim jüdischen Gebet nicht dabei sein zu können, da der Frauenraum fehle, und sie lässt sich von einem Schönheitschirurgen mögliche Einstichstellen für die Botoxinjektion aufzeichnen, ganz ohne eine kritische Anmerkung zu Risiken des Nervengifts oder einem Seitenhieb auf die Schönheitsindustrie. Man fragt sich, nach welchen Kriterien die Themenfelder und Protagonisten ausgewählt wurden. Stellenweise erinnert die angebliche Dokumentation an einen Werbefilm, dann wieder an das Bayernvorurteil eines Menschen, der noch keinen Quadratmillimeter bayerischen Bodens unter den Füßen hatte.
Applaus zum Schluss, wie er häufig erfolgt, wenn man die Anwesenheit eines Regisseurs vermutet, blieb am Freitagabend im Häfler Cineplex daher auch gänzlich aus. Dass das angekündigte Gespräch mit selbigem nach der Filmvorführung kurzfristig abgesagt wurde, verstärkte den Unmut über die Zeitverschwendung, als welche mehrere diesen Kinobesuch laut und deutlich bezeichneten.