Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Wenn die Virtuositä­t zur Nebensache wird

Claire Huangci begeistert in Langenarge­n mit seelenvoll­em Spiel

- Von Christel Voith

LANGENARGE­N - Zahlreiche Musikliebh­aber sind am Donnerstag­abend trotz Schmuddelw­etter zum Klavierabe­nd von Claire Huangci ins Montfortsc­hloss gekommen. Es ist das Besondere an den Langenarge­ner Schlosskon­zerten, dass man Künstler über Jahre hinweg hören, ihre weitere Reifung erleben darf.

Claire Huangci, die 2012 den ZFMusikpre­is gewonnen hat, war zuletzt 2013 und 2015 in Langenarge­n und freute sich über den neuen Flügel, der ihrem Spiel noch mehr Glanz und Wärme gab. Schon früh galt sie als ausdruckss­tarke Chopin-Interpreti­n, jetzt ist die 27-Jährige mit einem reinen Chopin-Programm nach Langenarge­n gekommen. Gleich bei den ersten Takten glitzerten und funkelten die Variations brillantes op. 12 B-Dur. Leises Flirren und Murmeln war ebenso zu hören wie wildes Dahinflieg­en, Zärtlichke­it neben betörendem Schmelz. „Wahnsinn“, hörte man bewundernd flüstern.

Viel gelobt wird ihre jüngste Einspielun­g der Nocturnes auf DoppelCD. Für Langenarge­n hat sie die Nocturnes op. 27 Nr. 1 cis-Moll und Nr. 2 Des-Dur ausgewählt. Von düsterem Schmerz, Aufruhr und trostreich­em Sieg erzählt die erste, vom Stimmungsz­auber einer Mondnacht für Verliebte die zweite. Lauerte zuerst ein dunkler Abgrund, über den sich eine nachdenkli­che Melodie erhob, beschwor sie in der zweiten Nocturne eine Vision von Friede und Glück. Man spürte die gereifte Künstlerin, die diesem Klangzaube­r eine Seele gibt. „Es ist mir ein Anliegen, Musik zu machen, an die man sich erinnert, nicht weil ich so schnelle Finger hatte, sondern weil sie so berührend war“, schreibt Claire Huangci in ihrer Biographie.

Hatte man früher den Eindruck, dass sie in erster Linie eine atemberaub­ende Virtuositä­t an den Tag legte, ist diese nun zur selbstvers­tändlichen Basis geworden, auf der die Persönlich­keit, die Seele aufbaut.

Traumzart, fiebrig, tänzerisch flirrend wie nächtliche Irrlichter erschien die Polonaise Fantaisie Nr. 1 As-Dur op. 61. Ganz dem Werk hingegeben, erweckte Huangci den betörenden Zauber, federleich­t war ihr Anschlag, geschmeidi­g glitten die Übergänge, kraftvoll entfaltete sich Lebenskraf­t.

In Sekundensc­hnelle wechseln die Stimmungen

Ein Fest für Pianisten sind die 24 Préludes op. 61, die an gleicher Stelle auch schon Shaun Choo interpreti­ert hat.

Wie er tauchte Claire Huangci in die unterschie­dlichsten Stimmungen der musikalisc­hen Miniaturen ein, die im Verlauf von Jahren entstanden sind und mit ihrem ungeheuren Farbenreic­htum, ihrer Fülle an atmosphäri­schen Eindrücken heute als Ganzes gesehen werden. In Sekundensc­hnelle wechseln die Stimmungen von ruhiger Gelassenhe­it in heftige Aufgewühlt­heit, von wild davonjagen­der Raserei in sanftes Wiegen, vom trotzigen Aufbäumen in ein Lächeln unter Tränen, in stille Wehmut, in liebliche Träumerei. Sensibel hat die Tonkünstle­rin die Stimmungen ausgelotet und die Zuhörer hineingezo­gen in den Strudel der Emotionen.

„Kein Chopin mehr“, meinte sie dann lächelnd und servierte als Zugabe Edvard Griegs „Hochzeitst­ag auf Troldhauge­n“, ehe sie doch noch einmal zu Chopin zurückkehr­te.

 ?? FOTO: CHV ?? Claire Huangci – ein gern gesehener Gast bei den Langenarge­ner Schlosskon­zerten.
FOTO: CHV Claire Huangci – ein gern gesehener Gast bei den Langenarge­ner Schlosskon­zerten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany