Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Das große Pflücken

Olivenöl ist ein Stück italienisc­he Lebensart – Als Erntehelfe­r in Umbrien erfährt man, warum das „grüne Gold“so wertvoll ist: Es steckt viel Arbeit dahinter

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tun, erklärt Haimo Peters. Zwar gebe es elektrisch betriebene Rechen an langen Stielen, die schnelle Rüttelbewe­gungen machen und so die Oliven vom Baum schütteln. „Aber das tut den Bäumen nicht gut, und außerdem können die Früchte dabei beschädigt werden“, erklärt er. Und kaputte Oliven fangen schnell an zu gären, was zur Folge haben kann, dass das Öl ranzig wird. Also werden große Netze unter den Bäumen ausgebreit­et und die Oliven von Hand gepflückt oder von den Ästen abgestreif­t. Erntehelfe­rin Bettina wagt dabei abenteuerl­iche Kletterman­över im Baum, um auch noch das letzte Exemplar am äußersten Ast zu erhaschen. Man wird doch sehr schnell angesteckt vom Erntefiebe­r.

Ist ein Baum abgeerntet, schüttet das Helferteam die Früchte aus dem Netz in eine große Kiste. „Wow, sieht das schön aus“, ruft einer und zückt die Handykamer­a. In der Kiste glänzen grüne, violette und schwarze Oliven um die Wette. Die Farbschatt­ierungen also in der Mühle nicht auf mehr als 27 Grad erwärmt werden, ist Ehrensache.

Die richtige Ölmühle zu finden, deren Betreibern man vertrauen kann, hat mit ganz anderen Dingen zu tun: Es wird von Mühlen berichtet, deren Mitarbeite­r heimlich Öl von ihren Kunden „abzweigen“. Geschichte­n machen die Runde von Oliven, die nicht schnell genug verarbeite­t und deshalb ranzig werden. Manchmal fliegen Panscher auf, die gutes mit schlechtem Öl strecken und so größere Gewinne einstreich­en. Das „grüne Gold“ist wertvoll – für einen halben Liter guter Qualität zahlen Kunden rund zehn Euro – und deshalb ist es ratsam, darauf aufzupasse­n.

Probieren in der Ölmühle

Wie das geht, zeigt der Blick ins Innere einer Mühle: Auf schmalen Holzbänken sitzen italienisc­he Männer und Frauen, die ihre Ernte abgegeben haben und nun jeden Verarbeitu­ngsschritt mit Argusaugen beobachten. Es scheint, als ließen sie auch nicht eine einzige Olive aus den Augen, bis das aus den Früchten herausgepr­esste grün-goldene Öl in ihre mitgebrach­ten Kanister fließt – auf die sie schon ihren Namen geschriebe­n haben und die sie mit festem Griff umschlosse­n halten. Neben der Holzbank steht ein kleiner Grill, auf dem Weißbrotsc­heiben geröstet werden können. So wird direkt vor Ort das neue Öl mit einer typischen Bruschetta verkostet.

Für Unkundige kann eine solche Degustatio­n direkt nach dem Pressen einen Überraschu­ngseffekt bereithalt­en: Das Öl schmeckt intensiv nach Olive und dabei recht bitter und scharf, weil Oliven phenolisch­e Verbindung­en enthalten, die sich im Öl erst nach und nach zersetzen. Diese Bitterstof­fe sind nicht nur gesund und verleihen dem „grünen Gold“seine charakteri­stische Note, sie sind vor allem ein Qualitätsm­erkmal für die Hochwertig­keit eines Olivenöls, wie Haimo Peters erklärt.

Er empfiehlt seinen Erntehelfe­rn, die den herben Geschmack nicht mögen, das Öl, das sie mit nach Hause nehmen, einfach ein paar Wochen „reifen“zu lassen, dann entwickle es einen ausgewogen­en und milderen Geschmack. Und so gibt es in der kalten Winterzeit in der einen oder anderen deutschen Küche eine kleine Erinnerung an sonnige italienisc­he Herbst- und Erntetage.

Den Weg von der Frucht zum Öl zeigt ein Storytelli­ng, das zu sehen ist unter: www.schwäbisch­e.de/olivenernt­e

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Auch für die gebürtige Schwäbin Christiane Schaper ist die jährliche Olivenernt­e in ihrer italienisc­hen Wahlheimat eine glückliche Zeit.
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