Schwäbische Zeitung (Tettnang)
„Ganz bestimmt kein Schildbürgerstreich“
ZLT-Chef Eckhard Breuer über die Chancen, einen Zeppelin zu verkaufen und rekordverdächtige Passagierzahlen
FRIEDRICHSHAFEN - Was ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass Winter sein muss? Der Zeppelin Neuer Technologie (NT) fehlt schon viel zu lange am Himmel über dem Bodensee. Eckhard Breuer ist seit Juli Geschäftsführer der Zeppelin Luftschifftechnik GmbH (ZLT). Mit SZRedakteurin Tanja Poimer sprach der 54-Jährige über seinen Start bei den Luftschiffbauern in Friedrichshafen, einen Zeppelin aus der Kiste, Münchner Erlebniswelt-Pläne und darüber, wann die neue Flugsaison startet und was sie bringt.
Herr Breuer, Sie sind Anfang Juli als Geschäftsführer der Zeppelin Luftschifftechnik GmbH (ZLT) an den Start gegangen. Was für ein Fazit ziehen Sie nach einem halben Jahr am Bodensee?
Ich habe eine Vielzahl an Erkenntnissen gesammelt. Eine davon: Wir haben eine relativ kleine, aber qualifizierte Mannschaft, die aus ungefähr 100 Mitarbeitern plus etwa 60 Saisonkräften besteht und sehr breit aufgestellt ist. Nicht umsonst sind wir ein Entwicklungs-, Herstellungsund Instandhaltungsbetrieb für Luftschiffe, betreiben sie kommerziell wie eine Airline und bieten unseren Passagieren auch noch das ganze Drumherum von der Gastronomie bis zum Shop an. Kurz gesagt: Wir machen hier alles von der Luftschiffentwicklung bis zum Steakhouse.
Lief Ihr Einstieg ins durchaus exotische Geschäft mit dem Zeppelin planmäßig?
Ja, ich fühle mich hier sehr wohl. Was mich besonders positiv stimmt, ist die überwältigende Rückmeldung, die wir von den Passagieren sowohl in Umfragen als auch in persönlichen Gesprächen bekommen. Es ist ein einmaliges Erlebnis, das wir unseren Gästen bieten, und das wird auch so wahrgenommen. Enttäuschung gibt es höchstens wegen des Wetters, wenn die Sicht eingeschränkt ist oder ein Flug verschoben werden muss.
Was war der Höhepunkt 2017?
Die ganze Saison stand unter dem Motto: 20 Jahre Erstflug Zeppelin NT, was wir auch am ersten Juliwochenende gebührend gefeiert haben. Das Interesse war sehr groß, wir hatten mehrere Tausend Besucher am und im Zeppelin-Hangar. Ein anderer Höhepunkt waren die Passagierzahlen, die wir eingeflogen haben. Wenn wir alles zusammenzählen, hatten wir am Standort Friedrichshafen und den Flugplätzen, die wir besucht haben, wie München oder die Insel Sylt, 24 000 Fluggäste. Das ist ein Rekord, aber natürlich gilt auch für uns: Nach der Flugsaison ist vor der Flugsaison.
Apropos 20 Jahre Erstflug: Ist der runde Geburtstag für Sie ein Beweis, dass der Zeppelin kein fliegender Schildbürgerstreich ist, wie damals von Kritikern vorgeworfen?
Der Zeppelin ist ganz bestimmt kein Schildbürgerstreich, sondern das erfolgreichste, für den kommerziellen Flugbetrieb zugelassene Luftschiff. Das beweisen nicht zuletzt unsere Passagierzahlen und unsere Kunden, die den Zeppelin als größte fliegende Werbefläche der Welt nutzen.
Reicht der Rekord in Sachen Passagierzahl, dass Sie schwarze Zahlen schreiben?
Ja. Wir veröffentlichen unsere Zahlen nicht, aber ich kann so viel sagen, dass sich der Flugbetrieb selbst trägt.
Leise, sparsam, ausdauernd: In unserem ersten Interview bei Ihrem Antritt betonten Sie, dass der Zeppelin ein Luftfahrzeug mit ganz speziellen Eigenschaften sei. Vor diesem Hintergrund wollten Sie gezielt Kunden ansprechen. Haben Sie das schon getan? In welcher Mission ist der Zeppelin demnächst unterwegs?
Wir waren im September auf Norddeutschland-Tour und sind zwei Tage für das Helmholtz-Zentrum Geesthacht über der Nordsee und der Elbmündung geflogen. Im Oktober ging es nach Dübendorf in die Schweiz, wo wir im Auftrag der Swiss Skylab Foundation, ein Zusammenschluss mehrerer Forschungsinstitutionen, Demonstrationsflüge absolvierten, bei denen die Wissenschaftler getestet haben, ob sich der Zeppelin NT als Plattform für ihre speziellen Experimente nutzen lässt. Es ging dabei im weitesten Sinne um Atmosphärenforschung, und wir warten jetzt auf eine Rückmeldung und darauf, ob sich daraus Anschlussaufträge in der Schweiz ergeben.
Wie kommen Sie an Aufträge?
Wir haben einen Wissenschaftsbeirat gegründet, um den Kontakt in die Szene zu halten. Potenziellen Kunden stellen wir das Luftschiff aktiv vor.
Das Luftschiff ist also gut unterwegs. Und Sie? Sind Sie schon am Bodensee angekommen oder kennen Sie die Gegend nur von oben?
Meine Familie wohnt noch im Rheinland, wir haben uns den Umzug für 2018 vorgenommen. Derweil erkunde ich die Gegend. Ich war in fast allen Orten am See, ich kenne Bregenz, Kressbronn, Langenargen oder Meersburg. Die Gegend ist wirklich sehr schön, was uns bei unserem Geschäft hilft. Der Tourismus boomt. Übrigens gibt die Mehrzahl unserer Passagiere vor allem in der Vor- und Nebensaison als Hauptreisegrund den Zeppelinflug an.
Eine Freude an Weihnachten war es, Geschenke auszupacken. Sie haben seit Jahren ein ganzes Luftschiff in Kisten verpackt im Hangar stehen. Wann holen Sie den Zeppelin raus, woher kommt er, und was haben Sie mit ihm vor?
Jetzt bauen wir erst einmal das dritte Luftschiff für unseren Kunden Goodyear. Die Auslieferung wird Mitte 2018 sein, dann stehen noch die Abnahmeflüge an. Wenn bei dem US-amerikanischen Reifenhersteller alles stabil läuft, werden wir anfangen, die Kisten in Friedrichshafen anzuschauen und auszupacken. Wir haben zwei Zeppeline hier über dem Bodensee im Einsatz, und das soll auch in Zukunft so bleiben. Eines der beiden Luftschiffe erreicht langsam das Ende seiner Lebenszeit, und es ist vorgesehen, dass es durch den jetzt noch verpackten Zeppelin ersetzt wird, der 2013 nach Friedrichshafen zurückkam, weil der US-amerikanische Leasingpartner den Betrieb eingestellt hatte.
Ist der Goodyear-Auftrag, der Ihrem Unternehmen mehr als 43 Millionen Euro eingebracht hat, mit der Auslieferung des dritten Luftschiffs abgeschlossen?
Die Arbeit beginnt eigentlich erst mit der Auslieferung eines Luftschiffes. Die Unterstützung des Kunden beim Einsatz der Fluggeräte ist für uns ein ganz wichtiges Geschäftsfeld, das wir auch weiter ausbauen wollen. Das beginnt mit der Ersatzteilversorgung, geht weiter über die Unterstützung von Mechanikern aus Friedrichshafen bei der Inspektion und reicht bis zur technischen Unterstützung bei der Weiterentwicklung der Luftschiffe. Denn so ein Luftschiff lebt ja und will immer wieder auf den neusten technischen Stand gebracht werden. Soll heißen: Wir werden auch im nächsten Jahr Mitarbeiter vom Bodensee in die USA schicken.
Ein Standard-Luftschiff kostet 15 bis 16 Millionen Euro, plus ein paar Extras zusätzlich liegen wir bei 18 Millionen. Wie gestaltet sich die Such nach neuen Käufern?
Die Suche läuft, wir stehen mit verschiedenen Interessenten aus dem Ausland in Kontakt. Wir gehen aber erst an die Öffentlichkeit, wenn das Ganze spruchreif ist. Das Interesse ist da, für uns ist wichtig, dass ein potenzieller Käufer das Luftschiff auch erfolgreich und nachhaltig betreiben kann. Es gab in der Vergangenheit zwei Betreiber, einen in Japan und einen in den USA, die den Flugbetrieb wieder einstellen mussten. Unser Ziel ist es, dass sich das nicht wiederholt. Die beste Werbung für den Zeppelin ist unser eigener Flugbetrieb in Friedrichshafen.
Zurück nach Deutschland: Was ist aus der Zeppelin-Erlebniswelt geworden, die bereits 2015 in München geplant war?
Der Investor, der diese Erlebniswelt gründen wollte, ist nach wie vor überzeugt und sucht weiterhin nach einem geeigneten Standort für den Bau eines Hangars und den Betrieb des Luftschiffes. Denn daran ist das Projekt bislang gescheitert. Er steht nicht nur mit uns, sondern auch mit verschiedenen Grundstückseigentümern sowie Städten und Gemeinden in Kontakt, um auszuloten, wo er die Erlebniswelt aufbauen könnte.
Was ist das Schwierige daran, einen Standort zu finden?
Eine Voraussetzung ist, dass der Gesetzgeber auf dem Areal einen Flugbetrieb zulässt. Es muss nicht zwingend ein Flugplatz oder ein Flughafen sein, aber das Grundstück muss zunächst einmal entsprechend groß und abzusichern sein. Idealerweise ist auch Platz für einen Hangar, um die Wartung des Luftschiffs vornehmen zu können. Es ist also eine erhebliche Investition in die Infrastruktur zu leisten. Und dann muss der Standort auch noch so gewählt sein, dass die touristischen Aspekte berücksichtigt sind und der Ort möglichst nah an einer Metropole liegt, was die Werbung einfacher macht.
Würde ein Zeppelin-Ableger in München dem Original in Friedrichshafen Konkurrenz machen?
Ja und nein. München ist etwa zweieinhalb Stunden mit dem Auto entfernt und zieht Gäste aus aller Welt an. Und wenn es unser eigenes Luftschiff ist, das dort zum Einsatz kommt, ist das Werbung für uns. Außerdem ist es unser erklärtes Ziel, den Zeppelin über deutschen Metropolen stärker sichtbar zu machen. Dazu haben wir im nächsten Jahr beispielsweise wieder eine eigene Kampagne in München geplant.
Und bis Sie im nächsten Frühling wieder abheben, machen Sie und Ihre Crew über den Winter erst einmal Urlaub?
Nicht ganz. Für die Kollegen in der Technik ist gerade Hochsaison, sie überprüfen die beiden Luftschiffe. Unter anderem wird das ganze Helium abgelassen, damit die Hülle von innen kontrolliert und bei Beschädigungen repariert werden kann, die Triebwerke werden überholt, und die Struktur wird genau inspiziert. Das dauert pro Schiff jeweils mehrere Wochen. Parallel bauen wir das dritte Schiff für Goodyear. Für uns im Marketing und Vertrieb ist jetzt die Zeit, das Angebot für das nächste Jahr zu bewerben und Aufträge reinzuholen. Die Piloten helfen bei der Inventur drei Tage lang mit, die Lagerbestände zu zählen, überarbeiten Unterlagen für das Flugtraining, passen flugbetriebliche Handbücher an, bereiten Touren nach oder vor und machen tatsächlich länger Urlaub, was während der Saison nicht geht.
„Wir haben zwei Zeppeline über dem Bodensee im Einsatz, und das soll auch in Zukunft so bleiben.“
Vom Rückblick zur Vorschau: Was haben Sie sich für die nächste Flugsaison vorgenommen, die am 9. März beginnt?
Wir werden wieder mit zwei Schiffen in den Flugbetrieb gehen und haben im April zum Beispiel fest eingeplant, mit einem Zeppelin von der Flugwerft Schleißheim bei München aus fast zwei Wochen lang zu fliegen. Möglicherweise unternehmen wir im Mai eine Tour ins benachbarte Ausland, da ist aber der Vertrag noch nicht unterzeichnet. Hier in Friedrichshafen wird es neben dem üblichen Programm erneut Flüge für Fallschirmspringer geben, aber auch bei mehreren Seefeuerwerken werden wir wieder dabei sein.