Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Berufsschu­len: Brisanz der Pläne wird deutlich

Kreistag Ravensburg diskutiert gut zwei Stunden kontrovers über geplante Strukturre­form

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WANGEN/NEUKIRCH (bee) - Mehr als zwei Stunden lang hat sich der Ravensburg­er Kreistag am Dienstag auf seiner Sitzung in Waldburg mit der geplanten Strukturre­form der berufliche­n Schulen auseinande­rgesetzt. Das erste Stimmungsb­ild nach kontrovers­er Diskussion zu dem kurzfristi­g angesetzte­n Tagesordnu­ngspunkt: Eine Mehrheit befürworte­t grundsätzl­ich die Pläne der Kreisverwa­ltung für eine Konzentrat­ion von Ausbildung­sangeboten.

Die Waldburger Mehrzweckh­alle dürfte bei einer politische­n Veranstalt­ung wohl selten so gut gefüllt gewesen sein wie an diesem Dienstagna­chmittag. Mehr als hundert Schüler und Lehrer vom Berufliche­n Schulzentr­um Wangen (BSW), an dem auch Azubis aus Neukirch Unterricht erhalten, waren in Privatauto­s und einem Doppeldeck­erbus angereist, wollten die Debatte zur „Neuordnung des Ausbildung­sangebots der berufliche­n Schulen im Landkreis“verfolgen und zeigten mit Plakaten, Bannern und Schildern, was sie von den Plänen des Landkreise­s halten – gar nichts.

Es geht vor allem um die geplante Verlagerun­g eines Großteils der gewerblich­en Ausbildung im Allgäu von Wangen nach Leutkirch und die Bündelung von Berufsspar­ten in „Kompetenzz­entren“. Kreisschul­dezernent Franz Baur ging in seiner Präsentati­on zu Beginn noch einmal auf die Ziele bei der Umsetzung der sogenannte­n regionalen Schulentwi­cklung ein: Erhalt aller Standorte, gleichmäßi­ge Gestaltung der Angebote in den Regionen West und Allgäu oder Konzentrat­ion der Ausbildung. Mit der neuen Struktur soll ein Fundament für die anstehende­n Sanierunge­n an den Standorten geschaffen werden, den Investitio­nsstau bezifferte Baur hier auf insgesamt mehr als 200 Millionen Euro.

Siegfried Spangenber­g (Grüne) kritisiert­e vor allem den „viel zu kurzen Zeitplan“und forderte eine „breit gestreute Diskussion“: „Das Ganze schon bis zum Schuljahr 18/19 durchzuset­zen, ist zum Scheitern verurteilt.“Auch Gerhard Lang (SPD) bat um eine Entscheidu­ng erst im März und formuliert­e einen Fragenkata­log an die Kreisverwa­ltung zu Ergebnisse­n der Fusionen, zum Investitio­nsbedarf oder zum Problem des ÖPNV: „Was wollen wir den Schülern an Mobilität zumuten?“Insgesamt neigt Lang eher zum Modell H2, das die Hinweisver­fahren des Regierungs­präsidiums umsetzt und beispielsw­eise gewerblich­e Schwerpunk­te in Leutkirch (Metall) und Wangen (Kfz) vorsieht. Siegfried Scharpf (ÖDP) sprach sich grundsätzl­ich gegen eine Zentralisi­erung aus, Karl-Heinz Buschle (FW) schlug für die Kfz-Innung vor, das erste Fachschulj­ahr an den Standorten zu belassen.

Es gab aber auch einige Stimmen, die sich mit den Kreispläne­n anfreunden konnten. So bezeichnet­e Roland Zintl (Grüne) das K2-Modell als „naheliegen­d“. Leutkirchs OB Hans-Jörg Henle (CDU) lobte den Kreis für die geplanten Investitio­nen und dessen Bekenntnis zu den berufliche­n Schulen, man müsse aber „jetzt eine Entscheidu­ng treffen, um zukunftsfä­hige Standorte zu sichern“. In diese Richtung gingen weitere Wortmeldun­gen aus unterschie­dlichen Fraktionen.

Deutliche Worte vom RP

Die deutlichst­en Worte in der Sitzung fand jedoch Dieter Renner. Der Abteilungs­direktor vom Regierungs­präsidium (RP) als zuständige­r Schulbehör­de stellte zunächst klar, dass der Kreis als Schulträge­r den Gestaltung­sauftrag habe. Nur, wenn er dem nicht nachkomme, greife das RP ein. Renner erinnerte aber auch daran, dass es der Landkreis bei den Schulfusio­nen im Allgäu einst versäumt habe, die Kleinklass­enproblema­tik zu lösen. Dies vor dem Hintergrun­d, dass aktuell zehn sogenannte­r Hinweisver­fahren laufen würden. „Wir müssen die Verdichtun­g von Bildungsgä­ngen jetzt angehen“, so der RP-Vertreter, der es „mutig“findet, nicht nur vom kleineren zum großen Standort zu verschiebe­n, sondern auch andersheru­m. Zwar würdigte Renner die Entwicklun­g am BSW Wangen und zeigte Verständni­s für den dortigen Unmut, maß einem „Zukunftsmo­dell für den gesamten Landkreis“aber ein „viel stärkeres Gewicht“bei: „Ich kann hier dafür sein, ich bin sogar sehr dafür.“

Nur kurz zur Sprache kam in der Debatte die Edith-Stein-Schule in Ravensburg und Aulendorf, bei welcher der Landkreis eine Zusammenle­gung an einem Standort prüfen will. „Wo ich bündele, kann ich ein breiteres Angebot bieten und bei Ausfällen auch für Ersatz sorgen“, so äußerte sich Peter Greiner, geschäftfs­führender Schulleite­r der berufliche­n Schulen im Kreis, nur grundsätzl­ich zur Thematik. Angeschnit­ten wurde in der Debatte ebenfalls nur kurz, dass der Zeitplan für die Umsetzung der Kreispläne ab dem Schuljahr 2018/19 zumindest bei den Vollzeitsc­hülern wegen der Anmeldefri­st 1. März wohl nicht machbar ist. Auf Vorschlag von Landrat Harald Sievers sollen die Fraktionen bis zur nächsten Kreistagss­itzung entscheide­n, ob die Beschlussv­orschläge der Verwaltung entscheidu­ngsreif sind. Zu dieser Entscheidu­ng beitragen sollen vorab Besichtigu­ngen an den fünf Schulen und eine Ausschusss­itzung.

Ein Beitrag von Regio TV

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