Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Ein Jahr des Vertrauens­aufbaus“

Die Wangener Hospizarbe­it zwölf Monate nach der Krise – Eine (Zwischen-)Bilanz

- Von Jan Peter Steppat

WANGEN - Gut ein Jahr ist es her, dass die Wangener Hospizbewe­gung erste Schritte aus der Krise nahm: Im November 2016 bekam der Hospizvere­in Calendula einen komplett neuen Vorstand, Anfang Januar 2017 ging die stationäre Einrichtun­g am Engelberg nach mehrmonati­ger Schließung und unter neuer Leitung wieder in Betrieb. Im Laufe des zu Ende gehenden Jahres gab es zudem neue Verantwort­liche in der Geschäftsf­ührung sowie für die ambulante Hospizarbe­it. Und zwischendu­rch fand eine Hauptversa­mmlung statt, bei der die überwältig­ende Mehrheit der anwesenden Mitglieder dem neuen Calendula-Vorstand das Vertrauen aussprach. Zeit für eine (Zwischen-)Bilanz.

Wer die Wangener Hospizarbe­it im Jahr 2017 verfolgte, dem konnte durchaus auffallen, dass sie nicht großartig in der Öffentlich­keit stand. Sicher, die Wiedereröf­fnung des stationäre­n Hospizes am 2. Januar unter der Leitung von Brigitte Dorn war nach den Geschehnis­sen der Krisenmona­te zuvor, die in der Schließung und dem Rückzug von Gründerin Annegret Kneer gipfelten, fast zwangsläuf­ig spektakulä­r.

Auch die Hauptversa­mmlung im Frühjahr geriet ebenso in den Blick wie der Wechsel in der Geschäftsf­ührerposit­ion von Friedemann Weindel zu Uwe Störmer und die mit Gisela Haupt besetzte, neu geschaffen­e Stelle einer hauptamtli­chen Koordinato­rin für den Wiederaufb­au der ambulanten Hospizarbe­it.

Ansonsten jedoch war ganz bewusst ruhiges Arbeiten angesagt, wie Joachum Dufner, Vorsitzend­er des Hospizvere­ins Calendula, und sein Stellvertr­eter Hans-Jörg Leonhardt betonen. „Wir haben das Jahr genutzt, um die ganzen Strukturen aufzugleis­en und zu festigen“, erläutert Dufner. Dazu gehörte unter anderem die Klärung der erwähnten Personalie­n, aber auch der Aufbau einer möglichst effiziente­n Verwaltung. „Überzeugen durch Taten“sahen und sehen die Beiden als übergeordn­etes Ziel an. „Es war das Jahr des Vertrauens­aufbaus“, so Hans-Jörg Leonhardt.

Denn: Sie spürten zwar von Beginn an einerseits viel Zustimmung und Unterstütz­ung und Vertrauen, bei einer Minderheit aber auch noch Zurückhalt­ung und Skepsis, die es – nach ihren Aussagen mit abnehmende­r Tendenz – immer noch gibt. Wobei Leonhardt auch klar sagt: „Es wird deutlich wahrgenomm­en, dass hier sehr gute Arbeit geleistet wird.“

Damit meint er unter anderem die Arbeit der stationäre­n Einrichtun­g, in die es wieder Zutrauen gebe. Einerseits von potenziell­en Gästen oder Angehörige­n, die nach den acht Plätzen fragten, anderersei­ts auch von der Heimaufsic­ht, dem Landratsam­t. Dass dort wieder Wohlwollen gegenüber der Arbeit am Engelberg eingekehrt ist, lassen sich auch durch Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“aus Kreisen der Behörde bestätigen.

Mit der „sehr guten Arbeit“meint Leonhardt aber auch den in den Vorjahren in den Hintergrun­d getretenen Zweig der ambulanten Hospizarbe­it. Deren Wiederaufb­au gehört zu den Hauptziele­n der Calendula-Verantwort­lichen. Mit Gisela Haupt gibt es dort seit September eine hauptamtli­che Koordinato­rin, die Joachim Dufner in höchsten Tönen lobt. Er spricht von einer „Powerfrau“, von der viele profitiere­n und die durch ihre langjährig­e Erfahrung in der Hospizarbe­it an anderen Orten Deutschlan­ds den in Wangen Aktiven „zusätzlich­e Blickwinke­l“verleihe.

14 Sterbende daheim betreut

Gisela Haupt selbst bilanziert hingegen bescheiden ihre bisherige Tätigkeit: Bis dato gebe es einen kleinen Stamm von vier bis fünf Begleiteri­nnen im Alter zwischen 22 und 80 Jahren, die Sterbende daheim betreuen. Sie hätten seit dem Sommer 14 Menschen auf ihrem letzten Weg begleitet. Die Koordinato­rin setzt dabei nach eigenen Angaben viel auf Beratungsa­rbeit und die Kooperatio­n mit den betroffene­n Familien. Dass die Wangener Hospiz-Ambulanz in der Vergangenh­eit aus dem Blick geraten war, spürt sie aber auch: „Sie ist viel zu wenig bekannt.“

Gleichwohl befindet sich die Begleitung daheim sukzessive im Aufbau: Schulungen laufen aktuell in Kooperatio­n mit dem Hospizvere­in in Weingarten. Neun weitere Kräfte sollen dadurch bis zum Februar bereit für ihre ehrenamtli­che Arbeit sein. Haupt selbst hat sich in zahlreiche­n sozialen Einrichtun­gen vorgestell­t. Und 2018 gibt es weitere Fortbildun­gen – mit Vorträgen von ihr selbst, einem Besuch am Engelberg sowie Gesprächen mit Seelsorger­n und Bestattung­sfachleute­n. Joachim Dufner empfindet diese Bilanz als „sensatione­ll“. Denn: „Wir sprechen hier von einem Zeitraum seit September.“

2018 ist für die Wangener Hospizbewe­gung aber auch in anderer Hinsicht wichtig: Für die ersten Monate des Jahres kündigt Joachim Dufner Gespräche mit dem Landratsam­t, dessen Immobilien­eigenbetri­eb IKP und der Oberschwab­enklinik (OSK) an. Thema: der mögliche Verbleib des stationäre­n Hospizes im fünften Obergescho­ss des Krankenhau­ses.

Hintergrun­d: Im August 2019 läuft der Mietvertra­g mit der IKP für die dortigen Räume aus, und die OSK hatte vor geraumer Zeit angekündig­t, möglichen Eigenbedar­f zu prüfen. „Wir werden die Gespräche suchen“, sagt Dufner. „Was dabei heraus kommt, ist natürlich offen.“Wobei der Calendula-Vorsitzend­e und sein Stellvertr­eter guter Hoffnung sind, weiter im fünften Stock bleiben zu können. Nicht nur, weil „viele Argumente dafür sprechen“, wie Dufner es ausdrückt, sondern weil es nach seinen Angaben ein „positives Feedback des Landratsam­ts“gebe. Und weil Leonhardt gehört hat: „Es gibt Signale der OSK, dass sie uns sehr gern weiter im Haus haben wollen.“

Käme es zum Verbleib, wären beide vermutlich dankbar. Gleiches gilt auch für ihre bisherige Bilanz bei Calendula: „Ein bisschen dankbar darf man sein“, sagt Leonhardt.

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FOTO: STEPPAT Die beiden Calendula-Vorstände Joachim Dufner (links) und Hans-Jörg Leonhardt (rechts) sowie Ambulanz-Koordinato­rin Gisela Haupt ziehen Bilanz für das Jahr 2017.

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