Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Nach Hause um zu retten

Nationalst­ürmer Mario Gomez kehrt von Wolfsburg heim zum VfB Stuttgart – Josip Brekalo geht zurück zum VfL

- Von Jürgen Schattmann

STUTTGART - Es war keine Weihnachts­überraschu­ng, es war ein veritables Sensatiönl­e, das der VfB Stuttgart am Freitagmor­gen aus seinem weiß-roten Stiefel zauberte: Mario Gomez, der Meisterstü­rmer von 2007, zwei Jahre später für die Rekordsumm­e von 30 Millionen Euro an den FC Bayern verkauft, ist wieder zurück am Wasen und soll dabei helfen, seinen Jugendklub vor dem Bundesliga-Abstieg zu retten. Wer das prognostiz­iert hätte, dem würde man auch zutrauen, Spätzle statt Lametta an den Weihnachts­baum zu hängen.

Für 3,5 Millionen Euro Ablöse – also nur eine Million mehr, als Köln gerade für den Stuttgarte­r (Ex-)Paradestür­mer Simon Terodde zahlte –, kehrt der 32-jährige Gomez vom VfL Wolfsburg dahin zurück, wo er einst zum deutschen Superstar reifte. „Ich bin sehr glücklich, wieder zu Hause zu sein, dort wo alles für mich begonnen hat. Gerade in den letzten Tagen und in der heißen Phase habe ich immer mehr gespürt, wie sehr ich das will, wie sehr ich zurück nach Stuttgart möchte. Zu dem Verein, der mich ausgebilde­t hat, mit dem ich wahrschein­lich die verrücktes­te Zeit mit der total unerwartet­en Meistersch­aft 2007 erlebt habe. Zu dem Verein, der mich als Spieler zu dem gemacht hat, der ich war und bin“, sagte der im oberschwäb­ischen Unlingen aufgewachs­ene Gomez. Es klang wie eine Liebeserkl­ärung. Gomez unterschri­eb einen Vertrag bis 2020, laut Sportvorst­and Michael Reschke kam er dem VfB beim Gehalt „brutal entgegen“.

„Manchmal gibt es Konstellat­ionen im Fußball, die man vorher nicht für möglich gehalten hat. Wir freuen uns sehr, dass es uns gelungen ist, Mario Gomez für die Rückkehr zum VfB zu begeistern“, sagte Reschke. Möglich wurde der Coup auch, weil der VfB im Gegenzug das kroatische Talent Josip Brekalo bereits ein halbes Jahr früher als vereinbart wieder nach Wolfsburg entließ. Die 19Jährige Leihgabe zu halten, wäre ohnehin unmöglich gewesen – der VfL forderte 18 Millionen Euro Ablöse.

Tatsächlic­h dürfte vor allem Gomez’ Wille die Konstellat­ion möglich gemacht haben. Der gebürtige Riedlinger drängte offenbar darauf, aus seinem bis 2019 laufenden Vertrag auszusteig­en, im Sommer hätte er aufgrund einer Klausel ohnehin gehen können, hätte der VfL nicht internatio­nal gespielt. Ausschlagg­ebend waren offenbar auch seine WM-Chancen. In Stuttgart dürfte Gomez gesetzt sein, in Wolfsburg war das nicht ganz so sicher. Zwar war Gomez Kapitän, im Belgier Divock Origi (22) aber hatte er einen harten Rivalen. In der Vorrunde kam Gomez – auch verletzung­sbedingt – nur auf zwölf Einsätze und ein Tor (bei zwei verschosse­nen Elfmetern). Im Vorjahr allerdings hatte er den VfL mit 16 Toren fast allein vor dem Abstieg gerettet.

Die offensiv harmlosen Stuttgarte­r, denen in der Vorrunde gerade mal 13 Trefferche­n gelungen waren, erträumen sich Ähnliches von ihm. Tatsächlic­h macht der Transfer eines deutschen Routiniers, eines klassische­n Strafraums­türmers, der Verein und Liga aus dem Effeff kennt und sich über die Jahre den Ruf einer „Tormaschin­e“erarbeitet hat, kurzfristi­g wohl mehr Sinn als ein 18-jähriges, wenn auch großes Talent aus Argentinie­n zu verpflicht­en (was der VfB noch vor zwei Wochen versucht hatte). Jener Maximilian­o Romero hätte mutmaßlich noch Zeit zum Reifen und Wachsen gebraucht, Gomez dagegen könnte sofort helfen. Reschke zumindest vertraut darauf, „dass wir mit Mario nicht nur einen Klassetyp und eine Identifika­tionsfigur verpflicht­en konnten, sondern dass wir einen Torjäger der Extraklass­e bekommen. Dies ist das alles Entscheide­nde.“

Ein Torjäger der Extraklass­e

Dennoch gab es auch skeptische Reaktionen von Anhängern zu vernehmen, die Gomez noch immer den Wechsel zu den ungeliebte­n Bayern nachtragen und/oder sich über sein eher fortgeschr­ittenes Fußballera­lter mokierten. Gomez, der bei vergangene­n Gastspiele­n in Stuttgart diverse Male gnadenlos ausgepfiff­en wurde, hofft auf das Vertrauen des Anhangs – alles andere wäre kontraprod­uktiv: „Ich weiß natürlich, dass die Erwartunge­n groß sind und die Situation sehr herausford­ernd. Es heißt ab jetzt, alles für den Klassenerh­alt zu geben, eine gute Rückrunde zu spielen und zusätzlich für mich, mein Ziel Weltmeiste­rschaft zu erreichen“, sagte er. Im Fernduell mit Lars Stindl und Sandro Wagner – Timo Werner dürfte gesetzt sein – wird Gomez wohl um nur einen vakanten Platz im Aufgebot von Joachim Löw kämpfen.

Stuttgart erhofft sich neues Offensivfe­uer von ihm, VfB-Präsident Wolfgang Dietrich sagte: „Es ist für den ganzen Verein ein gutes Signal, dass wir Mario wieder in der VfB-Familie begrüßen können.“Mit Holger Badstuber, mit dem Gomez in München diverse Titel feierte, Co-Rückkehrer Andreas Beck, Torhüter Ron-Robert Zieler und Dennis Aogo ist zumindest die Zahl der Routiniers und bekannten (Ex-)Nationalsp­ieler in der Familie zuletzt massiv angestiege­n.

Am Vortag hatte Dietrich die Mannschaft nach fünf Pflichtspi­elNiederla­gen in Folge und dem 1:3-Pokalaus in Mainz noch massiv kritisiert und ihr eine fehlende Einstellun­g unterstell­t. „So sehr ich mich in den letzten Monaten über das Auftreten der Mannschaft gefreut habe, so war ich doch enttäuscht, dass in Mainz nicht alle den Eindruck machten, alles für unseren Erfolg zu geben“, wetterte er.

Ob das mit Mario Gomez, dem neuen Anführer, besser wird? Das wird man wohl frühestens im Mai wissen. Hält der VfB die Spielklass­e, hat Manager Reschke mit seinem Weihnachts­coup alles richtig gemacht.

 ?? FOTO: AVANTI/RALF POLLER ?? Verrückte Zeit – und vielleicht die schönste beim VfB Stuttgart überhaupt: Mario Gomez (rechts) und Torhüter Timo Hildebrand 2007 mit der Meistersch­ale.
FOTO: AVANTI/RALF POLLER Verrückte Zeit – und vielleicht die schönste beim VfB Stuttgart überhaupt: Mario Gomez (rechts) und Torhüter Timo Hildebrand 2007 mit der Meistersch­ale.
 ?? FOTO: DPA ?? Zurück nach Wolfsburg: Josip Brekalo.
FOTO: DPA Zurück nach Wolfsburg: Josip Brekalo.

Newspapers in German

Newspapers from Germany