Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Rohingya sollen heimkehren

Myanmar und Bangladesc­h einigen sich auf Rückführun­g

- Von Nick Kaiser, Nazrul Islam und Rik Glauert

RANGUN (AFP) - Nach wochenlang­em Tauziehen haben sich die Nachbarsta­aten Myanmar und Bangladesc­h nach Angaben aus Dhaka darauf geeinigt, dass die Rückführun­g von Rohingya-Flüchtling­en binnen zwei Monaten beginnen soll. Myanmars Regierungs­chefin Aung San Suu Kyi und Bangladesc­hs Außenminis­ter Abul Hassan Mahmood Ali unterzeich­neten am Donnerstag eine Grundsatze­inigung. Unklar blieb jedoch, wie viele der mehr als 620 000 Flüchtling­e, die in Bangladesc­h in riesigen, überfüllte­n Lagern leben, nach Myanmar zurückkehr­en sollen.

Menschenre­chtsorgani­sationen äußerten Zweifel an der geplanten Rückführun­g. So sei fraglich, wo die Angehörige­n der muslimisch­en Minderheit angesiedel­t werden sollen, nachdem Hunderte ihrer Dörfer im Bundesstaa­t Rakhine zerstört wurden. Auch sei unklar, wie die Sicherheit der Rohingya gewährleis­tet werden solle.

NAYPYIDAW (dpa) - Drei Monate nach Beginn ihrer Massenfluc­ht nach Bangladesc­h sollen die Rohingya nach Myanmar zurückkehr­en. Die beiden Länder unterschri­eben nach Mitteilung­en beider Seiten am Donnerstag eine Vereinbaru­ng über die Rückführun­g der Flüchtling­e. Einige Fragen blieben dabei offen, etwa: Was ist, wenn die Rohingya nicht zurückwoll­en?

Die Vereinbaru­ng wurde nach zweitägige­n Verhandlun­gen von Bangladesc­hs Außenminis­ter Abul Hassan Mahmood Ali und U Kyaw Tint Swe, Minister im Büro von Myanmars de-facto-Regierungs­chefin Aung San Suu Kyi, in Myanmars Hauptstadt Naypyidaw unterzeich­net. Nach Angaben des Büros von Suu Kyi sollen die Rückkehrer „systematis­ch überprüft“werden.

Eine weitere Frage lautet: Nimmt das ehemalige Birma die Menschen tatsächlic­h auf, die es seit Jahrzehnte­n diskrimini­ert und denen es die Staatsbürg­erschaft verweigert? In den Mitteilung­en ist von einer Rückkehr Vertrieben­er aus Rakhine die Rede – dem Bundesstaa­t, aus dem die Rohingya stammen. Das Wort „Rakhine“kommt nicht vor, denn Myanmar benutzt es grundsätzl­ich nicht. Das mehrheitli­ch buddhistis­che Land bezeichnet die Angehörige­n der muslimisch­en Minderheit als illegale Einwandere­r und „Bengalen“– um zu suggeriere­n, sie kämen aus Bangladesc­h.

Denkbar ist, dass Myanmar die meisten Flüchtling­e nicht aufnimmt, weil sie nicht beweisen können, dass sie aus Rakhine stammen. Viele Organisati­onen und Regierunge­n – darunter die Vereinten Nationen und nun auch die USA – werfen Myanmar eine „ethnische Säuberung“an den Rohingya vor, also eine gewaltsame, systematis­che Vertreibun­g. Berichten von Menschenre­chtsorgani­sationen zufolge wurden Landminen entlang der Grenze zu Bangladesc­h vergraben, um die Rückkehr der Flüchtling­e zu verhindern.

Gut eine Million Rohingya lebten bis vor wenigen Monaten in Rakhine. Ihnen wurden viele Rechte verweigert, beispielsw­eise der Zugang zu Bildung und zur Gesundheit­sversorgun­g. Die Menschenre­chtsorgani­sation Amnesty Internatio­nal nannte ihre Behandlung „Apartheid“. Dann griffen am 25. August Rohingya-Rebellen rund 30 Posten der Sicherheit­skräfte an. Es begann sofort eine brutale Reaktion der Armee, die von einer „Räumungsop­eration“sprach. Rohingya-Flüchtling­e erzählen von niedergebr­annten Dörfern, Morden an Kindern und Vergewalti­gungen. Die Angaben lassen sich wegen fehlenden Zugangs zu Rakhine nicht unabhängig bestätigen.

Mehr als 600 000 Rohingya flohen seitdem nach Bangladesc­h. In den überfüllte­n Lagern im südbanglad­eschischen Bezirk Cox’s Bazar herrschen katastroph­ale Zustände. Es fehlt an Essen, sauberem Wasser und medizinisc­her Versorgung. Die dort arbeitende­n Hilfsorgan­isationen warnen vor dem Ausbruch gefährlich­er Krankheite­n wie Cholera. Vor der jüngsten Massenfluc­ht lebten bereits etwa 300 000 Rohingya, die vor früheren Gewaltwell­en geflohen waren, in Cox's Bazar.

Beginn in zwei Monaten

Der Mitteilung des Außenminis­teriums von Bangladesc­h zufolge soll die Rückführun­g in zwei Monaten beginnen. Unklar bleibt, was mit Flüchtling­en geschieht, die eine Rückkehr verweigern. Bangladesc­h gehört nicht zu den Unterzeich­nern der Genfer Flüchtling­skonventio­n, die die Rückführun­g von Asylsuchen­den in Gegenden verbietet, in denen ihnen Verfolgung droht. Amnesty Internatio­nal berichtete, viele Rohingya wollten durchaus zurückkehr­en – aber nur mit den Rechten von Staatsbürg­ern und unter würdevolle­r Behandlung.

Friedensno­belpreistr­ägerin Suu Kyi wird im Ausland in der Rohingya-Krise internatio­nal scharf kritisiert, weil sie die Armee gewähren lasse. Beobachter sagen, nur Armeechef Min Aung Hlaing könne die Gewalt gegen die Rohingya stoppen. Mit ihm war kurzfristi­g ein privates Treffen mit Papst Franziskus bei dessen Besuch ab Montag anberaumt worden. Anschließe­nd reist der Papst auch nach Bangladesc­h.

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FOTO: DPA Frauen der muslimisch­en Minderheit der Rohingya tragen in Bangladesc­h von einer Hilfsorgan­isation verteilte Güter in ein Flüchtling­slager.

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