Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Eltern mit Unterstützung
Stiftung bietet Menschen mit Behinderung eine „Begleitete Elternschaft“.
MECKENBEUREN/REGION - Mia ist knapp sechs Monate alt. In ihrem Kinderzimmer türmt sich Babykleidung – vieles ist von Petras Freundinnen, die selbst bereits Kinder haben. Doch die junge Mutter unterscheidet etwas von anderen Müttern: Petra hat eine psychische Beeinträchtigung, benötigt Unterstützung bei der Bewältigung des Alltags.
Seit wenigen Monaten bietet die Stiftung Liebenau das Angebot einer „Begleiteten Elternschaft“an und gibt Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit, den Wunsch zu realisieren Kinder zu bekommen. Bislang gibt es das Angebot nur im Kreis Konstanz, doch auch mit anderen angrenzenden Landkreisen ist die Stiftung im Gespräch.
Veränderte Unterstützungen
„Ich gehe davon aus, dass sich das Projekt weiter ausweiten wird. Wir haben Anfragen im zunehmenden Maß“, erläutert Andreas Liehner, Leiter der Ambulanten Dienste im Kreis Ravensburg und Konstanz, auf Anfrage der Schwäbischen Zeitung.
Die Anfragen kommen dann, wenn die Frauen schwanger sind. Wenn diese zum Beispiel in Hegenberg lebten, stellten sich dort in etwa die Fragen: Was machen wir jetzt? Wo kann das Kind aufwachsen – in einer „normalen“Wohngruppe mit anderen Erwachsenen? Ist das das Richtige? „Es gibt diese Frauen, es gibt diese Fragen. Es gibt sie seit Längerem und sie brauchen Lösungen – insofern muss sich etwas in der Landschaft der Unterstützungsmöglichkeit tun.“Denn der Wunsch, eine Familie zu gründen und Kinder zu bekommen, ist für Menschen mit Behinderungen oft mit Hindernissen verbunden und wird von der Gesellschaft mit Skepsis betrachtet. Konkrete Hilfe und Betreuungen gibt es bislang nur im Landkreis Konstanz und dort seit rund einem halben Jahr. Vier Mütter und fünf Kinder werden derzeit von der Stiftung begleitet. Eines dieser Kinder ist die knapp sechs Monate alte Mia. Sie ist Wunschkind von Petra und ihrem Partner. Ihren wirklichen Namen und den ihrer Tochter will Petra in der Zeitung nicht lesen – auch wenn sie stolz ist, Mutter zu sein. Ulrike Merk, DiplomSozialarbeiterin bei den Ambulanten Diensten der Liebenau Teilhabe im Kreis Konstanz, verbringt knapp elf Stunden in der Woche mit Mutter und Kind, trägt damit wesentlich zur Stabilisierung der Lebenssituation bei. Immer wieder werde die Stundenzahl und der Bedarf für einen Zeitraum neu vereinbart, erläutert Liehner. Das Projekt „Begleitete Elternschaft“soll Müttern oder Eltern mit Handicap helfen, weiterhin in ihrem sozialen Kontext zu bleiben. Unterstützt werden sie, so die Stiftung, darin, sich in ihrer neuen Rolle als Eltern zurechtzufinden. Dabei stünden das Wohl und der Schutz des Kindes immer im Mittelpunkt. Neben Erziehungsfragen und einer altersangemessenen Entwicklung des Kindes gehörten auch Themen wie Ernährung, Hygiene, Aufbau von Tagesstrukturen, lebenspraktische Aufgaben wie Einkaufen und Ordnung halten zum Unterstützungsangebot.
Der Anspruch auf Assistenz
Die „Begleitete Elternschaft“der Stiftung Liebenau wird von der Aktion Mensch gefördert und findet in enger Kooperation mit den beteiligten Leistungsträgern Jugendamt und Sozialamt statt. „Das Projekt wird außerdem durch die UN-Behindertenrechstkonvention und vor allem durch das Bundesteilhabegesetz gefördert. Dort steht der Begriff der ,Elternassistenz’ und dass es ein Anspruch behinderter Eltern ist, eine Assistenz zu bekommen. Insofern wird das Thema – meiner Einschätzung nach – auch in anderen Landkreisen eine gewisse Dynamik erfahren.“Eine Dynamik, die sie in Konstanz bereits erfahren hat: In Singen entsteht derzeit ein Wohnangebot für Mütter mit geistigen oder psychischen Behinderungen und ihren Kindern. Die Stiftung Liebenau baut dort ein sozialtherapeutisch gestütztes Wohnhaus mit 28 Plätzen. In diesem Haus können ab Anfang 2019 in drei Apartments Mütter zusammen mit ihrem Kind, mit der entsprechenden Unterstützung im Rahmen der „Begleiteten Elternschaft“, eigenständig als Familie leben – auch für die Stiftung ein Pilotprojekt.