Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Moderner Mystiker
Arvo Pärt erhält den Ratzinger-Preis
ROM (KNA) - Es ●ist das erste Mal, dass ein Künstler den Joseph-Ratzinger-Preis erhält, auch „Nobelpreis der Theologie“genannt. Papst Franziskus überreicht die Auszeichnung heute an den estnischen Komponisten Arvo Pärt.
„Worte schreiben die Musik“, sagte er einmal. Viele seiner Arbeiten nehmen biblische Texte auf. Pärt, der lange in Berlin lebte, ist tief in alten christlichen Traditionen und Motiven verwurzelt. Und wenn er doch Werke sogenannter neuer Musik schreibt, so vergisst er nie die reiche Tradition. Er nutzt sie, um neue Musik damit zu prägen. Übersetzungsarbeit.
Anfänge in der Militärmusik
Dabei begann der 1935 in Paide in Estland geborene Pärt nach Schulzeit, Musikschule und einigen Monaten Musikstudium in der Militärmusik. Er arbeitete als Tonmeister im Rundfunk und erfuhr damit neue Musik, die so gar nicht zu den staatlichen Vorgaben passte. Das beschäftigte ihn. Sein Werk „Nekrolog“von 1960 war das erste in Zwölftontechnik geschriebene Werk in Estland.
In dem 2010 erschienenen Buch „Arvo Pärt – Im Gespräch“nennt der Künstler als einen Grund für seine Hinwendung zur Zwölftontechnik das Streben nach objektiverer, nichtemotionaler, reiner Musik. Und wendet sich dann doch seit 1964 wieder von dieser Technik ab. Als Grund nennt er ein wachsendes Bewusstsein für die „Existenz einer anderen Welt“, die eine starke Anziehungskraft auf ihn ausgeübt habe.
1968 wird sein Stück „Credo“uraufgeführt, ein Wendepunkt in seinem Leben. Zwölf Minuten einer Konfrontation von avantgardistisch Neuer und Alter Musik, einer Auseinandersetzung mit Bach und dessen C-Dur-Präludium. Mit dem Vers „Credo in Jesum Christum“ist es Pärts erste öffentliche Stellungnahme zum christlichen Glauben, und sie wirkt als politische Provokation gegen das Sowjetregime.
Zusehends wird Pärt von der kommunistischen Partei „abgestempelt und verfolgt“. Und zieht sich in ein fast acht Jahre währendes schöpferisches Schweigen zurück. Er wendet sich der russisch-orthodoxen Kirche zu und erarbeitet sich die Gregorianik.
Einen Schlusspunkt dieser Lebensphase bildet die Schaffung des Tintinnabuli-Stils („Glöckchen“), mit dem viele Hörer seine Kunst verbinden und der Pärts eigen klingende Mehrstimmigkeit beschreibt. Mit dem neuen Stil einher ging eine Abwendung von der Dominanz der Neuen Musik. „Man könnte sagen, dass ich mit mir und Gott ins Reine gekommen war und damit auch alle persönlichen Forderungen der Welt gegenüber in den Hintergrund gerückt waren.“
Seine Version des „Vater Unser“wird der 82-Jährige heute in der Sala Clementina aufführen, nach der Festrede von Papst Franziskus.