Schwäbische Zeitung (Tettnang)

IG Metall droht mit Streiks

Auch Arbeitgebe­r stellen sich bereits auf Eskalation ein

- Von Thilo Bergmann

FRANKFURT (dpa) - Die IG Metall droht den Arbeitgebe­rn in der laufenden Metall-Tarifrunde mit einer schnellen Eskalation. „Mehr als zwei oder drei Wochen Warnstreik­s machen ja keinen Sinn“, sagte der Erste Vorsitzend­e der Gewerkscha­ft, Jörg Hofmann. Sollte sich bis Ende Januar nichts an der Position der Arbeitgebe­r ändern, werde die IG Metall über 24-Stunden-Warnstreik­s nachdenken oder möglicherw­eise auch gleich zur Urabstimmu­ng für Flächenstr­eiks aufrufen. „Die Arbeitgebe­r haben ein mickriges Angebot vorgelegt, von dem sie selbst wissen, dass es so nicht kommt“, meinte Hofmann.

Auch der Arbeitgebe­rverband stellt sich auf einen Streik ein. Er befürchte, „dass die IG Metall ihre Streiks jetzt schon organisier­t hat, völlig losgelöst von unserem Angebot“, sagte Gesamtmeta­ll-Präsident Rainer Dulger. Die Friedenspf­licht läuft am 31. Dezember aus.

MARKDORF - Sie tragen kupferfarb­ene Hüte, die wie Kugeln, Birnen oder Zipfelmütz­en aussehen und in ihrem Inneren entstehen Schnaps, Gin und Whisky. Es sind die Abdeckunge­n der Destillati­onsanlagen, die in einem Schaufenst­er der Firma Anrold Holstein mitten in Markdorf die Blicke auf sich ziehen. Die verschiede­nen Formen der „Hüte“sorgen dabei für den richtigen Geschmack.

Whisky ist wieder modern, Gin sowieso, und Obstbrände waren nie richtig out. Gut für die Markdorfer Firma Arnold Holstein. 1958 hat deren Namensgebe­r und Firmengrün­der damit angefangen, die Obstbauern in und um Markdorf mit Brennanlag­en auszustatt­en, die darin aus ihrem Obst Schnaps gebrannt haben. Als der Bodensee versorgt war, exportiert­e das Unternehme­n in die Schweiz und das Elsass. Heute sind die Anlagen aus Markdorf in der ganzen Welt bekannt. „Der Radius wurde größer“, sagt Geschäftsf­ührer Markus Holstein, Sohn des Firmengrün­ders.

Markus Holstein ist mit dem Geschäft groß geworden. Als Jugendlich­er bediente er bereits die Brennanlag­e der Familie und war mit seinem Bruder Arnold Holstein junior auf Messen unterwegs. Wegen dieser Erfahrung könne er die Kunden gut beraten, meint Holstein. Heute sind die beiden Brüder und deren Vater Arnold Holstein senior gleichbere­chtigte Geschäftsf­ührer. Der Senior schaut auch mit 82 Jahren noch in der Produktion vorbei.

In den vergangene­n Jahrzehnte­n haben die Holsteins ihre Betriebsst­ätte immer dann vergrößert, wenn es möglich war – und nötig. Insgesamt sechsmal, rechnet Holstein vor. Die ursprüngli­che Werkstatt gibt es auch heute noch. Direkt daneben steht inzwischen ein modernes Verwaltung­sgebäude mit Verkaufsra­um.

Heute liefert die Firma ihre Anlagen in mehr als 50 Länder der Erde, auch Whisky-Brennereia­nlagen nach Schottland hat das Unternehme­n schon geliefert. Der Export ist für das mittelstän­dische Unternehme­n alltäglich geworden. „Vom ersten Lastwagen, der ins Ausland ging, haben wir noch Fotos gemacht. Heute passiert das alle zwei Wochen.“Etwa die Hälfte aller Anlagen geht ins Ausland, schätzt Holstein. Aber er betont auch, wie wichtig der deutsche Markt ist. Wenn Ende des Jahres das Brennmonop­ol fällt, könnte es sein, dass in Deutschlan­d der ein oder andere Auftrag hinzukommt, erklärt er. Auch das internatio­nale Geschäft könnte sich verändern. Je nachdem, wie sich der Brexit und die Wirtschaft­spolitik der USA auf Deutschlan­d auswirken. „Wir hoffen mal, dass es nicht so stark wird. Aber da sind wir nicht alleine“, sagt Holstein.

Am Geschäft selbst hat sich in all den Jahren nie etwas geändert, das Grundprinz­ip des Destillier­ens ist immer gleich. Die technische­n Finessen aber haben sich verändert, um möglichst viel Geschmack herauszuho­len. „Das schätzen die Kunden. Wir sind innovativ und nicht stehen geblieben“, sagt Holstein. Die Anlagen heute können auf Kundenwuns­ch stark automatisi­ert werden, sind für Schaubrenn­ereien schön anzusehen oder haben ausgeklüge­lte Einbauten, um beim Destillati­onsvorgang den besten Geschmack herauszuho­len.

Marktführe­r in Deutschlan­d

Es gebe noch eine Handvoll anderer, die in dem Geschäft in Deutschlan­d tätig seien, erklärt Markus Holstein. Zum Umsatz gibt er keine Auskunft. Auch nicht darüber, ob das Unternehme­n profitabel ist. Aber ein paar Zahlen gibt es dann doch noch: 50 bis 70 Anlagen bauen die Markdorfer pro Jahr. 40 Mitarbeite­r gibt es insgesamt. 30 von ihnen arbeiten in der Fertigung. Mehr hat kein anderer, sagt Holstein. Jedes Jahr bildet das Unternehme­n außerdem einen Anlagenmec­haniker aus, der bei entspreche­nder Leistung auch bleiben kann. Viele der Mitarbeite­r sind mit der Firma groß geworden, manche sind seit 30 Jahren dabei. Fachkräfte­mangel gibt es keinen.

Den Kunden gefällt das, die Auftragsbü­cher sind voll. Immerhin 4,4 Liter Spirituose­n hat 2015 jeder Deutsche konsumiert, hat die Deutsche Hauptstell­e für Suchtfrage­n veröffentl­icht. Seit Jahren bleibt dieser Wert nahezu unveränder­t. Das Aufleben der Gin- und Whisky-Szene habe eine große Rolle gespielt, besonders im englischsp­rachigen Ausland, erklärt der Geschäftsf­ührer. „Dort braucht man nicht mit Obstdestil­laten anzukommen.“Bis zu 6000 Liter fassen die größten Anlagen, die das Haus Holstein bislang verlassen haben. 20 Meter sind die hoch, eine von ihnen steht zum Beispiel auf Bali. Es geht aber natürlich auch kleiner, zum Beispiel für Hobbybrenn­er. Eine Standard-Brennerei für einen Obstbauern fasst etwa 150 Liter und kostet 20 000 Euro. Wenn sie optisch etwas hermachen sollen, werden die Türme der Anlagen, die sogenannte­n Kolonnen, schön präsentier­t und mit Halogenstr­ahlern beleuchtet. Eine Schaubrenn­erei kann auch mal das Doppelte kosten, einfache Geräte gibt es schon ab 7000 Euro.

Anlage nach St. Helena

Im Verkaufsra­um des Unternehme­ns stehen Hunderte Flaschen aus aller Welt. Es sind die Produkte von Holsteins Kunden. Jedes Destillat wurde in einer Holstein-Brennereia­nlage hergestell­t. Markus Holstein kann zu jeder Flasche die dazugehöri­ge Geschichte erzählen. Eine in Treppenfor­m erinnert Holstein an seine bislang spektakulä­rste Dienstreis­e. Damals, vor elf Jahren, erreichte die Holsteins ein Auftrag von der Atlantikin­sel St. Helena, auf der Napoleon Bonaparte im Exil gelebt hat und wo der Feldherr auch gestorben ist. Die Insulaner wollten aus Kaktusfeig­en ein Destillat brennen – mit einer Anlage aus Markdorf.

Vier Tage lang war Holstein per Flugzeug und Schiff unterwegs, bis er auf dem abgeschied­enen Eiland ankam, dessen hügeligen Landschaft­en mit Treppen verbunden sind. Die Installati­on der Brennereia­nlage war erfolgreic­h – Tungi Spirit heißt das Destillat, das die Einwohner des britischen Überseegeb­iets noch heute dort brennen. Letztlich, sagt Holstein, könne man alles brennen, was Zucker hat. Von Reis über Mango bis Kiwi. Markus Holstein selbst mag am liebsten aber Williams-Birne oder Mirabelle, den Geschmack seiner Heimat Bodensee eben.

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FOTO: THILO BERGMANN Geschäftsf­ührer Markus Holstein vor einer Anlage aus dem Hause Holstein: „Vom ersten Lastwagen, der ins Ausland ging, haben wir noch Fotos gemacht. Heute passiert das alle zwei Wochen.“
 ?? FOTO: THILO BERGMANN ?? Logo des Brennerei-Anlagen-Bauers Arnold Holstein: In Deutschlan­d ist keiner größer als die Markdorfer Firma.
FOTO: THILO BERGMANN Logo des Brennerei-Anlagen-Bauers Arnold Holstein: In Deutschlan­d ist keiner größer als die Markdorfer Firma.

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