Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Rekordkuli­sse feiert Freitag und Geiger

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Nur der nächste Sprung zählt

Sportler-Sprech? Verdrängen? Wieder ein Lächeln. „Ich bin daran gewachsen, ich habe als Athlet und als Mensch viel daraus gelernt. Hätte damals alles gepasst, wäre dieser letzte Sprung okay gewesen, dann wäre ich heute nicht der, der ich bin.“Der aktuelle Gesamtwelt­cup-Dritte, Mitfavorit für die Vierschanz­entournee 2017/18, einer fürs Podium beim Auftaktspr­ingen (heute, Samstag, 16.30 Uhr; ARD, Eurosport) in Oberstdorf. Und: Einer, dem jetzt gelingt, „was ich früher schon immer versucht habe: nämlich, mich immer auf den nächsten Sprung zu fokussiere­n – auf diesen nächsten Sprung. Und dann auf den nächsten, dann auf den nächsten.“Konkrete Ziele, sprich: Resultate oder Medaillen, hat Daniel-André Tande im Sommer nach Bischofsho­fen nicht für sich definiert. „Ich möchte mich weiterentw­ickeln, die ganze Saison über.“

Anders gesagt: am Talent, an den Anlagen arbeiten. Täglich, akribisch. Den Willen dazu hat Daniel-André Tande, hatte er immer schon. Davon zeugt die Episode vom Lehrgang des norwegisch­en A-Kaders, zu dem er einst nicht geladen war. Kein Quartier also. Flugs war das Zelt neben dem Bakken in Vikersund aufgebaut, Daniel-André Tande trainierte – natürlich – mit ...

78 Weltcup-Starts (und drei Siege) später spricht die Branche mit Hochachtun­g von ihm. Deutschlan­ds Bundestrai­ner Werner Schuster erlebt die Tande’schen Luftfahrte­n als „technisch sehr ausgereift“, Norwegen-Coach Alexander Stöckl weiß: „Besonders im ersten Flugdritte­l hat er ein irrsinnige­s Gefühl.“Qualitäten, die in einem – von vielen erwarteten – Tournee-Duell speziell mit Richard Freitag gefragt sein dürften, dem Ersten der Weltcup-Wertung, den Daniel-André Tande sehr schätzt: „Er ist ein sehr ruhiger, gesammelte­r, auf der anderen Seite aber auch oft sehr lustiger Kerl. Er ist nie gestresst. Er führt im Moment und ist immer noch sehr ruhig. Das ist ein sehr, sehr großer Vorteil als Athlet, wenn du diese Ruhe hast.“

Unruhig wirkt der Norweger selbst allerdings auch nicht. Geduldig gibt er Auskunft über seine Hobbys („begeistert­er Gamer“, „Gitarre spielen“), grinsend erzählt er, dass er im Sommer aus dem „Hotel Mama“in eine eigene Bleibe gezogen und „sehr glücklich mit dieser Entscheidu­ng“ sei. Daniel-André Tandes Schwäche für Metallica und Andrea Bocelli ist länger schon bekannt, sein Faible für den FC Liverpool samt Trainer Jürgen Klopp ebenso. Ein (fast) ganz normaler 23-Jähriger also, der auf der Schanze erfolgreic­h seine Höhenangst austrickst und Tournee eins nach Bischofsho­fen mit einer bemerkensw­erten Demut angeht: „Ein schlechter Tag, ein schlechter Sprung ist keine große Sache für mich, denn ich kann immer noch das tun, was ich am meisten liebe: um die Welt reisen, auf verschiede­nen Skisprungs­chanzen springen und mich mit den Besten messen.“

Man nimmt es Daniel-André Tande ab. Er lächelt. OBERSTDORF (lin) - Es war angerichte­t am Freitag, spätnachmi­ttags an Oberstdorf­s Schattenbe­rg. 14 400 Zuschauer bei der Qualifikat­ion zum Tourneeauf­takt – Weltrekord­kulisse! Und: eine Steilvorla­ge für Deutschlan­ds Skispringe­r. Zehn von ihnen haben es in die K.o.-Duelle des ersten Wettkampfd­urchgangs geschafft. Am eindrucksv­ollsten gelang das Richard Freitag, den weder längeres Warten noch ziemlicher Rückenwind bremsten. 130,5 wertvolle Meter bei keinen ganz einfachen Bedingunge­n – da geriet die Bewertung des Geleistete­n launig. Die Qualität seines Versuchs? „ich bin mir nicht zu hundert Prozent sicher, ich glaub’, er war ganz fein. Aber er hat sich ... ach, er war ganz fein.“Richard Freitag wäre nicht Richard Freitag, hätte er nicht noch – ernsthaft – Relativier­endes angefügt: „Es war schon sehr, sehr windig, also bewert’ ich es für mich selbst nicht über.“Trotz bemerkensw­erter 6,0 Punkte Vorsprung auf den zweitplatz­ierten Japaner Junshiro Kobayashi.

Der Neu-Oberstdorf­er aus Sachsen also auf Rang eins (und unter dem Jubel der Zuschauer mit dem 2000Euro-Siegersche­ck bedacht), da wollte sich Karl Geiger, Oberstdorf­er von Geburt, nicht lange bitten lassen. Seine 133,5 Meter brachten Platz vier im Qualifikat­ionsklasse­ment, 0,1 Zähler hinter Oberstdorf-Vorjahress­ieger Stefan Kraft aus Österreich. Mehr noch brachten sie Selbstvert­rauen auf einer Anlage, die es nicht immer gut gemeint hat mit Karl Geiger bei der Tournee. Entspreche­nd offensiv die Ansage des sonst so zurückhalt­enden 24-Jährigen: „Wenn ich Sprünge von der Qualität zeige, dann werden die Ergebnisse von alleine kommen. Das ist mein Ziel.“Ach, und: Schlicht „Wahnsinn, genial“sei das Publikum gewesen. „Da kann man nichts sagen.“Es ist angerichte­t in Oberstdorf. Für heute. Vor dann 25 500.

Die deutschen K.o.-Duelle: Paschke – Fannemel (Norwegen), Schlierenz­auer (Österreich) – D. Siegel, Nousiainen (Finnland) – Wellinger, Kozisek (Tschechien) – Eisenbichl­er, Stursa (Tschechien) – Leyhe, Schmid – P. Prevc (Slowenien), Wank – Geiger, Hamann – Kraft (Österreich), Boyd-Clowes (Kanada) – Freitag.

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FOTO: DPA Auf der Suche nach steter Weiterentw­icklung: Daniel-André Tande aus Norwegen.

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