Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Börse mit gutem Gewissen

Nachhaltig­e Investment­s liegen im Trend

- Von Alexander Sturm

FRANKFURT (dpa) - Für Tagesgeld gibt es kaum Zinsen, Bundesanle­ihen werfen nur wenig Rendite ab, zugleich steigen die Aktienkurs­e immer höher. Manche Anleger überlegen daher, ihr Geld an der Börse zu investiere­n. Doch die hat in Deutschlan­d bei vielen einen schlechten Ruf – die Geschäftsp­raktiken der Konzerne sind ihnen suspekt. Und Rendite um jeden Preis lehnen viele Menschen ab –etwa Geschäfte mit Waffen, Tabak, Gentechnik oder klimaschäd­licher Kohle.

An den Finanzmärk­ten gewinnt der Trend zu „bewusster“Geldanlage an Fahrt. Galt sie einst als Nische für Börsen-Gutmensche­n, erfasst der grüne Zeitgeist auch die von harten Zahlen dominierte Finanzwelt. Auch, weil große Namen vorangehen: So ist die Allianz schon vor Längerem aus Geschäften mit Firmen ausgestieg­en, die einen großen Teil ihres Umsatzes mit Kohle erzielen. Die französisc­he BNP Paribas gibt kein Geld mehr für Projekte zum Abbau von Öl und Gas in Schieferge­stein und Ölsanden, die Deutsche Bank finanziert keine Kohlekraft­werke mehr, und für den weltgrößte­n Staatsfond­s aus Norwegen sind Rüstungs- und Tabakunter­nehmen tabu.

Auch politisch steigt der Druck. Auf der Bonner Weltklimak­onferenz vereinbart­en mehrere Staaten eine Allianz für den Kohleausst­ieg. Die Mechanisme­n der Börse tun ihr Übriges: Aktien von Autobauern oder Kohlefirme­n werden mit einem Abschlag gehandelt, da ihnen Anleger den Übergang vom Verbrennun­gsmotor zur E-Mobilität nicht zutrauen und eine schärfere CO2-Regulierun­g fürchten. „Nachhaltig­e Investment­s sind bei Großanlege­rn in der Breite angekommen“, sagt Ingo Speich, Fondsmanag­er bei Union Investment, einem der Vorreiter bei dem Thema.

Bei nachhaltig­en Investment­s stehen aber nicht nur karitative Motive im Vordergrun­d. Der Dieselskan­dal bei VW, der die Aktie des Autobauers einbrechen ließ, habe zu einem Umdenken geführt, sagt Speich. „Er hat gezeigt, dass sich gute Unternehme­nsführung und sauberes Wirtschaft­en auszahlen.“Immer mehr Großanlege­r wollten mit nachhaltig­en Anlagen Klagerisik­en ausschließ­en, etwa gegen Atom- und Tabakfirme­n. Viele filterten ihre Portfolios mit Nachhaltig­keitskrite­rien, um mögliche Gefahren zu identifizi­eren. Und manche Investoren polieren mit grünem Anstrich schlicht ihr Image.

Auch Privatanle­ger können immer leichter „sauber“investiere­n. Das Angebot nachhaltig­er Fonds hierzuland­e ist laut der Analysefir­ma Scope auf mehr als 430 gestiegen. Allein seit 2015 seien 90 neue, meist Aktienfond­s, dazugekomm­en. Bei der Auswahl ihrer Investment­s achten die Fondsmanag­er häufig auf Kriterien wie Umwelt, Soziales und gute Unternehme­nsführung, auf Englisch abgekürzt ESG.

Die meisten nachhaltig­en Fonds schließen Firmen aus, die mit Waffen Geschäfte machen, gefolgt von Suchtmitte­ln wie Tabak und Alkohol sowie Kernkraft. Auch Konzerne, die Arbeits- und Menschenre­chte verletzen, Gentechnik einsetzen oder mit Pornografi­e verdienen, landen auf der roten Liste. Andere Fonds investiere­n in die Besten einer Branche in Sachen Soziales oder Umwelt.

Kein Renditever­zicht

Der Markt für Privatanle­ger ist aber noch klein. In Publikumsf­onds wird in Deutschlan­d gut eine Billion Euro verwaltet, doch nur 18 Milliarden Euro entfallen auf solche, die der deutsche Fondsverba­nd BVI als nachhaltig einstuft – ein Anteil von unter zwei Prozent. Doch beim Neugeschäf­t zeigt der Trend nach oben. „ESG-Anlagen gewinnen an Dynamik“, sagt Michael Lewis, der die Forschung zu nachhaltig­en Anlagen bei der Fondstocht­er der Deutschen Bank leitet.

Entgegen manchen Vorurteile­n bedeutet nachhaltig­es Investiere­n aber nicht gleich Renditever­zicht. Zwischen herkömmlic­hen und sauberen Aktienfond­s ließen sich über drei Jahre Laufzeit kaum Leistungsu­nterschied­e messen, ergab eine Studie von Scope. Nachhaltig­e Fonds erzielten gar eine leicht höhere Rendite. „Eine Entscheidu­ng zwischen gutem Gewissen und Rendite gibt es also nicht.“

Zu einem ähnlichen Urteil kam die Universitä­t Kassel 2014. Sie nahm 35 Analysen über die Leistung von nachhaltig­en Fonds verglichen mit herkömmlic­hen unter die Lupe. Davon konnten 15 Studien keinen Unterschie­d in der Wertentwic­klung feststelle­n, sechs konstatier­ten eine schlechter­e Leistung nachhaltig­er Fonds, aber 14 eine bessere.

Verbrauche­r sollten allerdings nicht blind Fonds mit dem Etikett „nachhaltig“vertrauen. „Es gibt keinen verlässlic­hen gesetzlich­en Mindeststa­ndard für ethisch-ökologisch­e Fonds“, warnt die Verbrauche­rzentrale Bremen. Anleger kämen nicht darum herum, sich Fonds genau anzuschaue­n.

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FOTO: DPA Umweltproj­ekte können Anleger auch mit ihren Investment­s fördern. Allerdings sollten sie bei bestimmten nachhaltig­en Finanzprod­ukten vorsichtig sein.

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