Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Existenzgründer treiben die Wirtschaft an
773 neue Unternehmen im vergangenen Jahr – Rückläufige Entwicklung in der Region
TETTNANG - Kreative Ideen, innovative Geschäftsmodelle oder auch neuartige Arbeitsplätze sind unerlässlich, damit eine Wirtschaftsregion erfolgreich bleibt. Der Raum Bodensee-Oberschwaben gilt in Fachkreisen zwar als „gründungsdynamisch“, dennoch stellt die Industrieund Handelskammer BodenseeOberschwaben (IHK) seit Jahren eine „deutlich erlahmte Gründungstätigkeit“fest – und damit ein Wachstumshemmnis.
Eine geniale Geschäftsidee, Unzufriedenheit als Angestellter oder das Bedürfnis, der eigene Chef zu sein: Es sind die unterschiedlichsten Gründe, die Menschen dazu bewegen, Existenzgründer zu werden. Im Jahr 2016 wagten in Baden-Württemberg 75 313 Menschen den Schritt in die Selbstständigkeit, indem sie einen von 67 625 Gewerbebetrieben alleine oder gemeinsam mit einem Partner gründeten. Eine besonders hohe Gründungsintensität verzeichnen die Statistiker stets in den Ballungsräumen und den großen Städten. Aber auch in ländlich geprägten Regionen setzen Existenzgründer ihre Ideen um. In der Region BodenseeOberschwaben gab es im vergangenen Jahr insgesamt 773 Betriebsgründungen. Aufgeteilt auf die drei zugehörigen Landkreise: Bodenseekreis 291, Ravensburg 349, Sigmaringen 133. Auf ähnlichem Niveau bewegen sich die Zahlen des ersten Halbjahrs 2017, die das Statistische Landesamt jüngst veröffentlichte. Zwischen Januar und Juni wurden im Ländle 34 800 Unternehmen neu gegründet, in der Region waren es 411 (Bodenseekreis 152, Ravensburg 183, Sigmaringen 76).
Das liest sich nicht schlecht, doch vor einigen Jahren sah das Gründergeschehen noch ganz anders aus. 2010 wurden 853 neue Betriebe ins Handelsregister eingetragen, 2005 gar 1102. In ihrer Broschüre „Gründungsund Nachfolgereport“berichtet die IHK von einer „seit der Jahrtausendwende deutlich erlahmten Gründungstätigkeit“– und warnt: „Unternehmensgründungen sind die Saat eines erfolgreichen Wirtschaftsstandorts. Sie schaffen Arbeitsplätze, tragen maßgeblich zu neuen und innovativen Produkten und Dienstleistungen bei und stärken dauerhaft die Region“, sagt Hauptgeschäftsführer Peter Jany.
Dienstleistungen beliebt
Besonders beliebte Branchen für Existenzgründungen in Baden-Württemberg sind laut IHK der Einzelhandel (11 338 Neugründungen) oder das Baugewerbe (7839). Auch Dienstleistungen aller Art stehen ganz oben auf der Hitliste, beispielweise Werbung und Marktforschung (2759) oder Finanzund Versicherungsberatungen (2054). Wesentlich zur Attraktivität des Diensleistungssektors dürfte beitragen, dass hier Unternehmen mit einem relativ überschaubaren finanziellen Aufwand gestartet werden können. Im produktiven Gewerbe muss der Existenzgründer dagegen üblicherweise hohe Investitionen für Werkstätten, Maschinen oder Labore vorstrecken.
Die gute Konjunktur und der Arbeitsmarkt haben in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass der Druck, sich im Vollerwerb selbstständig zu machen, in der Region Bodensee-Oberschwaben eher gering ist. Beachtlich sei dagegen, wie positiv die Gründertätigkeit im Nebenerwerb angezogen habe. Die IHK sieht hinter dieser Entwicklung die Reaktion auf das Anziehen der Inlandsnachfrage. Was nicht nur die IHK freut: Frauen holen bei den Gründungen weiter auf – mittlerweile liegt ihr Anteil bei fast 50 Prozent.
Für all diejenigen, die auf der Suche nach einer Geschäftsidee noch nicht fündig geworden sind, haben die Experten der IIHK einen Tipp. „Gute Erfolgschancen sehen wir bei Gründungen, die dem demographischen Wandel begegnen“, heißt es im Gründungs- und Nachfolgereport. Konkret sind damit gemeint: Fitnesskurse oder Pflegeangebote für Senioren. Gute Aussichten räumt die IHK auch Innovationen ein, die der Steigerung von Energieeffizienz dienen, sowie – wen wundert’s im Zeitalter der Digitalisierung – Lösungen, die die Vernetzung von Produktionsprozessen unterstützen.