Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Für den guten Geschmack immer dem Stern nach Amtzell folgen
Nun also ist fast Weihnachten. Die Menschen rücken zusammen, öffnen ihre Herzen und ihre verwöhnten Münder, um sich selbst einmal wieder richtig zu verwöhnen. Ein Verwöhner allererster Güte ist Christian Grundl, der sich seit 2016 offiziell und mit vollem Recht Sternekoch nennen darf. Im Restaurant Schattbuch in Amtzell hat er zuvor die Ellenbogenfreiheit von Eigentümer Hermann Müller bekommen, um sein Ziel mit akribischer Besessenheit zu verfolgen. Auch heuer wieder haben alle bedeutenden Gastronomieführer das hohe Niveau des Hauses bestätigt: erneut ein Stern bei Michelin und immerhin 14 Punkte – also ein Häubchen – im Gault Millau. Ganz unbeteiligt an diesem Erfolg ist Christian Marz natürlich nicht.
Der Restaurantleiter mit Hang zu bisweilen skurriler Garderobe in schillernden Farben findet rasch das rechte
Maß zwischen verbindlichem Service ohne Klebrigkeit und behutsamer Diskretion. Davon abgesehen treffen seine Weinempfehlungen stets die Aromatik des Essens. Und das ist tatsächlich ein großartiges Farbenspiel manchmal mutig, manchmal harmonisch abgestimmter Geschmackskompositionen. Das große Tasting-Menü umfasst im konkreten Fall fünf Gänge, wobei der Küchenchef dank zweier pfiffiger Grüße in Form kleiner Zusatzhappen noch einen drauflegt – mit einem Gesamtpreis von 80 Euro bleibt das Schattbuch trotz seiner Güte auf einem erschwinglichen Niveau, insbesondere bei näherer Betrachtung der hohen Kunstfertigkeit, die am Ende den Teller zum Gemälde veredelt. Dafür steht zum Beispiel die Optik des Thunfisch-Sashimis: Die rohen Tranchen sind umgeben von intensiven Texturen aus Avocado in Grellgrün, den geschmacklichen Grundton gibt das Dashi an, eine japanische Variante einer Brühe. Aufgepoppte Quinoa sorgt zusätzlich für Stimmung im Mund. Durch die Verspieltheit der Aromen rückt die schöne Klarheit des Thunfischs ein wenig in den Hintergrund, allerdings ohne unterzugehen. Köstliche Finesse weist auch der intensive Sud von der Wachtel auf, der, mit zarten Birkenpilzen versehen, überraschend maskulin hervortritt. Am Rand des Tellers wartet ein pochiertes Wachtelei in knuspernder Brothülle auf einen neugierigen Mund. Die kulinarische Sprache der stilsicheren Kreativküche von Grundl findet übrigens durchaus im Interieur des Restaurants eine Entsprechung, das mit moderner Kühle gestaltet ist und Eleganz in dunkleren Tönen bevorzugt.
Von großartiger Schlichtheit ist die Ente im Hauptgang: Eine vermutlich vakuumgegarte Brust, deren Zartheit sie zu einem echten Wohlfühlgang am Gaumen macht. Eine seidige Steckrübencreme und Portweinschalotten verleihen eine gewisse Bodenhaftung, wobei die Haut der Ente, die auf einem Bohnen-Birnen-Salat ruht, knuspriger hätte sein dürfen. Das Finale bilden filigrane Mini-Topfenknödel als Dessert, deren Mitspieler samtiges Nougat und federleichte Birne sind. Nicht nur damit spielt das Haus in der ersten Liga unserer Region. Sympathisch dabei: Mit bodenständigen Alternativen – wie behutsam modernisiertem Zwiebelrostbraten – braucht selbst der konservative Gast keine Angst vor Grundls Sterneküche zu haben.
Restaurant Schattbuch Schattbucherstraße 10 88279 Amtzell
Telefon 07520-953788 www.schattbuch.de Geöffnet Dienstag bis Freitag von 11.30-14 Uhr und ab 18 Uhr, samstags nur abends. Ruhetage Sonntag und Montag. Hauptgerichte 20-36 Euro, Menü ab 60 Euro, Mittagstisch ab 10,50 Euro.
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