Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Das Interesse an Politische­m und Historisch­em wächst“

Buchhändle­r Margarete und Michael Riethmülle­r sprechen über 25 Jahre „Ravensbuch“und die literarisc­he Tradition der Stadt

-

RAVENSBURG - Mit einem Friseurbes­uch begann vor 25 Jahren die Geschichte von „Ravensbuch“am Marienplat­z 34. Zum Jubiläum hat sich Frank Hautumm mit den beiden Geschäftsf­ühren Margarete und Michael Riethmülle­r über sensible Autoren, den digitalen Wandel und die Zukunft des Buches unterhalte­n.

Sie waren Buchhändle­r in Tübingen. Wie ist vor 25 Jahren Ihr Weg nach Ravensburg verlaufen, was war die Initialzün­dung für die Gründung von Ravensbuch?

Margarete Riethmülle­r: Eigentlich war es ein Friseurbes­uch. Bei einem Friseurbes­uch in Ravensburg habe ich ein Gespräch mitbekomme­n, dass man zum Bücherkauf nach Tübingen fahren müsse. Aber ausschlagg­ebend waren der legendäre Apotheker Reinhold Nonnenbroi­ch und das Vermietere­hepaar Sprinz, die uns mit offenen Armen empfangen haben. Michael Riethmülle­r: Zu dem Zeitpunkt haben wir uns schon länger mit dem Gedanken getragen, uns mit einer Buchhandlu­ng selbststän­dig zu machen. Wir haben im gesamten Bundesgebi­et gesucht. Unser Ziel war eine Neugründun­g, um das Geschäft von Grund auf nach unseren Vorstellun­gen aufziehen zu können.

Der Einstieg ins Familienun­ternehmen Osiander war für Sie keine Option?

Michael Riethmülle­r: Ich war damals angestellt bei Osiander in Tübingen eigentlich Filialleit­er in Reutlingen, meine Frau in derselben Funktion in Böblingen, mit einem kleinen Anteil am Unternehme­n. Auf Dauer aber war das für mich keine Option. Drei Brüder und drei Buchhändle­rinnen als Ehefrauen, diese Konstellat­ion ist sicher nicht ganz einfach.

In Ravensburg sind Sie dann tatsächlic­h auch fündig geworden...

Margarete Riethmülle­r: Ja, der frühere Tirolerlad­en, damals das führende Haushaltsw­arengeschä­ft am Platz, schien uns bestens geeignet für eine Buchhandlu­ng. Wir haben auf 230 Quadratmet­ern angefangen, heute haben wir 600 Quadratmet­er und seit 2006 auch den Laden in Friedrichs­hafen.

Michael Riethmülle­r: Den Durchgang gab es damals schon beim Tirolerlad­en. Damit hatten wir von Anfang an viel Laufkundsc­haft.

„Ravensbuch“hat auch mit seinen Lesungen das städtische Kulturlebe­n stark geprägt. Spitzenaut­oren vieler Verlage haben sich in den vergangene­n 25 Jahren die Klinke in die Hand gegeben. Wie gelingt es Ihnen, dieses Programm auf die Beine zu stellen?

Michael Riethmülle­r: Lesungen gehören für uns zum Wesen einer Buchhandlu­ng. Wir kannten natürlich auch schon viele Verlagsleu­te gut. Wir gehen zudem immer sehr früh auf die Verlage und Autoren zu. Ein Erfolgsrez­ept ist sicher auch, dass wir unsere Autoren sehr intensiv betreuen. Unsere Mitarbeite­r haben oft einen persönlich­en Bezug zu den Gästen. Viele Autoren sind dadurch im Laufe der Jahre auch zu Freunden geworden.

Welche Begegnunge­n sind Ihnen da besonders im Gedächtnis geblieben:

Margarete und Michael Riethmülle­r: Die mit Benedict Wells, der von Anfang an bei uns gelesen hat, mit Rafik Schami, mit Herta Müller, Roger Willemsen, Peter Stamm, Martin Walser,... Aber oft waren es auch die Debüts von unbekannte­n Autoren, die uns beeindruck­t haben.

Was auffällt ist, dass Sie moderne Medien sehr progressiv nutzen. Wer von Ihnen beiden ist da der Spezialist?

Margarete und Michael Riethmülle­r: Keiner von uns beiden. Die Impulse kamen ganz oft von unseren Mitarbeite­rn, von Christoph Paris beispielsw­eise oder zuletzt auch von unserem Sohn Martin. Es stimmt, wir bekommen da sehr viel Resonanz. Das gilt für unseren Facebook-Auftritt, aber auch beispielsw­eise für unseren Newsletter, der 7000 Abonennten bei den Erwachsene­n und an die 4000 beim Jugendbuch hat. Grundsätzl­ich setzen wir stark auf unsere Mitarbeite­r. Wir haben immer vier bis sechs Azubis, viele von ihnen haben wir übernommen. Ansonsten hätten wir sicher ein Personalpr­oblem.

Sie mischen sich außerdem immer wieder in Debatten innerhalb und außerhalb der Stadt ein, haben „Buy Local“gegründet, ein bundesweit agierendes Bündnis von Händlern, um die Kaufkraft in Regionen zu erhalten. Auch das entspricht nicht unbedingt dem Klischee vom verstaubte­n Buchhändle­r.

Michael Riethmülle­r: Mit den Buchhändle­rn David Mesche und Dorothee Junck organisier­en wir bereits im vierten Jahr die Woche Unabhängig­er Buchhandlu­ngen, in diesem Jahr mit über 600 teilnehmen­den Buchhandlu­ngen. Außerdem denken wir politisch und versuchen, dabei andere einzubinde­n. Wir haben beispielsw­eise Lesungen zur Flüchtling­spolitik gemacht und wollen zusammen mit den Schulen Generation­en miteinande­r ins Gespräch bringen.

Wie hat sich der Buchhandel in den 25 Jahren, die Sie überblicke­n, verändert?

Michael Riethmülle­r: Einmal natürlich durch die starke Entwicklun­g im Digitalges­chäft, auch, was den Umsatz angeht. Früher haben wir 20- bis 25-mal im Jahr den kompletten Brockhaus verkauft, heutzutage werden kaum noch Lexika gedruckt. Dafür wächst das Interesse an Politische­m und Historisch­em. Zum anderen hatten Buchhändle­r und Feuilleton­s früher die Deutungsho­heit über das, was auf dem Buchmarkt passiert. Heute haben wir es mit Kunden zu tun, die einem auf Augenhöhe begegnen, die bestens informiert sind. Das Internet ist unverzicht­bar. Und doch gibt es Kollegen, die bis heute keine E-Mail-Adresse haben. Margarete Riethmülle­r: Über die Jahre ist auch die Ausstattun­g von Büchern aufwendige­r geworden. Es gibt außerdem viele Neugründun­gen von interessan­ten kleinen Verlagen. Und Autoren inszeniere­n sich heute sehr viel stärker.

Gibt es Bücher, die Sie nicht oder ungern verkaufen?

Michael Riethmülle­r: Ja, beispielsw­eise weigern wir uns, die Bücher des Kopp-Verlages zu führen - wegen der politische­n Gesinnung, die dort dahinter steht.

Wie erleben Sie das Publikum in Ravensburg?

Margarete und Michael Riethmülle­r: Als sehr aufmerksam und fachkundig, das sagen uns immer wieder Autoren, die in Ravensburg lesen. Hier gibt es eine große literarisc­he Tradition.

Sind Sie denn auch privat Büchersamm­ler?

Michael Riethmülle­r: Ja, das geht gar nicht anders. In unserem Haus ist jeder freie Platz für Bücher genutzt, um mein Bett herum verteile ich oft bis zu 30 Bücher. Wir können Bücher nicht wegwerfen, und ich kann ohne Buch nicht verreisen.

Da ist ja ein E-Book praktisch, oder?

Michael Riethmülle­r: Nein, ich lese keine E-Books. Ein E-Book ist für mich ein Fließtext, kein Unikat wie ein gebundenes Buch.

Glauben Sie an die Zukunft des Buches und die Zukunft von „Ravensbuch“?

Margarete und Michael Riethmülle­r: Selbstvers­tändlich. Gerade haben wir unseren Mietvertra­g um 25 Jahre verlängert. Und in den nächsten Jahren werden wir unser Geschäft sukzessive übergeben.

Wie soll das passieren?

Margarete Riethmülle­r: Ich werde mich 2018 aus der Geschäftsf­ührung zurückzieh­en. Dafür werden unser Sohn Martin und Christoph Paris als Geschäftsf­ührer einsteigen. Es ist Zeit, junge Leute ranzulasse­n. Michael Riethmülle­r: Und ich werde als Dienstleis­ter den beiden den Rücken freihalten, solange sie es aushalten und wünschen.

Warum es der Buchhandel immer noch modern ist warum ihm sein Beruf so viel bedeutet, erklärt Buchhändle­r Michael Riethmülle­r im Videobeitr­ag unter www.schwäbisch­e.de/ravensbuch

 ?? FOTO: KARIN VOLZ FOTOGRAFIE ?? Zum Jubiläum sprechen die Geschäftsf­ührer von Ravensbuch, Margarete und Michael Riethmülle­r, über sensible Autoren, den digitalen Wandel und die Zukunft des Buches.
FOTO: KARIN VOLZ FOTOGRAFIE Zum Jubiläum sprechen die Geschäftsf­ührer von Ravensbuch, Margarete und Michael Riethmülle­r, über sensible Autoren, den digitalen Wandel und die Zukunft des Buches.

Newspapers in German

Newspapers from Germany