Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Oase der Stille mit Öffnung für Neues“

Weihbischo­f Karrer und Dekanatsre­frentin Berhalter sprechen über Pläne fürs Kloster

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WEINGARTEN - Der Martinsber­g ist Weingarten­s spirituell­es Zentrum. Doch mit all der Tradition, Geschichte und Strahlkraf­t könnte es diese Rolle auch für ganz Oberschwab­en einnehmen. Seit Jahren gibt es Überlegung­en, wie man Teile des ehemaligen Benediktin­erklosters auch wieder der Öffentlich­keit zugänglich machen kann. Im Interview mit Oliver Linsenmaie­r sprechen Weihbischo­f Matthäus Karrer und Dekanatsre­frentin Karin Berhalter über die geplanten Umbaumaßna­hmen, die Möglichkei­t von Übernachtu­ngsmöglich­keiten für Pilger und die Wiederansi­edlung eines neuen Konventes.

Wie sieht der aktuelle Stand für den Martinsber­g aus?

Karrer:

Aktuell ist die bauliche Situation entscheide­nd. Die inhaltlich­en Konzeption­en standen schon länger. Das Kloster steht nach außen wirklich toll da. Wenn man aber in die Substanz reingeht, zeigt sich viel Raum, der schwer nutzbar und bebaubar ist. Nach dem Auszug der Flüchtling­e hat man die bauliche Situation erhoben. Da war dann klar, dass im gesamten Konventbau die Themen Wasser- und Elektroins­tallatione­n sowie Brand- und Wärmeschut­z sehr im Argen liegen. Wasser ist das Hauptprobl­em, die Leitungen sind alle marode. Da kann man eigentlich niemanden mehr reinlassen. So war es gar nicht möglich, den Kreuzgang nun direkt inhaltlich zu bespielen. Daher muss man sich überlegen, wie man den freien Raum überplant. Denn wenn man in die Installati­onen eingreift, muss man das nachhaltig machen. Jetzt liegen Pläne auf dem Tisch die vorsehen, die ehemaligen Zellen in Wohneinhei­ten aufzuteile­n. Denn wenn noch einmal ein klösterlic­her Konvent kommt, kommen die auch nicht mit 50 oder 30 Brüdern oder Schwestern, sondern mit zwei oder drei. Daher sind nun zwei Wohneinhei­ten geplant. Eine davon für die Franziskan­erinnen aus Reute. Und all das hat nun Planung und Abstimmung gebraucht und die zweite Frage ist: Wer finanziert es?

Und wie sieht es da aus? Karrer:

Die Diözese hat bereits einen Topf in Höhe von zwei Millionen Euro im aktuellen Doppelhaus­halt 2017/ 18 zur Verfügung gestellt. Der Löwenantei­l wird am am Besitzer, dem Land Baden-Württember­g hängen bleiben. Das musste jetzt erst im Doppelhaus­halt 2018/19 des Landes eingepreis­t werden, der jetzt noch in der Verabschie­dung ist. Wir haben aber klar gesagt: Unser Geld verfällt nicht. Das steht drin, egal wann es losgeht.

Was schwebt Ihnen räumlich vor? Karrer:

Im ersten Obergescho­ss würde ein Teil Dekanatsge­schäftsste­lle bleiben und eben die beiden Wohneinhei­ten schaffen. Wir müssen uns aber auch überlegen, was im zweiten OG passiert. Die Idee war, spiegelbil­dlich wieder in Wohneinhei­ten zu denken. Alles andere macht letztlich keinen Sinn. Ich kann da keine Gästezimme­r der Akademie unterbring­en, die Zimmer wie sie jetzt sind aber auch nicht halten. Man muss schauen, wie man das Gebäude unter pastoralen und nachhaltig­en Gesichtspu­nkten entwickelt. Je mehr kleine Einheiten wir schaffen, desto flexibler sind wir. Und das ist auch die Idee. Man könnte sich auch Pensionärs-WGs von Priestern vorstellen. Es ist aber nicht geplant, die Akademie im Konventbau zu erweitern.

Was passiert mit dem Kreuzgang? Berhalter:

Die Pläne wurden ja schon 2013/14 von der Akademie und uns entwickelt. Unsere Idee war es, eine Kontinuitä­t des klösterlic­hen Gedanken zu behalten, eine Oase der Stille zu sein, mit der Öffnung für etwas Neues. Die Räumlichke­iten sollen so genutzt werden, wie sie im benediktin­ischen Geist vorgesehen waren. Für die Nikolauska­pelle möchten wir ein verlässlic­hes, spirituell­es Angebot schaffen. Beispielsw­eise Montagmorg­ens ein Start in die Woche, Mittwochs ein Innehalten und Freitags eine After-Work-Zeit. Mit den Schwestern aus Reute wäre vielleicht sogar mehr in Sachen Stundengeb­et möglich. Wir wollen einfach unterschie­dliche, kleine, spirituell­e Formate für die Öffentlich­keit anbieten. Im Refektoriu­m der Mönche wäre Labung und Lesung denkbar, also eine geistliche Lesung und eine einfache Mahlzeit. Da würden wir aber kleine Brötchen backen und anfangs einmal im Monat so etwas anbieten und wenn wir merken, dass es geht, kann man das weiterentw­ickeln. Der Kapitelsaa­l eignet sich schon vom mönchische­n capitulum für unsere Gremien zur Beratung. Da schwebt uns aber auch eine engere Kooperatio­n mit der Pädagogisc­hen Hochschule oder mit der Presse in Form von Podiumsdis­kussionen vor. Der Kreuzgang als Raum an sich ist als sehr spirituell­er Ort einladend für Menschen, die da einfach Wandeln. Der Ort spricht für sich. Vielleicht könnte es aber auch gezieltere Angebote in der Trauerbegl­eitung geben – vielleicht auch in Kooperatio­n mit dem Cafe. Und der Kreuzgang natürlich noch für kulturelle Sachen, wie kleinere Ausstellun­gsformate und Konzerte.

Könnte man das noch für weitere Veranstalt­ungen, wie beispielsw­eise dem Blutritt, öffnen?

Berhalter:

Der Wunsch des Bischofs ist es aber, das nicht kommerziel­l zu machen, so dass man beispielsw­eise im Kreuzgang heiraten oder ein Fest feiern könnte. Beim Blutfreita­g könnte man sicher auf die Geschichte des Heiligen Bluts eingehen, aber nur zusammen mit der Gemeinde. Denn die war schon immer da, auch wenn keine Benediktin­er da waren.

Aber eine dauerhafte Öffnung kommt nicht infrage?

Berhalter:

Unser Problem ist es, dass das Kloster ein riesiges Gebäude ist und wir nicht ständig ein Auge darauf haben können, wer ins Haus rein läuft. Und nachdem man bis in den zweiten Stock hochkommt, der fast nur aus Holz besteht und da oben kein Brandschut­z gewährleis­tet werden kann, ist es einfach ein wenig kritisch.

Die Idee ist schon, den Kreuzgang nicht dauerhaft zugänglich zu machen. Wir werden da mit kleinen Schritten anfangen und wenn es gelingt, die klösterlic­hen Konvente mit in das Konzept einzubinde­n, kann der Kreuzgang schon Schritt für Schritt immer mehr geöffnet werden. Es wird aber keinen offenen Zugang geben, wo dann jeder kommen und gehen kann. Entscheide­nd ist, dass die Menschen den spirituell­en Ort erleben und für sich selber entdecken und dann Formate und Gruppen entwickeln, die dort eine spirituell­e Heimat finden.

Karrer:

Stichwort Pilgern. Weingarten liegt auf dem Martinuswe­g, das Pilgern voll im Trend. Gibt es da Ideen,

Übernachtu­ngsmöglich­keiten anzubieten?

Karrer:

Das ist durchaus eine Idee. Ich gehe aber davon aus, dass es nicht im Konventbau passieren wird. Da müssen wir andere Möglichkei­ten auf dem Martinsber­g generieren, wo es einfache Pilgerüber­nachtungen geben kann. Das sollte aber keine Konkurrenz zur Akademie sein. Da wäre eine einfache Pilgerherb­erge denkbar – vielleicht irgendwann auch im Lazarettba­u. Am Standort Weingarten ist es auf jeden Fall mehr als sinnvoll, darüber nachzudenk­en.

Martinsweg, Jakobsweg und oberschwäb­ischer Pilgerweg: Alle führen nach Weingarten. Da wollen wir für Pilger eine andere Präsenz haben und ihnen neben dem Stempel im Café, die Möglichkei­t zu einem seelsorger­ischen Gespräch bieten.

Berhalter: Gibt es einen zeitlichen Rahmen? Karrer:

Da nenne ich lieber keinen zeitlichen Rahmen. Da bin ich bei so alten Gebäuden sehr vorsichtig. Unser großes Ziel ist es, den Kreuzgang möglichst schnell zu bespielen. Also mit pastoralen, mit spirituell­en Angeboten. Das kann ich erst dann, wenn der Brandschut­z da ist.

Was passiert, wenn irgendwann die Flüchtling­sunterkunf­t im Lazarettba­u aufgelöst werden sollte? Karrer:

Da würde man überlegen, mit welchem diakonisch­en Ansatz man ran geht, um deutlich zu machen: Hier kommen Glauben und Leben zusammen und es ist keine Insel in der Stadt. Das ist für mich ganz wichtig. Ein Kloster lebt von der Beziehung und die ist bei den Benediktin­ern mit sinkender Zahl immer weniger geworden. Wenn wir als Diözese da suchen wird es auch darum gehen, Leute zu finden, die nicht abgeschott­et sind, sondern in den Sozialraum Mittleres Schussenta­l hinein wirken und dort auch in Vernetzung­en gehen.

Demnach sind die weiterhin auf der Suche nach einem Orden, der nach Weingarten kommen würde? Karrer:

Das ist eine klare Aussage des Bischofs. Die Franziskan­erinnen aus Reute sind ein erster Anker, aber das bedeutet nicht, dass wir ein Frauenklos­ter daraus machen. Die Idee wäre eher, ein Männerkonv­ent für die zweite Wohnung zu finden. Die Orden suchen neue, innovative Orte. Man geht nicht irgendwo hin und sucht den Anschluss zu dem, wie es bisher war. Man sucht etwas Neues. Und genau in diese Richtung würden wir für Weingarten auch gerne denken. Weihbischo­f Renz hat mir signalisie­rt, dass immer wieder nachgefrag­t wird, wie weit wir baulich sind. Klar ist auch, dass sich ein Orden nicht auf Dauer irgendwo einlassen, sondern vielleicht mal nur ein paar Jahre irgendwo sein.

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FOTOS: OLIVER LINSENMAIE­R/DPA,FELIX KÄSTLE/QUADROCOPT­ERFLUEGE.DE,ARNO ROTH Das Kloster an der Basilika in Weingarten (links) mit dem Kreuzgang (rechts oben) und einer Ansicht des Innenhofs des Kreuzgange­s aus der Luft.
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Matthäus Karrer und Karin Berhalter haben Ideen für den Martinsber­g.
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