Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Putin wirft USA aggressive Politik vor
Russlands Präsident will Vorreiter beim Aufbau moderner Streitkräfte sein
MOSKAU - Wladimir Putin hat den USA vorgeworfen, sie seien „auf dem Weg“, den Vertrag über nukleare Mittelstreckenraketen von 1987 zu verletzen. Die USA und die Nato seien dabei, ihre Präsenz in Europa auszubauen, sagte der russische Präsident. Das US-Patriot-Raketenabwehrsystem, das in Polen und Rumänien installiert werden soll, könne „jederzeit“in ein Angriffssystem umgewandelt und zu einer Bedrohung für Russland werden.„Wir haben das souveräne Recht und alle Möglichkeiten, um auf angemessene Weise auf solche potenziellen Bedrohungen zu reagieren“, erklärte Putin.
Russlands Präsident will sein Land „zum Vorreiter beim Aufbau einer Armee der neuen Generation machen“, sagte er am Freitag bei einem Treffen mit Militärvertretern. „Das ist wichtig, um unsere Souveränität zu sichern.“Putin ist im Wahlkampfmodus: Am Samstag besucht er den Parteitag der Regierungspartei Geeintes Russland in Moskau. Das kündigte der Kreml zum Auftakt des zweitägigen Treffens an. Geeintes Russland unter Vorsitz von Ministerpräsident Dmitri Medwedew unterstützt einen Verbleib Putins für eine vierte Amtszeit als Präsident, wird ihn aber für die Wahl am 18. März 2018 nicht offiziell nominieren. Putin will seine Überparteilichkeit betonen und als unabhängiger Kandidat antreten.
Der 18. März ist auch das Datum des dritten Jahrestags der widerrechtlichen Annexion der Krim vor drei Jahren. Das Datum wurde nicht zufällig gewählt. Stolz und imperiale Erinnerung sollen unentschlossene Wähler noch zur Stimmabgabe für den Kremlchef bewegen.
Dass Putin gewinnt, steht außer Frage, aber wird auch die Wahlbeteiligung ausreichend sein, um den Sieg zum Triumph zu machen? Wahlforscher bezweifeln dies, weshalb der Kreml auch vom ursprünglichen Ziel Abstand nahm, den Urnengang gleich zum Vertrauensreferendum über Putin aufzuwerten. erstmals einen jüngeren Kandidaten zum Schaukampf auflaufen. Noch einmal mit von der Partie ist auch Grigorij Jawlinski von der liberalen Partei Jabloko.
Alle altgedienten Bewerber warteten bis zuletzt mit der Bekanntgabe ihrer Kandidatur. Auch Putin zierte sich. Es schien so, als überlege er, ob er sich noch eine Kampagne antun müsse. Bislang hat der Amtsanwärter noch kein Wahlprogramm. Das wird natürlich nachgereicht. Doch dürfte es ein Aufguss älterer Verheißungen sein: die Verbesserung des Gesundheitswesens und der Bildung etwa. Wer wollte da widersprechen? Ob das jedoch reicht, bezweifeln russische Beobachter. Putins Entourage fällt zur Zukunft nichts ein. Die Elite ist in der Vergangenheit hängengeblieben und verteufelt die 1990erJahre. – ohne zu wissen, wie die Zukunft aussehen könnte, weder nach innen noch nach außen. Das erinnert an die Sowjetunion. Auch damals hatten sich die Machthaber den Bewegungen der USA verschrieben. Schritte des Kreml sind Antworten auf Washingtons Vorgaben.
Doch was wird aus Russland, wenn sich die USA und der Westen in Putins nächster Amtszeit beruhigen? Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war es die Offenheit des Westens, die schwere Traumata verursachte. Wofür hatte der Sowjetmensch ein Leben lang in der Schlange gestanden? Doch wohl, um es mit den USA aufnehmen zu können. Über Nacht wurde der Verzicht entwertet. Das Ganze entpuppte sich als Täuschung. Auch diesmal hätte der Kreml keinen Plan B.