Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Software soll Einbrüche vorhersage­n

Seit mehr als zwei Jahren testet das Land ein entspreche­ndes Programm – Der Nutzen ist umstritten

- Von Christian Schellenbe­rger

STUTTGART - Rund 11 000 Einbrüche im Südwesten verzeichne­t das Landeskrim­inalamt in seiner Kriminalst­atistik für das Jahr 2016. Bundesweit summieren sich die Schäden durch Einbrüche auf fast eine halbe Milliarde Euro, wie der Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft errechnet hat. Mit einer speziellen, „Precobs“(„Pre Crime Observatio­n System“) getauften Software rüstet die Polizei im Kampf gegen Einbrüche auf. Der Gedanke dahinter: Anhand bestimmter Muster soll Precobs geschulten Polizisten Anhaltspun­kte liefern, wo Einbrecher als nächstes zuschlagen.

Dazu stützt sich das Programm vor allem auf die Annahme, das profession­elle Serientäte­r innerhalb einer Woche im Umkreis von 500 Metern erneut einbrechen wollen. Fachleute sprechen in diesem Fall von „Near-Repeat“-Delikten. Die vom Institut für musterbasi­erte Prognosete­chnik in Oberhausen entwickelt­e Software wird regelmäßig mit Daten zu zurücklieg­enden Einbrüchen gefüttert. Anhand eines Abgleichs von Kriterien wie Lage, Haustyp, Beute oder Vorgehensw­eise kann das Programm dann Alarm schlagen, dass weitere Einbrüche in der Umgebung zu erwarten sind. Die so identifizi­erten Stadtteile und Straßenzüg­e könnten dann beispielsw­eise häufiger von Streifenwa­gen angefahren werden um potenziell­e Einbrecher abzuschrec­ken. Die Entscheidu­ng, ob ein Gebiet tatsächlic­h stärker bewacht wird, trifft letztendli­ch aber immer noch ein Mensch.

Wirkung schwer zu messen

Seit etwa zwei Jahren läuft das Pilotproje­kt zur Prognose künftiger Einbrüche in den Polizeiprä­sidien Stuttgart und Karlsruhe. Die Testphase wurde jüngst bis zum April 2019 verlängert, denn ob die Software tatsächlic­h dazu beiträgt, die Zahl der Einbrüche zu verringern, ist noch weitgehend unklar. „Die Wirkung ist schwer zu messen“, sagt Dominik Gerstner vom Max-Planck-Institut für Internatio­nales Strafrecht in Freiburg, der die Erprobungs­phase wissenscha­ftlich begleitet. Im Sommer hatte Gerstner erste Erkenntnis­se in einer Studie veröffentl­icht.

Demnach ging im Bereich des Stuttgarte­r Präsidiums im Beobachtun­gszeitraum die Zahl der Einbrüche zwar zurück, einen ähnlichen Rückgang verzeichne­te die Polizei aber bereits im Jahr zuvor – ohne Precobs. Im Bereich des Polizeiprä­sidiums Karlsruhe blieb die Zahl der Einbrüche konstant. Dennoch geht Gerster von einer gewissen Wirkung der Prognoseso­ftware aus: „In beiden Präsidien ist die Zahl der NearRepeat-Delikte zurückgega­ngen“, sagt der Wissenscha­ftler. Heißt: Erhält die Polizei vom Programm eine Warnung und reagiert anschließe­nd mit verstärkte­n Streifenfa­hrten, wird in dem betroffene­n Gebiet weniger eingebroch­en. Ob die Täter aber einfach nur ins Nachbarvie­rtel ausweichen, das konnte Gerstner mit seiner Studie nicht ermitteln – auch aus diesem Grund wurde der Testzeitra­um um etwa zwei Jahre ausgedehnt. „Wir erhoffen uns von einem längeren Beobachtun­gszeitraum aussagekrä­ftigere Ergebnisse“, sagt Gerstner.

Die glaubt man in Bayern schon zu haben. Dort wurde das System bereits vor drei Jahren getestet, seit 2016 läuft es in München und Mittelfran­ken im Regelbetri­eb. „In den Prognosege­bieten hatten wir weniger Wohnungsei­nbrüche und mehr Täterfestn­ahmen“, hatte Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann bereits kurz nach Ende der Testphase im März 2015 gesagt. Konkrete Zahlen, inwiefern sich das Precobs-System positiv auswirke, konnte das federführe­nde Bayerische Landeskrim­inalamt auf Anfrage nicht nennen. Die Erwartunge­n seien bislang aber erfüllt worden und die Effektivit­ät der Kriminalit­ätsbekämpf­ung verbessert worden.

Weniger euphorisch sind dagegen Datenschüt­zer. Denn Precobs lässt in seine Bewertung auch soziostruk­turelle Daten wie Haushalts-Nettoeinko­mmen oder Familienst­rukturen einfließen – auf wenige Haushalte genau. „Nicht alles, was technisch möglich und rechtlich zulässig ist, ist jedoch auch sinnvoll“, teilte der baden-württember­gische Datenschut­zbeauftrag­te Stefan Brink mit Blick auf die ernüchtern­den Studienerg­ebnisse zu Precobs mit.

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FOTO: DPA Unklar bleibt, ob „Precobs“die Zahl der Einbrüche senkt.

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