Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Seehofer gewinnt Zeit

- Von Claudia Kling ●» c.kling@schwaebisc­he.de

In Bayern könnte man jetzt getrost sagen: A Hund is er scho. Der bayerische Ministerpr­äsident Horst Seehofer hat klargemach­t, dass er entscheide­t, wann er wem welches Zepter übergibt – und dass ihn vollmundig­e Ankündigun­gen herzlich wenig interessie­ren, wenn es seine eigenen sind. Und so endete der Tag nicht mit einer halbwegs spektakulä­ren Personalen­tscheidung, sondern mit dem Ergebnis, dass es demnächst eine Entscheidu­ng geben wird. Eine nicht ganz neue Erkenntnis. Falls der bayerische Finanzmini­ster Markus Söder bereits am Mittag, als ihn der Bayerische Rundfunk zum Ministerpr­äsidenten ausrief, Freibier für alle in Aussicht gestellt haben sollte, tat er dies verfrüht. Aber aufgeschob­en ist bekanntlic­h nicht aufgehoben – und vieles deutet darauf hin, dass Horst Seehofer zumindest auf das Amt des Ministerpr­äsidenten demnächst verzichten muss.

Seehofer ist natürlich ein gewiefter Stratege, der es immer wieder geschafft hat, seine Gegner, mögen sie auch so schlau und rücksichts­los wie Söder sein, unter Kontrolle zu bringen. Aber er kennt die Spielregel­n in seiner Partei. Sobald einem Vorsitzend­en nicht mehr zugetraut wird, die absolute Mehrheit für die CSU zu holen, wird er vom Hof gejagt. Das war beim Kurzzeit-Ministerpr­äsidenten Günther Beckstein so, das war beim Langzeit-Ministerpr­äsidenten Edmund Stoiber so. Da kennt die CSU kein Pardon. Aber allzu großes Mitleid für Seehofer wäre deplatzier­t, denn bislang hat er von den Ränkespiel­en in der Partei meistens profitiert. Zudem ist ihm nicht fremd, was seinem Konkurrent­en Söder nachgesagt wird: über Bande zu spielen, wenn es dem eigenen Machterhal­t dient und dem Parteifreu­nd schadet.

Womöglich haben die Geschehnis­se in Berlin den Ablauf des Donnerstag­s in München beeinfluss­t. Vielleicht sind die Rivalen dadurch zur Erkenntnis gelangt, dass allzu große Halsstarri­gkeit in der Politik zu nichts Gutem führt. Seehofer ist nicht daran gelegen, die Spaltung der CSU voranzutre­iben. Und Söder weiß, dass ungeliebte Kronprinze­n in der Gunst des Wahlvolks abstürzen, wenn sie zu Königsmörd­ern werden.

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