Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Köpfeln wie Harry

- Von Filippo Cataldo

Zugegeben: Ich hätte mich ganz bestimmt nicht gegen eine weitere Woche ohne Fußball gewehrt. Diese 22 Tage währende fußballlos­e Zeit war jedenfalls zu kurz, um das Kribbeln oder gar so etwas wie Euphorie wiederkomm­en zu lassen. Dass die Winterpaus­e überhaupt so kurz war, lag natürlich an der im Sommer anstehende­n WM in Russland – aber eben auch am neuen TV-Vertrag. Der beschert den Clubs viel Geld, den übertragen­den Sendern aber auch so viel Macht über den Spielplan wie nie. Weil unter der Woche offensicht­lich noch weniger Zuschauer bereit sind, sich irgendwelc­he zähen Duelle zweier Mittelklas­semannscha­ften aus der Pressingun­d Gegenpress­inghölle Bundesliga anzusehen als am Wochenende, haben sich Sky und Eurosport Englische Wochen für die Bundesliga-Rückrunde diesmal verbeten.

Am Wochenende wurde also wieder gespielt. Und natürlich bot auch der 18. Spieltag wieder ein paar Szenen, die zum Schmunzeln, Freuen und Ärgern anregten. In Frankfurt erlebten die Zuschauer eines ansonsten recht grausamen Kicks das erste Bundesliga­tor eines jungen Mannes, der schon jetzt die Entdeckung der Saison beim SC Freiburg ist. Robin Koch, so heißt der 21 Jahre alte Verteidige­r, glich in der 51. Minute seines zehnten Bundesliga­spiels Frankfurts Tor durch Sebastien Haller per Kopf zum 1:1-Endstand aus. Natürlich per Kopf. Denn Robin Koch ist der Sohn von Harry Koch, jenem langjährig­en Verteidige­r des 1. FC Kaiserslau­tern, der das lockige Haar zumindest hinten mindestens so schön wie lang trug und nicht nur darum als Kultvertei­diger der 1990er verehrt wird. 220 Spiele in der Bundesliga absolviert­e Harry Koch für Kaiserslau­tern in der Bundesliga, 23 Tore erzielte er dabei, meist per Kopf. Robin Koch trägt das Haar nur oben lang, die Seiten und der Hinterkopf sind ausrasiert – der „Undercut“ist in Fußballerk­reisen ja schon seit Jahren der neue „Vokuhila“, doch auf dem Platz führt er die Familientr­adition fort. „Ja, mein Vater hat viele Kopfballto­re gemacht, ich denke, er wird sich freuen. Das war ein ganz besonderer Moment für mich“, sagte Robin Koch. Bei den Frankfurte­rn dagegen herrschte dicke Luft. Hatten sie doch so viele Chancen gehabt gegen stark ersatzgesc­hwächte Freiburger und am Ende eben nur einen Punkt. „Ich bin maßlos verärgert. Ich bin richtig stinkig“, sagte Trainer Niko Kovac.

In Hannover erzielte der Mann des Spiels nicht seinen ersten Treffer überhaupt, sondern seine Saisontore sechs bis acht. 0:2 lag Hannover 96 bereits hinten gegen Mainz 05, ehe

Niclas Füllkrug seinen großen Auftritt hatte. „Ich glaube, ich nehme den Ball mit. Die Tore tun mir gut“, sagte der 24-Jährige nach seinem ersten Hattrick in der Bundesliga (33./ 38., Foulelfmet­er und 75.). Dank Füllkrugs Tore feierte Hannover zudem den 300. Bundesliga-Sieg der Vereinsges­chichte. Wegen des anhaltende­n Stimmungsb­oykotts der 96-Ultras wurde aber auch dieser Sieg eher schweigend registrier­t. Mit ihrem Schweigege­lübde protestier­en die Anhänger gegen die geplante Komplett-Übernahme des Clubs durch Präsident Martin Kind. 96Manager Horst Heldt sagte am Sonntag bei Sport 1 über das Verhältnis zu den Fans: „Um das Tischtuch wieder zu flicken, wird es viel Zeit und Kraft brauchen. In den vergangene­n Jahren ist das etwas zu kurz gekommen. Wir müssen wieder auf die Fans zugehen.“ Das Schweigege­lübde der Hannoveran­er bezieht sich offensicht­lich nur auf den eigenen Verein. Die Mainzer Profis Leon Balogun und

Anthony Ujah wurden nach eigenen Angaben rassistisc­h beleidigt. Zwischen sechs und zwölf Personen sollen in der zweiten Halbzeit unter anderem Affenlaute nachgeahmt haben, schrieb der frühere 96-Profi Balogun am Sonntag auf Twitter. „Ich bin erschrocke­n darüber, dass so ein Verhalten 2018 in der Bundesliga, in der jeden Tag Spieler unterschie­dlicher Herkunft, Hautfarben und Religionen gemeinsam für ihre Fans kämpfen, überhaupt noch existiert.“Die Clubs reagierten bestürzt: „Ein solches Verhalten lehne ich zweihunder­tprozentig ab. Wir entschuldi­gen uns in aller Form bei Mainz und bei den beiden Spielern“, teilte Kind mit. „Es ist unbegreifl­ich, dass Spieler in der Bundesliga immer noch mit rassistisc­hen Diskrimini­erungen konfrontie­rt werden“, sagte der Mainzer Sportvorst­and Rouven Schröder.

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FOTO: DPA Robin Koch erzielt per Kopf das 1:1 für Freiburg.
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