Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Putins Plan mit Syrien ist auch mit Risiken behaftet

- Von Susanne Güsten, Istanbul

Es habe sich „eine echte Chance zur Beendigung des seit Jahren andauernde­n Bürgerkrie­gs in Syrien aufgetan“, sagte Russlands Präsident Wladimir Putin beim Gipfel mit seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan und Irans Präsident Hassan Ruhani. Das Dreiertref­fen in Sotschi endete mit dem Beschluss, eine „Konferenz des syrischen nationalen Dialogs“einzuberuf­en, bei dem Regierung und Opposition über die Zukunft des Landes sprechen sollen. Dies solle den Genfer Friedenspr­ozess „stimuliere­n“, sagte Putin.

Ähnliche Bemühungen hatte es in den vergangene­n Jahren immer wieder gegeben, ohne dass der Krieg in Syrien beendet werden konnte. Militärisc­he und politische Entwicklun­gen könnten die Chancen von Putins Plan verbessern. Die militärisc­he Lage hat sich durch Russland und Iran zugunsten von Assad gewandelt. Als Putin vor zwei Jahren erstmals Kampfflugz­euge nach Syrien schickte, stand Assad vor dem Aus, heute erobert die syrische Armee unter dem Schutz der russischen Luftwaffe immer mehr Gebiete zurück. Zudem haben der „Islamische Staat“(IS) und andere radikalisl­amische Milizen erheblich an Boden verloren. Während Putin mit Ruhani und Erdogan sprach, meldete das russische Verteidigu­ngsministe­rium, der lange Zeit vom IS beherrscht­e Osten Syriens werde bald unter Kontrolle syrischer Regierungs­truppen stehen. Im Kampf gegen den IS profitiere­n Russen und Syrer auch vom westlichen Einsatz gegen Dschihadis­ten.

Auf politische­r Ebene sind die Vorzeichen ebenfalls günstig. Die Türkei hat ihre Prioritäte­n geändert. Anders als in den vergangene­n Jahren, als Erdogan vor allem Assads Sturz anstrebte und sunnitisch­e Milizen im Kampf gegen den syrischen Präsidente­n unterstütz­te, will die Türkei heute einen Machtzuwac­hs der syrischen Kurden verhindern.

Mit russischem Einverstän­dnis hat Erdogan zwei Militärint­erventione­n nach Nordsyrien gestartet, um die Kurden zu stoppen. Im Gegenzug stimmt er offenbar einem Amtsverble­ib von Assad zu. In Sotschi sprach Erdogan von einem „freien und fairen“politische­n Prozess in Syrien und verzichtet­e auf die Forderung nach einem Rücktritt von Assad.

Passivität der USA nutzt Moskau

Putin kann außerdem von der passiven Haltung der USA profitiere­n. Präsident Donald Trump hat wie sein Vorgänger Barack Obama das amerikanis­che Engagement in Syrien auf die Bekämpfung des IS abgestellt – die Rolle der USA nimmt also in dem Maße ab, wie die Dschihadis­ten geschwächt werden. Allerdings bringt Putins Plan auch Risiken für Moskau mit sich. Nun trage der russische Präsident die Verantwort­ung für die Entwicklun­gen in Syrien, erklärte das USAußenmin­isterium. Der Kreml-Chef muss möglichst rasch Ergebnisse vorweisen können. Einfach wird das nicht. So bekräftigt­e Erdogan seinen Widerstand gegen eine Einladung der syrischen Kurdenpart­ei PYD zur geplanten „Dialog-Konferenz“.

Das meiste Kopfzerbre­chen könnte Putin Iran machen. Wie Moskau hat auch Teheran der syrischen Regierung entscheide­nde militärisc­he Hilfe gewährt. Nun steht Iran vor der Vollendung eines strategisc­hen Ziels: eine schiitisch­e Landbrücke vom eigenen Territoriu­m bis zum Partner Hisbollah im Libanon. Dies macht Israel und die sunnitisch­en Golfstaate­n nervös und könnte das Ende des Krieges verhindern, wenn die Golfstaate­n sunnitisch­e Milizen im Kampf gegen Iran in Syrien schicken.

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