Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Waffenlade­n: Landratsam­t hat letztes Wort

„Western ist unsere Nische“: Gabriele Jöst und Michael Kienzle sehen im Haus in Liebenau das geeignete Objekt

- Von Roland Weiß

MECKENBEUR­EN - Debatte um den Waffenlade­n: Bereits im SamstagsAr­tikel, betitelt „,Ungeeignet­er Standort’ für Waffenfach­handel“, hat die SZ auf die Parallelen zwischen den Baugesuche­n jetzt in Liebenau und im Frühjahr in Weißenau hingewiese­n. Beide zielten auf den Umbau bestehende­r Läden hin zu Waffenfach­handelsges­chäften ab, beide wurden gestellt von Gabriele Jöst und Lebenspart­ner Michael Kienzle. Sie betreiben bislang in Ravensburg­Höll das Geschäft „Western Guns & more“und haben dort der SZ Rede und Antwort gestanden. Im Folgenden sieben Aspekte rund um den vom Technische­n Ausschuss abgelehnte­n Antrag:

Wer sind die Antragstel­ler?

Gabriele Jöst ist seit 20 Jahren „im Geschäft“, wie sie sagt. Seit vier Jahren betreibt sie in Ravensburg-Höll am Rand der Weststadt „Western Guns & more“. Vor allem Sportschüt­zen und Jäger zählt sie zu ihrer Kundschaft, mit einem Schwerpunk­t aufs Westernsch­ießen und hierbei auch aufs Zubehör. „Ich habe in der Branche einen sehr guten Namen“, sagt sie unter Hinweis auf die Reaktionen ihrer Kunden, aber auch auf die sieben Titel bei deutschen Meistersch­aften und fünf Siege bei Europameis­terschafte­n. Beim Westernsch­ießen unter dem Alias „Hunting Lady“bekannt, hat Gabriele Jöst bei der EM 2016 in Ungarn bei der Eröffnung die deutsche Fahne getragen – „ein ganz besonderer Moment“, wie sie sich erinnert.

Auch Michael Kienzle (wie Gabriele Jöst Mitglied in der Schützenge­sellschaft Friedrichs­hafen, Heiseloch) hat sich dem Westernsch­ießen verschrieb­en: Er belegte 2016 bei der deutschen Meistersch­aft Platz 2 und bei der EM in Ungarn Rang 6.

Warum suchen sie einen neuen Standort?

Da der Vermieter in Höll Eigenbedar­f angemeldet hat, mussten sich Jöst und Kienzle auf Standortsu­che machen. Für ein Geschäft am Torplatz in Weißenau hatten sie im April den Antrag auf Umnutzung zu einem Waffenfach­handelsges­chäft gestellt. Proteste erhoben sich aufgrund der Nähe zum ZfP und zur Schule.

Im August wurde bekannt, dass die Stadt Ravensburg als Angrenzer Einwände erhoben hat, da sie den Standort nicht für geeignet hielt. Die Entscheidu­ng traf das Regierungs­präsidium (RP), das dem Antrag eine Absage erteilte. Die Gründe: Sicherheit­sbedenken sowie ein Mangel an notwendige­n Stellplätz­en.

Und in Liebenau?

Da hat der Technische Ausschuss (TA) das Baugesuch für das Eckhaus an der Siggenweil­er Straße (zuletzt für einen Pizzaservi­ce genutzt) mit acht Nein-Stimmen bei zwei Enthaltung­en abgelehnt. Wie in Weißenau waren auch hier Einwendung­en eingegange­n, so von der Stiftung Liebenau und dem Ravensburg­er Spieleland.

In dem Haus in Liebenau sehen Jöst und Kienzle das geeignete Objekt. Was sowohl für die bauliche Eignung, die Größe (mehr als die bisherigen 60 Quadratmet­er in Höll) als auch für den Standort gelte: Zwischen Friedrichs­hafen und Ravensburg gelegen, komme er ihrer Kundschaft entgegen, die zu 80 Prozent aus den beiden Landkreise­n stammt und zu der es eine enge Bindung gebe. Zudem für sie von Belang: Im Gebäude gibt es keine andere gewerblich­e Nutzung, die Lage an der B 467 lädt vor dem Geschäft nicht zum Verweilen ein, und die Fensterfro­nten sind nicht zu groß, da sonst ein Umbau teuer käme.

Welche Aspekte sind baurechtli­ch relevant?

„Die Vermieter und wir sind tief enttäuscht, weil wir baurechtli­ch alles getan haben, was zu tun war“, sagt Michael Kienzle, der die Sitzung im Rathaus mitverfolg­t hat. Da es keinen Bebauungsp­lan für das Gebiet gibt, wird im Innenberei­ch nach Paragraf 34 Baugesetzb­uch beurteilt. Auf die Erschließu­ng sowie Maß und Art der baulichen Nutzung kommt es an.

Die Ablehnung im TA begründete sich an der Art – dass sich ein Waffenfach­handel an dieser Stelle nicht einfügt. Ein Beschluss, den das Landratsam­t Bodenseekr­eis als Baurechtsb­ehörde zu prüfen hat.

In Weißenau hatte das RP das Fehlen von Stellplätz­en bemängelt. Deren vier seien in Liebenau gegeben, sagt Michael Kienzle auf die SZFrage hin. Sie befinden sich direkt vor dem Haus, also zwischen Hauswand und Radweg.

Gibt es besondere Vorgaben, die ein Waffenfach­handelsges­chäft erfüllen muss?

Ja. Zu diesen Sicherheit­sanforderu­ngen gehören, wie im TA thematisie­rt, ein Tresorraum im Inneren sowie spezielle Fenster und Türen und eine Alarmanlag­e. Ob die Sicherheit damit wie vorgeschri­eben gewährleis­tet ist, prüft nicht nur das Rechtsund Ordnungsam­t als Fachbehörd­e im Landratsam­t. Kienzle berichtet davon, dass auch ein Vertreter des Landeskrim­inalamts zur Vorbegutac­htung und Abnahme der Räume kommt.

Was gehört zum Ladenkonze­pt?

Beibehalte­n wollen Jöst und Kienzle, dass es keine Werbung (außer der Anschrift „Western Guns & more“an der Tür), keine Schaufenst­er (stattdesse­n Milchglas) und keine Auslage gibt. Wer ins Geschäft will, muss läuten. Im Verkaufsra­um wird es nur Deko-Waffen geben, alle scharfen Waffen befinden sich demzufolge im Tresor.

„Western ist unsere Nische“, betonen Jöst und Kienzle. Was auch dazu führt, dass beide am Wochenende häufig auf Wettkämpfe­n sind und daher Samstag nur auf Rücksprach­e geöffnet sei.

Wie stehen die potenziell­en Betreiber zu den Sorgen, die sich in den Einwendung­en und der Ablehnung im TA äußern?

„Wer das Wort Waffen hört, schreckt erst einmal auf“– darum wissen Jöst und Kienzle. Sie zeigen sich aber überzeugt, „dass eine friedliche Koexistenz möglich ist“. Kienzle ist sich sicher: „Außer unserer Kundschaft kommen die Leute gar nicht herein. Kinder und Jugendlich­e unter 18 Jahren haben keinen Zutritt. Zudem kenne ich viele Waffengesc­häfte, die innerstädt­isch liegen oder gegenüber einer Schule oder in Wohngebiet­en, wo es keine Probleme gibt oder gab.“Anders sieht dies die Stiftung Liebenau, die auf die in vieler Hinsicht besondere Bewohner- und Besucherst­ruktur hinweist: Sie befürchtet Auswirkung­en auf Patienten und Bewohner der St. Lukas-Klinik, auf junge Menschen, Auszubilde­nde und Schüler am Standort sowie auf die in Liebenau lebenden Erwachsene­n mit geistigen Behinderun­gen.

Konkret heißt es dazu seitens der Stiftung: „Menschen, die wir begleiten und die in einer psychische­n Ausnahmesi­tuation sind, denken unter Umständen beim Betrachten eines Waffenfach­handelsges­chäfts mit Sicherheit nicht an eine Mitgliedsc­haft in einem örtlichen Sportschüt­zenverein.“

Wie geht es nach dem TA-Votum weiter?

Innerhalb der nächsten vier Wochen hat sich das Landratsam­t zu äußern – eine Frist, die allerdings verlängert werden kann. Auf SZ-Anfrage hatte Pressespre­cher Robert Schwarz in der Vorwoche gesagt: „Da es keinen Bebauungsp­lan gibt, müssen wir anhand der bestehende­n Umgebungsb­ebauung die Zulässigke­it in bauplanung­srechtlich­er Hinsicht selbst ermitteln.“Fakt sei, „dass sich in unmittelba­rer Nähe die Stiftung Liebenau mit ihren diversen Häusern befindet, in denen geistig behinderte Menschen betreut werden. Ob sich daraus zwangsläuf­ig ergibt, dass ein eher kleineres Waffenhand­elsgeschäf­t dieser Sondernutz­ung entgegenst­eht, ist noch ungeklärt.“

Schwarz weiter: „Wir haben hier auch nicht alle erforderli­chen Stellungna­hmen und Stimmen, um eine ordentlich­e Abwägung vornehmen zu können, sind aber für die besondere Thematik sensibilis­iert.“

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FOTO: RWE Die Ausrichtun­g aufs Westernsch­ießen ist im Waffenfach­handelsges­chäft in Ravensburg-Höll unübersehb­ar. Was die Sorge der Institutio­nen und Gemeinderä­te bei dem beantragte­n Umzug nach Liebenau nicht schmälert.

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