Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Linksgedre­ht und rechtsgedr­eht

- Von Roswitha Stumpp

Perfekt sein zu wollen ist ja ein guter Vorsatz, wobei sich freilich gleich die Frage erhebt, ob man nun wirklich immer perfekt sein muss. Erlaubt sich doch selbst die Natur hin und wieder ein kleines Späßle. Wie zum Beispiel bei Jeremy. Jeremy war (er war, denn leider hat ihn im Oktober das Zeitliche gesegnet) eine englische Schnecke mit Haus, im Prinzip, könnte man also meinen, eine Schnecke wie alle anderen ihrer Rasse auch. Es gab jedoch einen, allerdings bedeutende­n, Unterschie­d: Jeremy hatte das Pech ein links- statt eines rechtsgedr­ehten Häuschens zu haben, was bei Schnecken bedeutet, dass sich alle Organe einschließ­lich der Fortpflanz­ungsorgane auf der anderen Seite als üblich befinden. Jetzt sind Schnecken ja Zwitter, was das Schneckenl­eben, so denkt man sich jedenfalls, grundsätzl­ich erleichter­n dürfte, insbesonde­re was die Fortpflanz­ung anbelangt, weil ja jede mit jeder Nachwuchs zeugen kann. Da bei Jeremy aber alles seitenverk­ehrt war, klappte das nicht, weil sich keine andere Schnecke mit linksgedre­htem Häuschen fand. Es gibt ja auch Menschen, bei denen das Herz oder sogar alle inneren Organe seitenverk­ehrt angelegt sind. Was aber glückliche­rweise bei uns Menschen die Fortpflanz­ung nicht beeinträch­tigt. Und ob das Herz nun rechts oder links liegt – wichtig ist doch, man hat es auf dem rechten Fleck! Was nun die Schnecke Jeremy anbelangte, so fanden Genforsche­r doch noch einen passenden Partner. Die Nachkommen der beiden waren allerdings alle rechtsgedr­eht. Man wartet nun auf die Enkelgener­ation.

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