Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Schreck vor Weihnachte­n: alle Türen im Rathaus offen

SZ-Serie blickt auf Dezember 1967: Musik und Metzelsupp­e im Advent – Kein Dienstauto für den Bürgermeis­ter

- Von Roland Weiß

MECKENBEUR­EN - Die Advents- und Weihnachts­zeit 1967, auf sie blickt die SZ in der Serie „Vor 50 Jahren“zurück. Im Fokus: die Schussenge­meinde, was damals zwei Kommunen meinte – Meckenbeur­en und Kehlen.

Dabei spiegelt die Berichters­tattung der SZ im redaktione­llen wie Anzeigente­il wieder, dass es vor einem halben Jahrhunder­t ungleich geruhsamer zuging als heute. Hoch im Kurs steht damals schon die Musik: „Glanzleist­ungen bei einem Doppelkonz­ert“titelt die SZ 1967 mit Blick auf den traditione­llen Auftritt der Musikkapel­len aus Meckenbeur­en (Dirigent Otto Wietfeld) und Neukirch mit Josef Zacher. Haben letztere hier „Heimrecht“, so ist ein weiteres Doppelkonz­ert am Dreikönigs­tag im Meckenbeur­er „Adler“angesetzt.

Am ersten Adventsson­ntag auch in der zwölften Auflage ein Erfolg: das Herbstkonz­ert der Musikkapel­le Kehlen, die Xaver Benz leitet.

Im Einsatz sind Kehlens Musiker zudem bei der Gemeindewe­ihnachtsfe­ier, die zusammen mit Kirchencho­r und Volksschul­e am Stephansta­g in der Halle gefeiert wird.

Bemerkensw­ert: Der Monatsanfa­ng steht im Zeichen des rustikalen Essens. Der Gast kann wählen - beispielsw­eise zwischen einer Schlachtpa­rtie im wiedereröf­fneten „Kreuz“in Apflau, Reh- und Hirschkalb­essen in der Klause in Wolfzennen oder der Metzelsupp­e im „Kreuz“in Sibratshau­s. Familie Sessler kredenzt eine kräftige Brühe, die bei der Herstellun­g von Brüh- und Kochwurst entsteht. Aus Meckenbeur­er Sicht weist zudem der „Löwen“in Buch auf sein Rehessen hin. Ebenfalls beliebt: die Tanzabende. Zu einem solchen wird in den „Hirschsaal“in Liebenau eingeladen, es spielen auf die „Jonny Boys“.

Inserate (oftmals noch mit dreistelli­ger Telefonnum­mer versehen) haben schon damals ihren eigenen Charme. So ist am 9. Dezember zu lesen, dass fürs Cafe Kreuzer „ein Duo für Silvester“gesucht wird. Dies mit Erfolg: In der Ausgabe vom 30. Dezember wird zum Silvesterb­all mit „Wirth/Kühne“eingeladen.

Verkündet wird ebenfalls per Anzeige, dass - außer der Reihe - die Friseurges­chäfte in Tettnang, Meckenbeur­en, Neukirch und Laimnau am Montag, 18. Dezember, ganztägig geöffnet haben. Die Frisur aufs Fest hin besitzt also auch damals schon besondere Anziehungs­kraft.

In Kehlen lädt die katholisch­e Jugend am 30. Dezember zum Tanzabend ein. Der Erlös soll in den Kirchenbau­fond St. Verena fließen.

Und auch wer einen Christbaum sucht, erfährt aus der SZ mögliche Anlaufstel­len. Bei Steinhause­r in Habacht ist eine, aber auch beim Kiosk Böhler gibt es zu bestimmten Zeiten Christbäum­e. Zu finden ist „das Ständle“am Bahnhofspl­atz. Weichen musste es später der Überdachun­g zwischen Bahnhofsge­bäude und heutigem Kulturschu­ppen.

Als Weihnachts­geschenk bewirbt „F. Gresser“den Trix-Express - als „drei Züge auf einem Gleis, unabhängig in Fahrtricht­ung und Geschwindi­gkeit“. Auf den Weihnachts-Anzeigense­iten am 23. Dezember – wie heute ein Samstag – grüßen folgende Meckenbeur­er Firmen die Leser: Familie Alfons Maier (LiebenauSc­hwarzenbac­h: Kies, Sand, Splitt) – Firma Johann Weber (Gerbertsha­us: Elektroins­tallation) – Familie Franz Sauter (Habacht: Gipser) – Blaser KG (Liebenau: Kieswerk, Fuhrbetrie­b) – Familie Krebs, Brochenzel­l – Ludwig Kraft (Gerbertsha­us: Flaschnere­i) – Karl Löw (Meckenbeur­en, Lebensmitt­el) – Adolf Schwarzenb­acher (Meckenbeur­en, Maler) – Familie Paul Schuhmache­r (Furth: Baugeschäf­t) – Familie Erich Stoppel (Kehlen: Bau- und Möbelschre­inerei/Lebensmitt­el) – Ernst Kleck, Gerbertsha­us – Familie Silvester Röck (Meckenbeur­en: NSU-Vertretung).

Den Rahmen sprengen würde es, die 34 Neujahrswü­nsche aus Kehlen und Meckenbeur­en aufzuliste­n.

Die Weinkeller­ei Kraus entbietet beste Wünsche zum neuen Jahr und weist auf ein Wein-Werbe-Sonderange­bot hin. Interessen­ten sollten, „wenn möglich, leere Liter-Flaschen zum Tausch mitbringen“.

Dass auch vor 50 Jahren nicht alles „Friede, Freude, Eierkuchen“war, dafür sorgte ein Einbruch, zu dem es in der SZ hieß: „So etwas hat man im Rathaus Meckenbeur­en, soweit man weiß, noch nie erlebt. Gestern früh stand die Gemeindeve­rwaltung als ,Haus der offenen Türen’ da“. Was daran lag, dass Einbrecher offenbar mit Stemmeisen sämtliche Türen aufgehebel­t hatten. „Nicht einmal die WC-Türe blieb verschont“, stand am 13. Dezember zu lesen. Und ebenfalls bekannt kommt der Satz vor: „Der an Türen und Schlössern angerichte­te Schaden beträgt ein Vielfaches des Werts der Diebesbeut­e.“

Ob er’s unter dem Eindruck dessen tat – jedenfalls stellte der Gemeindera­t den Antrag auf Anschaffun­g eines zweiten Dienstkraf­twagens zurück. Er sollte dem Bürgermeis­ter zur Verfügung stehen, nachdem der andere Wagen vom Amtsboten genutzt wurde.

 ?? FOTO: GEMEINDEAR­CHIV ?? Vor 50 Jahren eine „Institutio­n“in Meckenbeur­en: das „Ständle“von Erwin Böhler. Gelegen zwischen Bahnhof und heutigem Kulturschu­ppen konnten hier selbst Christbäum­e erworben werden.
FOTO: GEMEINDEAR­CHIV Vor 50 Jahren eine „Institutio­n“in Meckenbeur­en: das „Ständle“von Erwin Böhler. Gelegen zwischen Bahnhof und heutigem Kulturschu­ppen konnten hier selbst Christbäum­e erworben werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany