Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Bad Waldsee: Nachtruhe in Rehaklinik sorgt für Unruhe
Auch Spätheimkehrer müssen nicht im Freien übernachten – Belegungsträger verordnen Ruhezeit ab 22.30 Uhr
BAD WALDSEE - Eine Rehaklinik ist kein Hotel. Mit Rücksicht auf den Genesungsprozess der Patienten muss die Nachtruhe eingehalten werden, die um 22.30 Uhr beginnt. In aller Regel ist dies nach Auskunft der Waldseer Kliniken auch kein Problem, zumal die meisten Abendveranstaltungen in der Kurstadt frühzeitig beendet sind. Nur beim Auftritt des Kabarettisten Chris Boettcher bei „Kultur am See“hat’s jüngst nicht ganz geklappt.
Kurz nach 22 Uhr ist eine halbe Stuhlreihe voller Kurgäste plötzlich unruhig geworden. Sie haben den Saal geschlossen verlassen aus Angst, im Kurgebiet vor verschlossener Eingangstüre zu stehen. Es war eine aberwitzige Szene und der Künstler soll vom vorzeitigen Aufbruch der gut zehnköpfigen Gruppe an diesem 10. November im Haus am Stadtsee irritiert gewesen sein. Zumal der Kabarettist schon fast bei seiner Zugabe angelangt war als krönendem Abschluss seines ohnehin starken Soloprogramms „Schluss mit frustig!“. „Klar, so etwas stört den Programmablauf natürlich schon, wenn es im Publikum plötzlich rumort und eine ganze Gruppe vorzeitig aufsteht. Der Künstler kann da vorne ja gar nicht einordnen, was jetzt genau los ist“, räumt Hans Ehinger von „Kultur am See“auf SZ-Anfrage ein.
Er und sein Mitstreiter Roland Metzler hätten an besagtem Freitagabend zwar sofort reagiert und den Kurgästen versichert, dass in Bad Waldsee kein Rehapatient unter freiem Himmel übernachten müsse, nur weil er ein paar Minuten später von einem Kulturformat zurückehre. „Aber sie ließen sich nicht davon überzeugen, weil ihnen in der Klinik signalisiert worden sei, sie müssten spätestens um 22.30 Uhr zurück sein, sonst würden die Türen geschlossen“, erinnert sich Ehinger zurück an diesen restlos ausverkauften Kabarettabend.
Auf SZ-Anfrage bekräftigt auch Bäderdirektor Peter Blank die Aussage der Programm-Macher, wonach kein Gast der Städtischen Rehakliniken am späten Abend um Einlass fürchten müsse. „Im besagten Fall hat es offenbar einen Kommunikationsfehler gegeben. Selbstverständlich sollen unsere Patienten und Gäste die Abendveranstaltungen am Ort besuchen können, zumal diese in der Regel ja so rechtzeitig beendet sind, dass die Leute in aller Ruhe zurückgehen können.
Und sollte es in einem Ausnahmefall einmal etwas später werden, bleibt die Türklingel nicht ungehört und es wird geöffnet.“In der Klinik im Hofgarten erhalten die Gäste laut Klinikleitung zudem einen Transponder, mit dessen Hilfe sie auch außerhalb der Öffnungszeiten ins Haus kommen. „In der Regel geben die Patienten aber vorher Bescheid, wenn sie zu einer Abendveranstaltung außer Haus gehen“, sagt Regine Gräter von der Personalverwaltung der Klinik dazu.
Die nächtlichen Ruhezeiten in Rehakliniken werden laut Blank von den Belegungsträgern wie beispielsweise der Deutschen Rentenversicherung vorgegeben. Sie sollen dafür sorgen, dass Patienten nach Operationen oder schwerer Erkrankung erfolgreich genesen und vor nächtlicher Unruhe durch andere Hausgäste geschützt werden. Daher schließen sich die Eingangstüren der Gesundheitseinrichtungen werktags bereits um 22.30 Uhr; am Samstag gibt es eine halbstündige Verlängerung bis um 23 Uhr. „Danach sollte dann aber auch Ruhe herrschen ohne fahrende Aufzüge und andere Geräusche im Flur“, unterstreicht der Bäderdirektor. Dabei bestätigten auch in diesem Fall Ausnahmen die Regel. So gestattet die Klinikleitung etwa bei der Waldseer Musiknacht „Rock in Town“im Oktober das längere Fernbleiben der Patienten am Abend oder wenn Gäste im Sommer die Bregenzer Festspiele besuchen möchten. Blank: „Das sind aber Einzelfälle, die die Nachtruhe anderer Gäste nicht beeinträchtigen und da gab es auch noch nie ein Problem mit der Absprache.“
Das dürfte die Städtische Kurverwaltung und andere Veranstalter freuen, die ihre Konzerte und Vorträge bekanntlich nicht nur für die Waldseer Bürger organisieren, sondern immer auch die Kurgäste mit im Blick haben. So sind es bei „Kultur am See“laut Ehinger im Durchschnitt an die 20 Prozent Kurgäste, die den Saal füllen. „Darüber sind wir als Veranstalter sehr froh, zumal es in der Region inzwischen immer mehr Kleinkunstformate gibt und volle Ränge auch bei uns nicht mehr selbstverständlich sind.“