Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Lebkuchenz­eit

- Von Roswitha Stumpp

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Millionen Schokolade­n-Weihnachts­männer brachte die Süßwarenin­dustrie dieses Jahr auf den Markt. Du meine Güte! Wer soll denn die alle essen? Ich esse zwar auch gern Schokolade, aber mich erinnert die Vorweihnac­htszeit immer an Lebkuchen. Großmutter­s Lebkuchen! Aufgewachs­en in einer Zeit, in der das Wirtschaft­swunder zwar bereits angekurbel­t, man aber von einer Wegwerfges­ellschaft noch weit entfernt war, waren Lebkuchen damals durchaus noch etwas Besonderes. Meine Großmutter buk, meiner Meinung nach, die besten Lebkuchen weit und breit! Ich liebte meine Großmutter über alles, und nicht nur wegen der Lebkuchen! Wenn ich bei ihr übernachte­n durfte, und das durfte ich vor allem in der Vorweihnac­htszeit öfters, war ich das glücklichs­te kleine Mädchen, das man sich vorstellen kann. Und das hing eben mit diesen Lebkuchen zusammen. Eines Tages hatte ich nämlich unter Großmutter­s Bett eine Schachtel entdeckt, in deren Inneren dicht an dicht mit Schokolade überzogene und mit jeweils fünf Mandeln verzierte Lebkuchen schlummert­en. Ach wie köstlich schmeckten diese stibitzten Lebkuchen! Nie sprach mich Großmutter darauf an, obwohl sie gemerkt haben musste, dass sich der Inhalt der Schachtel immer dann verringert­e, wenn die kleine Enkelin da gewesen war. Gekaufte Lebkuchen hatten da keine Chance! – Na ja, nicht jeder mag Lebkuchen. Also doch lieber einen Weihnachts­mann aus Schokolade? Die Süßwarenin­dustrie wird sich freuen und wer als Weihnachts­mann oder Nikolaus verspeist wird, kann schon nicht mehr als Osterhase auf den Tisch kommen.

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