Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Ohrbeißer steht ab Montag vor Gericht
29-Jähriger muss sich wegen schwerer Körperverletzung verantworten
TETTNANG - Ein skurriler Fall kommt am kommenden Montag am Amtsgericht Tettnang zur Verhandlung. Weil er einem anderen Mann ein Stück seiner Ohrmuschel abgebissen hat, droht einem 29-Jährigen unter Umständen eine mehrjährige Haftstrafe. Angeklagt ist er wegen schwerer Körperverletzung, aktuell befindet er sich in Untersuchungshaft. Entscheidende Bedeutung dürften die Aussagen zweier Sachverständiger haben.
Dass er seinem Gegenüber, einem zur Tatzeit 68-jährigen Mann, tatsächlich ein Stück Ohr abgebissen hat an jenem Abend Ende März 2017, hat der Angeklagte gegenüber der Polizei zwar nicht abgestritten. Wie es dazu gekommen ist, darüber haben Beißer und Gebissener bislang aber sehr unterschiedliche Aussagen gemacht. Klar ist offenbar nur, dass der 29-Jährige ziemlich betrunken – die Blutuntersuchung ergab einen Alkoholgehalt von 2,5 Promille – und mit dem 68-Jährigen an dessen Wohnungstür aneinander geraten war. Laut damaligem Polizeibericht wollte der Angeklagte den 68-Jährigen zur Rede stellen, weil er ihn mehrfach bei der Polizei angeschwärzt haben soll. Der Streit verlagerte sich in dessen Wohnung, mündete in einer Rangelei – und endete schließlich mit dem Biss ins Ohr. Vor Gericht wird es nun zunächst darum gehen, den genauen Ablauf des Streits zu klären. Abgesehen vom Angeklagten und Opfer hat Richter Martin Hussels dazu auch die Freundin des 29Jährigen als Zeugin geladen, die zumindest einen Teil der Auseinandersetzung mitbekommen haben soll. Ganz entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob es sich juristisch „nur“um Körperverletzung oder um schwere Körperverletzung handelt, dürfte die Einschätzung eines Facharztes zur Verletzung des 68-Jährigen sein, den Hussels als Sachverständigen geladen hat. Laut Paragraf 226 des Strafgesetzbuches ist die Körperverletzung unter anderem dann eine schwere, wenn sie zur Folge hat, dass der Verletzte „in erheblicher Weise dauernd entstellt wird“. Das Strafgesetzbuch sieht hierfür eine Freiheitstsrafe zwischen einem und zehn Jahren vor. Eine weitere Frage, die der Richter mithilfe eines Sachverständigen des Zentrums für Psychiatrie klären will, ist jene, inwiefern beim Angeklagten aufgrund seines Alkoholkonsums eine verminderte Schuldfähigkeit vorliegen könnte.
Der Fall des Ohrbeißers ist übrigens nicht der erste dieser Art, der vor dem Amtsgericht Tettnang verhandelt wird. Vor knapp vier Jahren wurde dort bereits ein Mann zu drei Jahren Haft verurteilt, weil er 2012 im Verlauf einer Schlägerei auf dem Seehasenfest einem anderen Mann ein Ohr abgebissen hatte.