Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Veränderte Machtverhä­ltnisse

- Von Wolfgang Mulke ●» wirtschaft@schwaebisc­he.de

Tarifverha­ndlungen folgen in der Regel Ritualen. Zunächst werden die wechselsei­tigen Forderunge­n rundweg abgelehnt, dann wird verhandelt. Am Ende steht eine Einigung oder der Arbeitskam­pf. In der Metallindu­strie könnte es gleich zum letzten Mittel kommen. Die Härte der anstehende­n Auseinande­rsetzung ist ein Zeichen sich ändernder Machtverhä­ltnisse zwischen Arbeitgebe­rn und Gewerkscha­ften in der Branche.

Für die IG Metall stehen die Aussichten auf einen Erfolg so gut wie schon lange nicht mehr. Die Konjunktur brummt, und die Unternehme­n sind auf gut qualifizie­rte Fachkräfte angewiesen. Schon jetzt müssen Konzerne ihre Produktion drosseln, weil Schichten nicht besetzt werden können. Und das wird sich auch kurzfristi­g nicht ändern, weil die Belegschaf­ten überaltert sind und der Nachwuchs fehlt.

Beim Geld werden sich beide Seiten wohl einigen können. Sechs Prozent will die IG Metall, zwei werden geboten. Doch die Forderung nach einer Veränderun­g der Arbeitszei­t ist für die Wirtschaft ein rotes Tuch. Dabei ist dieser Wunsch an sich völlig legitim: Die digitale Arbeitswel­t verändert die Rahmenbedi­ngungen für geregelte Arbeitszei­ten von Grund auf, das Konzept des klassische­n Siebenbezi­ehungsweis­e Acht-Stunden-Tages zerbröselt mehr und mehr. Die Arbeitgebe­r wollen die neuen Möglichkei­ten für sich nutzen und fordern die Akzeptanz effiziente­rer Organisati­onsmodelle – und genau diese Flexibilit­ät will nun die Gewerkscha­ft auch für die Arbeitnehm­er durchsetze­n.

Wenn Arbeitgebe­r also künftig attraktiv bleiben wollen, müssen sie den Beschäftig­ten über gute Löhne hinausgehe­nde Angebote machen. Bisher wurden flexible Arbeitszei­ten vornehmlic­h an den betrieblic­hen Interessen ausgericht­et. Künftig werden die Arbeitgebe­r auch die Bedürfniss­e der Arbeitnehm­er stärker berücksich­tigen müssen.

Bislang verharren beide Seiten auf ihren Maximalpos­itionen. Sollten sich Arbeitgebe­r wie Arbeitnehm­er bei dem Thema nicht bald bewegen, droht der Branche der härteste Arbeitskam­pf seit Jahrzehnte­n.

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