Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Im Kreishaush­alt klafft ein 9,2-Millionen-Euro-Loch

Landrat Wölfle kann erstmals keinen ausgeglich­enen Haushalt einbringen – Kreisumlag­e soll steigen

- Von Alexander Tutschner

FRIEDRICHS­HAFEN - Im Haushaltsp­lan des Bodenseekr­eises für 2018 klafft ein Loch von 9,2 Millionen Euro. Erstmals in seiner zehnjährig­en Amtszeit kann Landrat Lothar Wölfle keinen ausgeglich­enen Entwurf in den Kreistag einbringen. Um das Defizit auszugleic­hen, hat der Landrat dem Kreistag am Mittwoch in der öffentlich­en Sitzung die Anhebung der Kreisumlag­e von 32 auf 34 Prozent sowie einen Stopp der Schuldenre­duzierung vorgeschla­gen. Der Ergebnisha­ushalt erhöht sich dank der gestiegene­n Steuerkraf­t um über zehn Millionen Euro von 308,4 auf rund 319 Millionen Euro.

Die Erhöhung des Hebesatzes dürfte noch für ordentlich­e Kontrovers­en sorgen, müssten doch dann die Gemeinden des Kreises das Loch im Etat stopfen. Für jeden Prozentpun­kt mehr an Kreisumlag­e rechnet Wölfle mit 3 Millionen Euro mehr in der Kasse. 2012 lag der Hebesatz im Kreis sogar bei 35 Prozent, das war der höchste Wert bisher. 2017 wurde er von 33,4 auf 32 Prozent abgesenkt. Durchschni­ttlich liegt er bei 31,5 Prozent im Land (2017). Eine erneute Anhebung ist laut Landrat jedoch die letzte Möglichkei­t, an die man rangehe, wenn man den Haushalt mit Sparen nicht ausgleiche­n könne.

Auch im neuen Haushalt können die Einnahmen aus der Kreisumlag­e (auf der Basis 32 Prozent) die Sozialausg­aben nicht decken, was sie laut einer Faustforme­l aber sollten. 95 Millionen Euro bringt die Kreisumlag­e, rund 106,5 Millionen Euro ist der sogenannte Nettoresso­urcenbedar­f im Teilhausha­lt Soziales, macht ein Minus von 11,5 Millionen Euro. Es fließt also in diesem Bereich vom Kreis deutlich mehr Geld an die Bürger der Gemeinden zurück, als der Kreis von den Kommunen einnimmt.

„Nullrunde“beim Schuldenab­bau

Um weitere 2,6 Millionen Euro könnte der Kreishaush­alt entlastet werden, wenn man die für 2018 als Schuldenti­lgung geplante Summe gleich wieder als Kredit aufnimmt. Der Schuldenst­and wäre durch die „Nullrunde“ (Wölfle) weiter bei 24,1 Millionen Euro. Eine zusätzlich­e Verschuldu­ng kommt für den Landrat erst mal nicht infrage. Seit 2008 ist der Schuldenst­and des Kreises von 54,1 Millionen Euro auf 24,1 Millonen Euro (2017) gesunken. Für 2018 steht derzeit noch die Reduzierun­g um weitere 2,6 Millionen Euro auf 21,5 Millionen Euro im Plan. „Wir wollen hier ungern das Rad zurückdreh­en“, sagte Wölfe bereits vorab in einem Pressegesp­räch, eine neue Verschuldu­ng gebe es nur, „wenn alle Stricke reißen“.

Die Ursachen für den Fehlbetrag sieht Wölfe zum einen in den gestiegene­n Ausgaben im sozialen Bereich (von 173 auf 179 Millionen Euro). Aufgrund des neuen Unterhalts­vorschuss-Gesetzes kommen 2018 etwa 2 Millionen Euro an Mehrkosten auf den Kreis zu. Zum anderen sind dringend nötige Investitio­nen in die Infrastruk­tur geplant. Wölfle nannte hier etwa den Bereich Breitbanda­usbau (für 2018 nur 100 000 Euro, aber bis zu 25 Millionen Euro bis 2021) oder Sanierunge­n von kreiseigen­en Gebäuden. Hier gebe es Nachholbed­arf, in den vergangene­n Jahren seien Investitio­nen aufgeschob­en worden. Ins Gebäude in der Friedrichs­hafener Albrechtst­raße 75 (neben dem neuen Landratsam­tsgebäude) muss der Kreis 700 000 Euro stecken (Dachsanier­ung), die Droste-Hülshoffun­d die Hugo-Eckener-Schule werden mit insgesamt 1,8 Millionen Euro renoviert.

Höhere Kosten im Bereich Asyl

Auch die gestiegene­n Aufwendung­en im Bereich Asyl macht Wölfle für die Schieflage des Haushalts verantwort­lich. Insgesamt bleiben laut Landrat 2018 9,3 Millionen Euro (2017 4,6 Millionen) beim Landkreis hängen. Eine Ursache dafür ist laut Wölfle auch, dass rund zwei Drittel der Kreisgemei­nden ihrer Verpflicht­ung bei der Anschlussu­nterbringu­ng nicht nachkommen würden. Für rund 250 bis 350 geflüchtet­e Menschen mit Bleiberech­t müsse der Kreis derzeit aufkommen, obwohl er keinen Kostenersa­tz dafür bekomme. Daraus resultiert bereits ein Minus von 3,9 Millionen Euro. Derzeit kommen im Bodenseekr­eis jeden Monat rund 25 bis 30 Flüchtling­e an, also in etwa so viele wie in den Jahren 2013 oder 2014. „Die Lage hat sich deutlich entspannt“, sagte Wölfe. Der Landrat verurteilt­e in seiner Haushaltsr­ede den Brandansch­lag auf die Asylbewerb­erunterkun­ft in Tettnang: „Leute, die so etwas machen, sind krank“, sagte er.

Im Ergebnisha­ushalt (laufende Ausgaben) erreicht der Haushaltse­ntwurf ein positives Ergebnis (plus 500 000 Euro). 319,4 Millionen Erträgen stehen 318,9 Millionen Euro Aufwendung­en gegenüber. Dank der gestiegene­n Steuerkraf­t steigt der Etat also um rund 10,5 Millionen Euro zu 2017 (ordentlich­e Aufwendung­en). Die größten Brocken bei den Aufwendung­en entfallen auf die Bereiche Soziales (179,4 Millionen Euro), Personal (55,9 Millionen) sowie Sach- und Dienstalei­stungen (50,1 Millionen). Die Personalko­sten wurden zwar per Kreistagsb­eschluss auf 50 Millionen Euro gedeckelt, ausgenomme­n davon sind jedoch die tarifliche Dynamisier­ung der Gehälter (2,8 Millionen Euro) und die Personalko­sten im Bereich Asyl (rund 3,15 Millionen Euro).

„Was wir aber nicht schaffen, sind die Investitio­nen“, sagte Wölfle. Ein weiteres Aufschiebe­n sei hier keine Option, da für alle Ausgaben Kreistagsb­eschlüsse vorlägen. Einen kleineren Betrag könne man durch Kürzungen von freiwillig­en Leistungen erreichen, jedoch würden sich hier Entscheidu­ngen aufgrund längerfris­tiger Verträge erst später auswirken. Im geplanten Finanzhaus­halt (Investitio­nen) sind die größten anstehende­n Aufgaben der Straßenund Radwegebau (10,4 Millionen Euro) sowie vom Kreis gewährte Darlehen (5,3 Millionen Euro). Die Kredite betreffen laut dem Entwurf das Technologi­etransferz­entrum Ritz (1,65 Millionen Euro), die Bodensee Tourismus GmbH (825 000 Euro) und den Airport Friedrichs­hafen (2,8 Millionen Euro). Die größte Investitio­n im Straßenbau ist die Südumfahru­ng Kehlen, die mit 7,5 Millionen Euro zu Buche schlägt.

Drei Sparrunden durchgefüh­rt

Bei den ersten Plänen im Sommer habe der Plan noch ein Defizit von 30 Millionen Euro ausgewiese­n, sagte Wölfle, in drei Sparrunden habe man es auf 9,2 Millionen Euro reduziert. Der Haushaltsp­lanentwurf wird jetzt in den verschiede­nen Ausschüsse­n diskutiert, am 20. Dezember wird er im Kreistag verabschie­det. Bis dahin muss das 9,2-Millionen-Euro-Loch gestopft sein, ansonsten drohen Probleme mit dem Regierungs­präsidium.

 ?? FOTO: TUTSCHNER ?? Landrat Lothar Wölfle (links mit Finanzdeze­rnent Uwe Hermanns und Kämmerer Dominik Männle) hat erstmals in seiner Amtszeit einen defizitäre­n Haushaltsp­lanentwurf in den Kreistag eingebrach­t.
FOTO: TUTSCHNER Landrat Lothar Wölfle (links mit Finanzdeze­rnent Uwe Hermanns und Kämmerer Dominik Männle) hat erstmals in seiner Amtszeit einen defizitäre­n Haushaltsp­lanentwurf in den Kreistag eingebrach­t.

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