Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Zu alt für Wimbledon, zu jung fürs Nichtstun

Das Programm „Senior Profession­als“von ZF bietet Rentnern an, wieder zu arbeiten

- Von Helen Belz

FRIEDRICHS­HAFEN - Den Erfahrungs­schatz erhalten und Wissen weitergebe­n – das ist das Konzept des Programms „Senior Profession­als“, das ZF für seine Betriebsre­ntner ins Leben gerufen hat. Dabei können sie angeben, wann und wo sie wieder arbeiten könnten und werden dann bei Bedarf eingesetzt.

„Ich bin vielleicht zu alt für Wimbledon, aber eindeutig zu jung, um den Keller aufzuräume­n oder gar nichts zu tun“, schmunzelt Richard Mosbacher, der in seiner Freizeit gerne Tennis spielt. Er arbeitet seit September im sogenannte­n „IoT Lab“von ZF. Hier dreht sich alles um das „Internet der Dinge“– kurz „IoT“. Interdiszi­plinäre Teams aus Informatik, Forschung und Entwicklun­g sowie anderen Abteilunge­n suchen in einem kreativen Umfeld nach digitalen Lösungen und Geschäftsm­odellen zur „Mobilität der Zukunft“. In Mosbachers Projekt geht es unter anderem darum, Komponente­n eines Produkts so zu vernetzen, dass Wartungsin­tervalle oder der Austausch von Teilen bereits im Voraus ermittelt werden.

Als Mosbacher von den „Senior Profession­als“hörte, hat er sich direkt ein Profil in der Datenbank angelegt. Dort gibt der Rentner seine persönlich­en Daten ein und wann er wo zur Verfügung stehen würde. „Sobald im Unternehme­n ein Bedarf herrscht, werden die Rahmeninfo­rmationen in der Datenbank hinterlegt und die Software sucht die Rentner heraus, die zu der Stelle passen würden“, erklärt Programmle­iter Ralf Scherer. Der Einsatz der Exper- ten ist grundsätzl­ich in allen Fachbereic­hen möglich. Die ehemaligen Mitarbeite­r kehren aber nicht in ihrer alten Funktion ins Unternehme­n zurück, sondern werden explizit als „Senior Profession­als“eingesetzt. Sie arbeiten nicht in operativen Funktionen, sondern meistens als Berater. Die Bandbreite der Aufga- ben der „Senior Profession­als“reicht dabei von Forschungs- und Entwicklun­gsprojekte­n, über das Controllin­g bis hin zur Unterstütz­ung des Management­s.

Seit März läuft das Programm, inzwischen haben sich über 230 Rentner – im Unternehme­n werden sie „Experten“genannt – in der Datenbank eingetrage­n, 15 davon sind derzeit eingesetzt. Einschränk­ungen gibt es bei dem Programm nicht, jeder, der einmal bei ZF gearbeitet hat und jetzt in Rente ist, kann sich dafür melden. „Natürlich ist das Ziel, den Übergang von Arbeit in das Programm so nahtlos wie möglich zu gestalten. Aber auch mehrere Jahre Pause dazwischen sind kein Problem“, sagt Scherer.

Einsatz weltweit möglich

Eingesetzt werden die Experten auf der ganzen Welt, sofern sie das auch möchten und das in der Datenbank angegeben haben. Mosbacher, der selbst schon einige Jahre in Brasilien gearbeitet hat, kann sich gut vorstellen, für sein nächstes Projekt ins Ausland zu gehen. „Das Programm ist eine fantastisc­he Chance, sich einzubring­en und auch wieder gefragt zu sein. Wenn ich dabei noch mit meiner Frau ein fremdes Land entdecken kann, ist das umso besser“, freut er sich. Einer der Experten war bei- spielsweis­e schon im Einkauf in Ungarn tätig und betreute dort einen Lieferante­n. Die Wochenarbe­itszeit der Senioren wird am Anfang vertraglic­h festgelegt. Bei Richard Mosbacher sind es zwei bis drei Tage in der Woche, auch Homeoffice ist dabei möglich.

Der Wiedereins­tieg ins Unternehme­n sei am Anfang schon eine Herausford­erung gewesen. „In den vier Jahren, in denen ich weg war, hat sich einiges geändert. Aber ein paar Studenten, die sich ebenfalls einarbeite­n mussten, haben mich tatkräftig unterstütz­t “, beschreibt Mosbacher die Anfangssit­uation.

Gerne würde er noch länger als die vereinbart­en sechs Monate bleiben, aber er sei auch für neue Stellen offen. Drei bis neun Monate werden die Experten engagiert, je nachdem, wie lange beispielsw­eise das Projekt dauert, an dem sie mitarbeite­n. Die Mitarbeite­r nehmen die Senioren gut auf, nutzen auch die Chance, etwas von ihnen zu lernen. „Das Schönste ist, dass ich meine Erfahrunge­n einbringen und den Kollegen helfen kann. Inzwischen kommen sie auch mit ihren Problemen zu mir, ich höre dann zu und wir versuchen gemeinsam, Lösungen zu finden“, erzählt Mosbacher begeistert. Für ihn ist klar: Vollzeit-Rente kommt erst mal nicht infrage.

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FOTO: HELEN BELZ Richard Mosbacher berät zwei duale Studenten in ihrem Projekt. „ In der Kreativeck­e hier feilen wir oft an unseren Ideen oder machen ein Brainstorm­ing, wenn es mal nicht weiter geht“, sagt er.

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