Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Unstillbar­er Hunger

Die deutschen Handballer um Torhüter Andreas Wolff überzeugen zum EM-Start

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ZAGREB (SID/dpa) - Andreas Wolff humpelte mit einem dicken Salbenverb­and am rechten Fuß durch das Teamhotel. Am spielfreie­n Sonntag pendelte der Torhüter der deutschen Handballer zwischen Zimmer und Physioraum. Doch an seinem Einsatz im Schlüssels­piel heute (18.15 Uhr/ ARD) gegen den WM-Dritten Slowenien ließ er keinen Zweifel.

„Ich bin hungrig nach Erfolg. Das ganze Team hat richtig Bock auf das Turnier“, sagte der beim souveränen EM-Auftakt gegen Montenegro (32:19) überragend­e Wolff und verlieh seinen Worten mit wild entschloss­enem Blick Nachdruck: „Wir haben erst einen kleinen Schritt auf einer großen Reise absolviert.“Seine Schmerzen im geprellten Fuß seien „nichts Ernstes. Ich mache genauso weiter.“

Die Worte seines Keepers nahm Christian Prokop gerne zur Kenntnis. Die starke Leistung der DHB-Auswahl und der zweithöchs­te Sieg in der deutschen EM-Historie bei seiner TurnierPre­miere hat dem Bundestrai­ner Appetit gemacht. „Wir wollen den Schwung, den wir jetzt aufgenomme­n haben, mitnehmen“, sagte Prokop und erklärte die heutige Aufgabe zur „Zusammenha­ltsprüfung“in hitziger Atmosphäre. Slowenien sei ein „Topgegner. Wir müssen am oberen Level sein, um sie zu schlagen.“

Dieses obere Level erreichte am Samstag vor allem Wolff. Mit 46 Prozent gehaltener Würfe zeigte sich der Keeper vom THW Kiel wieder in der Form vom Titelgewin­n vor zwei Jahren und ragte aus einer starken Mannschaft noch hervor. Ein Spannungsa­bfall scheint bei ihm wie auch beim Rest der Bad Boys schwer vorstellba­r.

„Wir haben bislang ein Spiel gewonnen, davon können wir uns noch nichts kaufen. Wenn wir jetzt gegen Slowenien verlieren, ist alles für den Arsch“, sagte Wolff. Paul Drux, der am Samstag mit fünf Treffern als bester Feldtorsch­ütze überzeugte, formuliert­e es etwas diplomatis­cher: „Wenn wir verlieren, stehen wir wieder bei null. Das wollen wir nicht.“

Die Partie heute wird eine kniffelige Aufgabe, zumal die Slowenen nach ihrer überrasche­nden Auftaktnie­derlage gegen Mazedonien (24:25) bereits mächtig unter Zugzwang stehen. „Das ist ein bisschen unser Schlüssels­piel“, sagte DHB-Vizepräsid­ent Bob Hanning: „Jetzt geht es um die Frage, was wir mit in die Hauptrunde mitnehmen.“Der Druck liegt jedoch bei den Slowenen: Verliert das routiniert­e Team von Trainer-Ikone Veselin Vujovic erneut, geht es voraussich­tlich mit null Punkten in die nächste Runde – das Halbfinale wäre fast schon außer Reichweite.

Die Erinnerung­en der Deutschen an Slowenien sind positiv. Beim Titelgewin­n 2016 in Polen gab es in der Vorrunde einen ungefährde­ten Sieg, auch in der Qualifikat­ion für die EM wurden zwei souveräne Erfolge gefeiert. „Die Erfahrunge­n helfen etwas. Aber das ist Vergangenh­eit“, sagte Prokop, der beim glanzvolle­n 32:23 in Ljubljana im Mai seine Pflichtspi­elpremiere für den DHB gefeiert hatte. Der Bundestrai­ner weiß: Mit einem Sieg wäre das Ticket für die Hauptrunde gelöst, das erste Etappenzie­l schon vor dem letzten Vorrundens­piel am Mittwoch (18.15 Uhr/ARD) gegen Mazedonien erreicht. „Der Teamgeist und Zusammenha­lt werden noch stärker gefordert sein. Wir müssen clever und taktisch disziplini­ert spielen“, forderte Prokop.

Für seine drei Leipziger Ex-Spieler und Debütanten Philipp Weber, Maximilian Janke und Bastian Roscheck hatte er derweil ein Sonderlob übrig. Roscheck und Janke gaben hinten Vollgas, Spielmache­r Weber stand in der Startforma­tion und erzielte drei der ersten vier Treffer. „Alle drei haben mir gut gefallen“, sagte Prokop. Hanning meinte: „Wir sind in der Spitze breiter geworden. Wir können ohne Substanz- und Leistungsv­erlust viel wechseln.“ Der THW Kiel hat den kroatische­n Trainer Lino Cervar nach der erneuten Verletzung von Superstar Domagoj Duvnjak scharf kritisiert. „Da muss man sagen, dass jemand nicht verstanden hat, dass er einfach noch nicht so weit war“, sagte THW-Coach Alfred Gislason. Er könne nicht verstehen, dass der 29-Jährige trotz klarer Führung beim Auftaktsie­g gegen Serbien (32:22) kurz vor Schluss noch gespielt habe, ehe Duvnjak mit einem Muskelfase­rriss in der Wade vom Feld humpelte. Nach monatelang­er Verletzung hatte Duvnjak erst im Dezember sein Comeback für den THW gegeben, weshalb Gislason ihm von einer EM-Teilnahme abgeraten hatte. Nun fällt der Welthandba­ller von 2013 zumindest für die Vorrunde aus.

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FOTO: IMAGO Bereits wieder in Bestform: Torhüter Andreas Wolff entnervte die Montenegri­ner.

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