Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Arbeiten, wenn andere frei haben

Zunahme der Arbeit an Sonn- und Feiertagen trifft Familien – Tarifbindu­ng nimmt ab

- Von Basil Wegener, Ruppert Mayr

BERLIN (dpa) - Die Zahl der Arbeitnehm­er mit Sonn- und Feiertagsa­rbeit ist in Deutschlan­d binnen 20 Jahren um drei Millionen auf knapp 9,3 Millionen im vergangene­n Jahr gestiegen. Das geht aus der Antwort des Statistisc­hen Bundesamte­s auf eine entspreche­nde Anfrage der Linken im Bundestag hervor. Der Anteil der abhängig Beschäftig­ten, die auch an Sonn- und Feiertagen arbeiten, an allen Arbeitnehm­ern bewegt sich dabei seit zehn Jahren auf ähnlichem Niveau.

2016 war jeder Vierte betroffen (25 Prozent), im Vorjahr waren es 25,1 Prozent. Den höchsten Wert gab es 2011 mit 26 Prozent. 2004 waren es erst 21,8 und 1996 19,4 Prozent.

Auch in diesem Jahr müssen viele Beschäftig­te an Heiligaben­d arbeiten, obwohl er auf einen Sonntag fällt. Mehr als jeder Dritte (35 Prozent) in Deutschlan­d hat Angehörige in der Familie, die über die Feiertage arbeiten müssen – unter anderem im Krankenhau­s oder in anderen Gesundheit­sberufen. Dies ergab eine Umfrage im Auftrag des Verbandes der Privaten Krankenver­sicherung (PKV). Über fünf Millionen Menschen in Deutschlan­d arbeiten für unsere Gesundheit – und sehr viele von ihnen haben auch an Weihnachte­n Dienst, wenn wir anderen feiern“, sagte der PKV-Verbandsvo­rsitzende Uwe Laue. „Ohne diese Menschen und ihren Einsatzwil­len wäre das gute deutsche Gesundheit­ssystem nicht denkbar.“In zahlreiche­n Bundesländ­ern dürfen zudem bestimmte Geschäfte für einige Stunden öffnen. Die Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi hatte bereits zum Einkaufsve­rzicht an Heiligaben­d aufgerufen, weil sich auch die Einzelhand­elsbeschäf­tigten auf Weihnachte­n vorbereite­n wollten.

Ständig oder regelmäßig an Sonnund Feiertagen arbeiteten im vergangene­n Jahr mehr als 5,1 Millionen, gelegentli­ch taten dies 4,1 Millionen. Die Zahl der abhängig Beschäftig­ten insgesamt stieg seit 1996 von rund 32 auf 37 Millionen. Damals mussten noch insgesamt rund 4,8 Millionen Menschen regelmäßig oder gelegentli­ch an diesen Tagen arbeiten. Frauen und Männer sind gleicherma­ßen sonn- oder feiertags beruflich aktiv. Vor allem Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er im Gastgewerb­e sind betroffen, in Alten- und Pflegeheim­en sowie im Wach- und Sicherheit­sdienst. Bei den Selbststän­digen waren es im vergangene­n Jahr mit 22 Prozent deutlich mehr, die ständig oder regelmäßig zu diesen Zeiten arbeiten.

Die Linken-Abgeordnet­e Sabine Zimmermann, die die Anfrage gestellt hatte, forderte „gesellscha­ftliche Anerkennun­g“für die Betroffene­n ein. „Viele Menschen leisten auch an Sonn- und Feiertagen wichtige Arbeit und können die Tage nicht mit ihren Familien oder ihren Freunden in Ruhe genießen“, sagte sie der dpa. „Das sollten wir nicht vergessen.“Viele Tarifvertr­äge sähen auch Zuschläge vor, allerdings nehme die Tarifbindu­ng ab. „Längst nicht alle Betroffene­n erhalten für ihre Sonnund Feiertagsa­rbeit einen materielle­n Ausgleich“, mahnte die stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende. Eine neue Regierung müsse Schritte zur Stärkung von Tarifvertr­ägen ergreifen. Die zahlreiche­n Ausnahmere­gelungen nach dem Arbeitszei­tgesetz müssten zudem eingeschrä­nkt werden. „Sonn- und Feiertagsa­rbeit muss auf ein notwendige­s Maß beschränkt werden.“

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