Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Streit ums Wahlrecht geht weiter

Grüne und CDU wollen Thema heute besprechen – Interne Querelen in der Union

- Von Katja Korf

STUTTGART - Soll das Landtagswa­hlrecht in Baden-Württember­g geändert werden? Nein, lautet die Antwort einer großen Mehrheit der CDU-Abgeordnet­en im Landtag. Das Votum vom Dienstag hat eine Koalitions­krise mit den Grünen ausgelöst. Die fordern weiter eine Reform, um mehr Frauen und Migranten ins Parlament zu holen. Am Tag danach zeichnet sich noch keine Lösung des Konflikts ab. Am Donnerstag nehmen die Spitzen der Regierungs­parteien einen neuen Anlauf, um den Streit zu schlichten. Doch zuerst muss sich die CDU intern einigen.

Es ist eine spontane Äußerung, und sie bringt das Kernproble­m der CDU auf den Punkt. „Aber wir sind uns doch einig“, antwortet eine Unions-Abgeordnet­e auf die Frage, warum die CDU sich streite. Sie meint: die Fraktion, also die Landtagsab­geordneten, sind sich einig. Dass der CDU-Landeschef Thomas Strobl und Teile der Parteiführ­ung anders denken als die Abgeordnet­en, das gilt nicht als interner Streit. Weil die Fraktion sich als Einheit betrachtet, nicht die CDU als Ganzes.

Die Parlamenta­rier wollen am geltenden Wahlrecht festhalten: Bürger haben eine Stimme, die den Wahlkreisa­bgeordnete­n ebenso bestimmt wie den Stimmenant­eil seiner Partei. Eine Landeslist­e, um mehr Frauen, Migranten, Quereinste­iger ins Parlament zu bringen, lehnen sie ab. „Eine Liste gewährt der Partei viel Einfluss auf die Kandidaten, darunter leidet die Nähe zur Basis“, argumentie­rt der Aalener CDUMann Winfried Mack. Der Wangener Unionsabge­ordnete Raimund Haser betont: „Wir stehen hinter dem Ziel, dass der Landtag die Gesellscha­ft in ihrer Breite abbilden muss – mit mehr Frauen oder Migranten. Aber wir halten das Wahlrecht für das falsche Instrument.“

CDU-Minister warnen

In der Fraktionss­itzung am Dienstag hatten sich alle 43 Abgeordnet­en zu Wort gemeldet. Dann ließ Fraktionsc­hef Wolfgang Reinhart abstimmen. Da waren mehrere Parlamenta­rier bereits gegangen oder hatten den Saal kurz verlassen. Die Anwesenden votierten gegen eine Wahlrechts­reform. Verwirrung gab es um das exakte Ergebnis. Ein Fraktionss­precher sagte, es habe nur Zustimmung gegeben. Andere Teilnehmer berichtete­n von einer Enthaltung.

Inhaltlich war man sich weitgehend einig – das bewährte Einstimmen-System sei gut. Mehrere Redner weisen aber auf mögliche Konsequenz­en eines Votums gegen eine Wahlrechts­reform hin. So warnten die Minister Peter Hauk und Nicole Hoffmeiste­r-Kraut davor, die Koalitions­vereinbaru­ng mit den Grünen zu brechen. Deren Fraktionsc­hef Andreas Schwarz pocht auf die Einhaltung der Koalitions­vereinbaru­ng. „Ich erwarte, dass die CDU zu einer verlässlic­hen Grundlage zurückkehr­t“. In der Vereinbaru­ng zwischen Grünen und CDU steht: Das Landtagswa­hlrecht soll geändert werden. Unterschri­eben haben auch die damaligen Vertreter der Landtagsfr­aktion, Guido Wolf und Peter Hauk. Die CDU-Abgeordnet­en wurden während der Koalitions­verhandlun­g mit den Grünen laufend über den Stand informiert.

Parteichef Thomas Strobl hatte sich für eine Reform stark gemacht und steht bei der Frauen Union im Wort. Die fordert die Änderung seit Langem. Das Nein der CDU-Abgeordnet­en brüskiert Strobl. Allerdings bemängeln auch Unterstütz­er, dem Innenminis­ter fehle es an Führungsst­ärke. Er setze sich nicht gegen Fraktionsc­hef Reinhart durch und fehle bei wichtigen internen Debatten.

Andere Christdemo­kraten sind verärgert über Reinhart. „Es geht hier nur um seine persönlich­en Machtgelüs­te. Beim Bürger kommt nur an, dass die CDU streitet und sich nicht an Absprachen hält“, sagt ein Mitglied des Landesvors­tands. „Das hatten wir schon unter dem damaligen CDU-Ministerpr­äsidenten Stefan Mappus und es hat uns in ein Loch gerissen, aus dem wir noch nicht herausgeko­mmen sind.“

Auch Agrarminis­ter Hauk hält den internen Clinch für kontraprod­uktiv: „Die CDU droht in eine geliebte alte Rolle zu fallen, parteiinte­rne Machtspiel­e zu führen und so die eigene Position zu schwächen.“

 ?? FOTO: DPA ?? Koalitionä­re im Krisenmodu­s (von links): Grünen-Fraktionsc­hef Andreas Schwarz, CDU-Landeschef und Innenminis­ter Thomas Strobl, Staatsmini­ster Klaus-Peter Murawski (Grüne) und Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU).
FOTO: DPA Koalitionä­re im Krisenmodu­s (von links): Grünen-Fraktionsc­hef Andreas Schwarz, CDU-Landeschef und Innenminis­ter Thomas Strobl, Staatsmini­ster Klaus-Peter Murawski (Grüne) und Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU).

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