Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Helfen auf dem Smaragdhüg­el

Auf Emerald Hill in Simbabwe erhalten die Schwächste­n Obdach und Bildung

- Von Mark Hildebrand­t

TETTNANG - In der Nacht des Militärput­sches in Simbabwe ist die in Tettnang geborene Schwester Philothea durch den Lärm zweier Explosione­n in der Ferne aufgewacht. Das berichtet sie in einer E-Mail. Die erste Beunruhigu­ng auf Emerald Hill, dem „Smaragdhüg­el“, in der Nähe der simbabwisc­hen Hauptstadt Harare, ist mittlerwei­le vorsichtig­em Optimismus gewichen.

Der Machtwechs­el in dem afrikanisc­hen Land am 15. November blieb auch in der Folge unblutig, der Alltag geht weiter. Mit ihrer Arbeit mit Aidswaisen, gehörlosen Kindern sowie Missbrauch­sopfern können die Dominikane­rinnen in der Einrichtun­g jedenfalls weitermach­en.

Ende April 1914, wenige Wochen vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs in Europa, wurde das Heim Emerald Hill von Pater Richard Sykes offiziell gegründet, schon im Mai desselben Jahres entstand das Hauptgebäu­de für ein Waisenhaus. Doch schon zuvor waren Kinder dort untergebra­cht: Der Ort war 1913 eine Isoliersta­tion für an Scharlachf­ieber erkrankte Internatss­chüler.

Großer Wandel in 100 Jahren

Was vor etwas mehr als 100 Jahren mit zwei Hütten begonnen hat, würden die Pioniere von einst heute kaum wiedererke­nnen: Dort leben mittlerwei­le über hundert Kinder. Es gab diverse Erweiterun­gen und neue Bauprojekt­e. Mittlerwei­le ernten Schüler sogar saisonales Gemüse in einem eigenen Garten. Dabei waren die Schwestern vor Ort immer abhängig von Spenden.

Die kommen direkt vor Ort an, sagt Maria Schuster. Sie ist Ansprechpa­rtnerin für das Projekt in Tettnang. Hier sind nur Ehrenamtli­che tätig, es entstehen also keine zusätzlich­en Verwaltung­sgebühren. Zudem kann vor Ort in internatio­nalen Währungen bezahlt werden, dadurch gibt es keine bis kaum Kursverlus­te. Das Geld ermöglicht den Kindern Bildung und Unterkunft, die sie sonst niemals hätten erfahren können.

Das Durchschni­ttsbruttoe­inkommen 2016 betrug laut Statistisc­hem Bundesamt in Simbabwe 940 USDollar je Einwohner. Allein der Besuch einer Grundschul­e beträgt inklusive Uniform pro Kind 480 Dollar pro Jahr. Bei weiterführ­enden Schulen sind es 1500 Dollar pro Jahr, Berufsausb­ildung oder Universitä­t liegen bei 2500 Dollar je Kind und Jahr.

Die Arbeitskrä­fte werden vor Ort gebraucht. Die Arbeitslos­enquote ist hoch, aber die Absolvente­n, die über Emerald Hill unterstütz­t werden, erhalten später in der Regel eine Stelle. Maria Schuster sagt: „Das Projekt ist ein wichtiger Weg der Schüler in ein erfolgreic­hes Leben.“

Die Absolvente­n, die alle von ganz unten kommen, haben etwas gemeinsam. Die möchten der Gesellscha­ft wieder etwas von dem Guten, das sie erfahren haben, zurückgebe­n. Eine junge Frau, die Lehrerin geworden ist, zahlt etwa für ein Kind selbst das Schulgeld. Andere sind ihrem Beispiel bereits gefolgt. Nicht nur Bildung, sondern auch die Lebenseins­tellung erhalten die Kinder auf Emerald Hill, sagt Maria Schuster.

„Es ist ein Privileg, hier leben zu dürfen“, berichtet etwa ein Mädchen in einem der zahlreiche­n Briefe, in denen die Dominikane­rinnen vom Leben vor Ort erzählen. „Wir erhalten da immer wieder Rückmeldun­gen“, sagt Maria Schuster. Teils über Jahre erfahren die Tettnanger so von den Fortschrit­ten Einzelner und begleiten ihren Lebensweg.

Schwester Philothea besucht in unregelmäß­igen Abständen ihre Heimatstad­t Tettnang und berichtet persönlich. Für sie ist die Arbeit in Simbabwe Lebenswerk geworden, ihre Arbeit auf jenem Smaragdhüg­el bei Harare, auf dem die Schwächste­n eine Zukunft erhalten.

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FOTO: GEMEINDE/EMERALD HILL An dem Ort, der wie eine Idylle wirkt, leben Kinder, die das Elend erlebt haben.

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