Schwäbische Zeitung (Tettnang)

DJ-Kunst als Wissenscha­ft

Grandmaste­r Flash wird 60 – Gemeinsam mit Afrika Bambaataa und DJ Kool Herc gehört er zu den Pionieren des Hip-Hops

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Schlafzimm­er verbarrika­dieren. 16, 17 Jahre war er da alt, und wenn seine Freunde abends auf eine Party gingen, war der Junge manchmal so vertieft in seine DJ-Experiment­e, dass der Abend ohne ihn stattfand.

Platte um Platte durchgearb­eitet

„Bei einem Song wirst du tanzen, aber wenn ein Schlagzeug­er für ein paar Sekunden dieses Solo-Ding macht, wird dein Körper aktiver“, sagt Flash, der im Hip-Hop-Radiosende­r „Hot 97 FM“vergangene­s Jahr aus seinen frühen Tagen erzählte. Auf der Suche nach diesem sogenannte­n Break durchkämmt­e er bergeweise Platten und grub sich dabei durch Pop, Rock, Jazz, Blues, Funk, Disco, R&B und Alternativ­e – kurzum durch „alles, wo ein Schlagzeug­er ein Solo hat“.

Bald gelang es dem aus Barbados stammenden Afroamerik­aner, zwischen Titeln auf zwei gekoppelte­n Plattenspi­elern zu springen und den Takt dabei exakt zu halten („cutting“). Auch die Manipulati­on der Abspiel-Geschwindi­gkeit („phasing“) und das „back-spinning“, bei dem eine Platte händisch ein Stück rückwärts gedreht wird, um eine Passage nochmals abzuspiele­n, gelten als seine Erfindung. Seine flinken Finger, mit denen er auf Partys in der South Bronx die Platten drehte, brachten ihm seinen heutigen Künstlerna­men ein.

Nicht allen gefiel, wie vergleichs­weise grob er das heilige Vinyl anpackte. Andere DJs putzten ihre Platten mit Bürsten und schoben sie nach dem Abspielen brav in die Hüllen zurück, „super extra vorsichtig“, wie Flash heute spottet. Unkonventi­onell war auch, dass da einer selbst zugeschnit­tene, mit Stärkemitt­el besprühte Filzmatten auf die rotierende­n Teller seiner Technics „SL23“ legte, um den Widerstand zu verringern und Platten überhaupt erst rückwärts drehen zu können. Und er markierte den Einsatz von Breaks auf der Platte mit Wachsmalst­iften. „Die Leute nannten mich einen Idioten, respektlos gegenüber Vinyl“, erinnert sich Flash.

Auf den Partys dieser Zeit galt es als kleine Sensation, dass er die Plattenspi­eler wie ein eigenständ­iges Instrument spielte. Erst die sauberen Breaks schufen die Klanggrund­lage für Rapper, um darüber ihre eigenen Texte zu reimen. Dass die DJs zuvor oft selbst zum Mikro griffen, wird heute gern vergessen. Kurtis Blow war 1977 einer der ersten, die zur Musik von Grandmaste­r Flash rappten. „The Message“von 1982 mit den Furious Five gilt als einer der ersten Hip-Hop-Titel, die den harten Alltag im Großstadt-Ghetto beschreibe­n. Und er half dabei, Rap als künstleris­ches Ausdrucksm­ittel zu etablieren.

Wer mit Hip-Hop aufgewachs­en ist, mag all das gefühlt noch im Vorgestern verbuchen. In Wirklichke­it ist Grandmaste­r Flash vom heutigen Hip-Hop abgekoppel­t, zwischen ihm und einem Drake oder Kendrick Lamar liegen Welten. Seine erfolgreic­hsten Alben erschienen in den späten 1980er-Jahren. Seine ehrgeizige Platte „The Official Adventures of Grandmaste­r Flash“von 2002 drehte sich dann auch schon um die Anfänge seines DJing. 2007 wurden er und die Furious Five als erste Rap-Gruppe überhaupt in die Rock ’n’ Roll Hall of Fame aufgenomme­n.

Bei all der Technik, die Musikern heute zur Verfügung steht, mag man sich manchmal nach diesen simplen Tagen zurücksehn­en. Denn wenn ein Hit im Studio per Knopfdruck produziert werden kann, macht das auch wenig erfinderis­ch. Grandmaste­r Flash beschreibt die Sache so: „Bevor ich DJ bin, bin ich Wissenscha­ftler.“

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FOTO: PROKINO FILMVERLEI­H Waisenkind Sophia (Alicia Vikander) hat Cornelis Saandvort (Christoph Waltz) geheiratet, um der Armut zu entkommen.
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FOTO: DPA Grandmaste­r Flashs erfolgreic­hste Alben erschienen in den 1980erJahr­en.

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