Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Wengen als gutes Pflaster

Thomas Dreßen Fünfter der Lauberhorn-Abfahrt, Linus Straßer qualifizie­rt sich als Slalom-Neunter für Olympia

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WENGEN (SID/dpa) - Thomas Dreßen traute sich nicht, seinem kopfschütt­elnden Cheftraine­r Mathias Berthold in die Augen zu schauen. „Der denkt sich: ,So ein Trottel, jetzt macht er so einen Scheiß schon wieder‘“, mutmaßte Dreßen. Doch Berthold war gnädig mit dem 24-Jährigen. Dreßen hatte bei der traditions­reichen Weltcup-Abfahrt im Schweizer Wengen mit einem neuerliche­n Patzer im Ziel-S zwar einen „Stockerl“Platz verschenkt, Platz fünf hinter lauter Olympiasie­gern und Weltmeiste­rn aber war aller Ehren wert.

Deutschlan­ds bester Skirennläu­fer Felix Neureuther jedenfalls erteilte Dreßen noch am Abend den Ritterschl­ag. „Der Thomas ist ein sehr, sehr junger Kerl für einen Abfahrer; die Konstanz, die er in seinen Leistungen hat, ist Wahnsinn. Das wird der Mann der Zukunft im Abfahrtsre­nnsport“, sagte er im ZDF-Sportstudi­o. Bei Olympia in Pyeongchan­g (9. bis 25. Februar) könne Dreßen „mit der jugendlich­en Unbekümmer­theit definitiv für eine Überraschu­ng sorgen“.

Olympia – das ist seit Sonntag auch für Linus Straßer Realität. Mit einem starken neunten Rang beim Slalom am Männlichen, seinem zweitbeste­n Resultat bei einem „normalen“Rennen, qualifizie­rte er sich als elfter deutscher Alpiner für die Spiele in Pyeongchan­g. Für ausgelasse­ne Freude waren dem 25-Jährigen seine beiden Durchgänge aber nicht gut genug. „Ich habe noch nie Wengen so schwer erlebt“, sagte Straßer im Ziel. „Ich bin weder mit dem ersten noch mit dem zweiten so richtig happy.“Straßer hatte 3,44 Sekunden Rückstand auf den erneut famosen Marcel Hirscher. Der Österreich­er feierte seinen 53. Weltcupsie­g und dürfte bald mit Landsmann Hermann Maier (54) gleichzieh­en.

Wäre die Blaumeise nicht gewesen

Von Platz eins war für Thomas Dreßen am Lauberhorn weit weg, aber er war zumindest drauf und dran, seinen dritten Platz zu Saisonbegi­nn in Beaver Creek zu wiederhole­n. Als er zum Ziel-S kam, wo er am Freitag bereits bei der Kombinatio­nsabfahrt gepatzt hatte, brannten allerdings seine Oberschenk­el. Oder, wie Dreßen es in der Skifahrers­prache sagte: „Da hat die Blaumeise schon ganz schön zugeschlag­en.“

Trotzdem entschied sich Dreßen, weiter Risiko zu gehen – die falsche Taktik: Aus nur 0,46 Sekunden Rückstand auf den Sieger, Weltmeiste­r Beat Feuz (Schweiz), wurden 0,93 im Ziel, zum drittplatz­ierten Olympiasie­ger Matthias Mayer (Österreich) fehlten nur 0,26 Sekunden. „Das wurmt mich ein bisschen“, sagte Dreßen, „sonst war das eine geile Fahrt.“Es war sogar die beste eines Deutschen bei der Abfahrt im Berner Oberland seit Platz zwei von Markus Wasmeier 1992.

„Ich bin zufrieden“, sagte Dreßen später versöhnt und lächelte. „Vor der Kulisse zu fahren, das ist einfach nur noch geil.“Und: In Feuz, Aksel Lund Svindal (Norwegen) sowie Mayer und Hannes Reichelt (Österreich) lagen ausnahmslo­s Athleten vor ihm, die bei Olympia oder einer WM schon einmal mit Gold dekoriert worden sind. Feuz hat den Deutschen deshalb für Südkorea auf der Rechnung. „Er fährt richtig konstant, und das in dem jungen Alter, das ist sehr fasziniere­nd“, sagte der Wengen-Sieger.

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FOTO: DPA Akrobat schön: Thomas Dreßen überrascht­e in Wengen.

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