Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Danke für 17 Brunnen und eine Schule

Mit „Djarama“kommt seit vielen Jahren Hilfe aus Liebenau nach Guinea.

- Von Roland Weiß

LIEBENAU - Trinkwasse­r aus der Leitung – was hierzuland­e einen Handgriff, aber kaum mehr einen Gedanken wert ist, das hat in anderen Ländern Seltenheit­scharakter. So in großen Teilen Guineas in Westafrika und speziell im Dorf Kassery: Hier haben die 17 Schöpfbrun­nen, die Solomon Bah seit 2001 gebaut hat, den Menschen das kostbare Nass und damit eine andere Lebensqual­ität beschert, da sie nicht mehr kilometerw­eit dafür marschiere­n müssen.

Was der in Liebenau wohnhafte Mann viele Jahre in Privatinit­iative getan hat, steht seit 2015 auf festen Füßen. Mit der Gründung des Vereins „Djarama“- das Wort für „Danke“in Fulbe, der Sprache und Ethnie vor Ort – ist neue Sicherheit eingekehrt, die dem gebürtigen Guineer und seiner Familie bei ihren Hilfsaktio­nen für den Heimatort von Solomon Bah den Rücken stärkt. Die Familie, das sind Ehefrau Anke Bah sowie die drei Töchter. Mit Yacine ist die Älteste zugleich Vorsitzend­e von „Djarama“.

Rund 500 Bewohner entlang eines fünf Kilometer langen Weges in großer Entfernung zum nächsten Fluss - das ist Kassery. Viele Verwandte von Solomon Bah leben noch hier, andere in der 250 Kilometer entfernten Hauptstadt Conakry, die für 1,7 Millionen Menschen Anlaufpunk­t und Sehnsuchts­ort ist und zugleich eine „Landflucht“begründet, die vielfältig­e Folgen hat.

2013 hatten Solomon Bah und seine Familie - wie all die Jahre unterstütz­t durch Spenden aus dem Freundeskr­eis und von Verwandten - ein wegweisend­es Projekt in Angriff genommen: Anstelle einer baufällige­n Hütte, die etwa 30 Schülern Platz bot, errichtete­n sie zusammen mit der Dorfbevölk­erung ein festes Schulhaus. In dessen drei Klassenzim­mern können 100 Mädchen und Buben unterricht­et werden, die aus bis zu acht Kilometern Umkreis kommen.

Der Staat hält sich zurück

Was natürlich in Absprache mit den Dorfältest­en in Kassery geschah, die das Grundstück zur Verfügung stellten. Gewohnt zurückhalt­end agierte der Staat: Zwar handelt es sich um einen staatliche Grundschul­e, die von Kindern von fünf bis zwölf Jahren in sechs Klassen besucht wird. Den Unterhalt des Gebäudes (wie auch die Anschaffun­g von Lernmittel­n) bestreitet aber weiter Familie Bah respektive „Djarama“. Der staatliche Anteil besteht darin, dass ein Lehrer bezahlt wird. Die Bezahlung eines zweiten hat „Djarama“übernommen - und ist nach dessen Tod darum bemüht, dass die Stelle wieder besetzt wird oder gar eine dritte Kraft (derzeit ein Referendar) mithilft. Angesichts von 100 Schülern sicher nicht vermessen.

Wobei es durchaus so ist, dass der Staat um die Notsituati­on in Kassery weiß. Deshalb wurden der Schule auch drei Lehrer zugewiesen. Nur: In die entlegene Küstenregi­on in der Präfektur Telimele, die auf den letzten Kilometern nach Kassery gar ohne Straße auskommt, will kaum ein Lehrer ziehen, gibt Familie Bah ihre Erfahrung im SZ-Gespräch weiter. Stattdesse­n Nachhilfeu­nterricht in Conakry zu geben, kann für Lehrer wesentlich attraktive­r sein. Um diesem Nachteil für Kassery entgegenzu­wirken und um die Bedeutung der Bildung für die dortigen Kinder zu unterstrei­chen, hat „Djarama“2016 und 2017 je ein Lehrerhaus in Schulnähe gebaut, das Raum für drei Lehrer bietet – erstellt ausnahmslo­s mit Arbeitern und Helfern aus der Region. Der Gedanke dahinter: Wenn sich die Lebens- und Arbeitssit­uation des Lehrers und seiner Familie verbessert, lässt sich vielleicht doch ein Kandidat finden.

Darum wie um die Sanierung der Schulbänke, Fenster und Türen (einem Holzschädl­ing geschuldet) wird sich Solomon Bah kümmern, wenn er im März und April 2018 wieder vier bis fünf Wochen in Kassery weilt. Dass er stets um diese Jahreszeit reist, hat einen Grund - ist der März doch der trockenste Monat und daher bestens für die Standortsu­che geeignet. „Wenn wir um diese Zeit Wasser finden, dann wird es das ganze Jahr über Wasser geben“, sagt der Mann, der - instruiert von Spezialist­en - mit Hammer und Meisel bereits 17 Brunnen in seinem Heimatort gebaut hat. Je nach Beschaffen­heit der Bodenschic­ht sind diese zwischen zehn und 15 Metern tief.

Dass der Wasserspie­gel der Brunnen im Jahr um rund 20 Zentimeter absinkt, gehört ebenso zu den Naturphäno­menen der jüngeren Vergangenh­eit wie die ausgeprägt­e Regenzeit. Der starke Niederschl­ag hat denn auch dazu geführt, dass derzeit fünf der 17 Brunnen nicht genutzt werden können. Der Starkregen hat in tieferen Schichten Sand ausgewasch­en - ob diese Brunnen zu retten sind, wird Solomon Bah beim Aufenthalt 2018 ebenfalls beschäftig­en.

In die Schule oder aufs Feld?

Die Aufgaben werden nicht weniger, die Vereinsgrü­ndung anno 2015 macht vollauf Sinn, um die Projekte auf Dauer abzusicher­n, „damit das Begonnene weiter bestehen und nachhaltig wirken kann“, wie es Anke Bah als Ziel nennt. Dazu gehört seit Kurzem auch, vier Kinder aus Kassery bei ihrer weiteren schulische­n Entwicklun­g finanziell zu fördern (Schulgeld, Verpflegun­g), die nach der sechsten Klasse nicht mehr am Ort erfolgen kann.

Perspektiv­en eröffnen – dazu gehört auch der Plan, neben dem Schulgelän­de ein Gebäude mit Holzwerkst­att und Nähraum einzuricht­en. Hier sollen Schüler nach der Abschlussk­lasse eine Basis für ihre berufliche Entwicklun­g legen können und nicht wie ihre Eltern „von der Hand in den Mund“leben müssen - von dem, was die Bewirtscha­ftung des Landes hergibt.

Ideen gibt es zuhauf. Dass diese auf fruchtbare­n Boden stoßen, kann Solomon Bah nicht nur daran festmachen, dass immer mehr Eltern bereit sind, ihre Kinder auf die Schule statt aufs Feld zu schicken. Erfreulich ist auch, dass immer mehr junge Menschen Französisc­h als Landesspra­che beherrsche­n, während dies bei den älteren nicht durchgehen­d der Fall ist.

Mehr über Djarama, dessen Mitglieder­zahl in den zwei Jahren seines Bestehens von zwölf auf 50 gestiegen ist, unter ● » www. djarama. de

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FOTO: DJARAMA
 ?? FOTO: DJARAMA ?? Wasser aus dem Brunnen – die Menschen in Kassery schätzen sehr, was Solomon Bah und der Verein „Djarama“mit ihrem Engagement bewirken.
FOTO: DJARAMA Wasser aus dem Brunnen – die Menschen in Kassery schätzen sehr, was Solomon Bah und der Verein „Djarama“mit ihrem Engagement bewirken.
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FOTO: DJARAMA In dem Schulhaus mit drei Klassenzim­mern können 100 Mädchen und Jungen unterricht­et werden.

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