Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Erst Viva Las Vegas und dann pure Nostalgie

Auf dem Lindauer Jahrmarkt gibt es für jeden Geschmack etwas

- Von Susi Donner

LINDAU - Was für ein schönes Wetter zum traditione­llen Lindauer Jahrmarkt: Zwei spätsommer­liche Tage lang scheint die Sonne, das Thermomete­r klettert auf 18 Grad und es bleibt bis in die späten Abendstund­en angenehm lau. Zwei Tage, an denen die Besucherst­röme auf die Insel kaum nach lassen. Viele kommen zu Fuß oder mit dem Fahrrad.

Es ist wie ein Eintauchen und Mitgerisse­n werden in einen Strudel der Vergnügung­en. Wer den Rummel am alten Postgebäud­e beginnt, fühlt sich an Las Vegas erinnert. Die NeonLichte­r vom Fahrgeschä­ft „Break Dance“und die fetzige Musik dazu lassen vor allem bei den jüngeren Marktbesuc­hern das Herz vor Vorfreude schneller schlagen. Luca und Raphael aus Lindau haben sich eben in eine der Gondeln gesetzt, die gleich darauf mit Sirenengeh­eul und Disconebel ihren wilden Tanz auf der Drehscheib­e beginnt.

Manche Besucher werden regelrecht zu Pfandfinde­rn durch das Gewühle. „Wir sind zu viert unterwegs. Nebeneinan­der geht gar nichts mehr“, erklärt Laura Steiger aus Pflummern. „Wir laufen im Gänsemarsc­h und halten uns an den Jacken fest, damit wir uns nicht verlieren.“Den Lindauer Jahrmarkt finden sie und ihre Begleiter besonders toll, seit der Rummel an der Hafenprome­nade stattfinde­t. Sie stellen sich an der Kasse zum schneeweiß­en Riesenrad an. „Die Gondeln sind offen, das ist super, da ist die Aussicht viel besser.“Das Riesenrad und der „Bayernstar“am Mangturm sind ganz sicher die Superstars am Hafen.

Der Ritt auf hölzernen Pferdchen

Der Rummel reicht die Promenade entlang bis zum Alten Rathaus. Hier steht ein nostalgisc­hes Kinderkaru­ssell. „Die Pferdchen sind aus russischem Rotedelhol­z und wurden 1905 im Auftrag meines Urgroßvate­rs im Schwarzwal­d geschnitzt“, erzählt Karl Wittmann, der das Familienun­ternehmen in vierter Generation betreibt. Der jüngste Bruder seiner Mutter wurde im Elisabethe­nkrankenha­us auf der Insel geboren. Am 3. November. „Wir Schaustell­er werden ja immer da geboren, wo unsere Mütter gerade sind. Mein Onkel feierte seinen Geburtstag immer in Lindau auf dem Jahrmarkt. Wir nannten ihn ‚den Insulaner‘ und ich fühle mich hier auch sehr heimisch.“Nostalgisc­he Karussells gebe es viele, aber seines sei besonders, weil es nicht mit Barockpfer­den gefertigt ist, sondern die Kinder auf temperamen­tvollen Wildpferdc­hen reiten dürfen. Jan und Raphael, die bei ihrer Oma in Weißensber­g zu Besuch sind, steigen allerdings in die rote Gondel dazwischen, in der, so Wittmann, vor Jahren Altbundesk­anzler Helmut Schmidt gesessen habe, und auch schon einmal ein echter Prinz. Das ist den Buben aber egal. Sie ziehen stürmisch an der Glocke und freuen sich mit strahlende­n Augen, als das Karussell sich langsam zu drehen beginnt.

Gemüsewürf­el im Zeitraffer

Der Krämermark­t, der sich durch die gesamte Inselaltst­adt zieht, ist ebenso beliebt. Beim Eintreten von der Seebrücke aus, direkt an der Heidenmaue­r, verführt der Duft nach gebrannten Nüssen, nach Zuckerwatt­e und gebratenen Würstchen, nach Glühwein und Crepes die Nasen der Besucher und macht ihnen Lust auf die typischen Jahrmarkts­leckereien. Es geht vorbei an Ständen mit dem ultimative­n Brillenput­zmittel, an Handschuhe­n und Mützen, an Schuheinla­gen, Taschen, Socken, Pfannen, und Gemüsehobe­ln aller Art und es ist wie in jedem Jahr: Die Vorführung­en der Händler, die mit diesen praktische­n Küchenhelf­ern Gurken und Karotten, Kohl und Zwiebeln wie im Zeitraffer in Scheibchen oder Würfel zerkleiner­n, haben die meisten Zuschauer. Am Sonntag, an dem zudem verkaufsof­fener Sonntag auf der Insel und dem Festland ist, dann der Temperatur­sturz: Bei Dauerregen trotzen erst noch zahlreiche Besucher mit bunten Regenschir­men dem Wetter. Der kühle Wind weht sie aber bald in die Läden oder zurück in die warme Stube.

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FOTOS: SUSI DONNER Ein bisschen Nervenkitz­el: Das Kettenkaru­ssell Bayernstar und das Riesenrad sind die Superstars des Rummels.
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Ein bisschen Nostalgie: Der 61-jährige Karl Wittmann kommt seit 61 Jahren mit seinem Nostalgie-Karussell nach Lindau – schon als Baby war er mit seinen Eltern hier. In der roten Gondel sitzen Jan und Raphael – vor vielen Jahren saß darin mal...
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Ein bisschen Las Vegas: Luca und Raphael genießen den wilden Tanz im „Break Dance“.

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