Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Jenseits der Norm
„Wunder“: Julia Roberts in einem Jugendfilm mit liebevoller Botschaft
Am liebsten läuft Auggie mit einem Astronautenhelm auf dem Kopf herum. Das Gesicht des Fünftklässlers ist eine Fratze und andere Kinder ekeln sich vor ihm. Doch in der warmherzigen Verfilmung überzeugt er sie und sich selbst von etwas Besserem.
Julia Roberts hat das berühmteste Lachen Hollywoods: Einmal angeknipst scheint es breit über die Leinwand und verströmt eine Wärme, die seit „Pretty Woman“vor 28 Jahren mit dafür sorgt, dass die Schauspielerin zur ersten Garde Hollywoods zählt. Nach Auftritten in kleineren Filmen und TV-Produktionen ist Roberts mit „Wunder“in den USA nun wieder ein Kinohit gelungen. Das liegt auch daran, dass die Haltung des optimistischen Jugenddramas sehr viel mit diesem Lachen zu tun hat.
Roberts spielt Isabel Pullman, die liebende, aber überbesorgte Mutter von August (Jacob Tremblay, „Raum“), einem Junge der nach Jahren des Unterrichts zu Hause in der fünften Klasse erstmals auf eine öffentliche Schule gehen soll. Wegen eines Gendefekts ist sein Gesicht entstellt, seine Umwelt empfindet ihn als Freak. „Wunder“erzählt die Geschichte eines Schuljahres und wie der intelligente und witzige „Auggie“darum kämpft, Freundschaften zu schließen.
Sicher, diese Handlung klingt nach Zuckerguss und in seinen schlechten Momenten grenzt der Film auch an das, was US-Amerikaner „Inspiration Porn“nennen: Menschen abseits der Norm, die heroisch der Allgemeinheit eine Wertelektion vermitteln, obwohl die Masse sich möglicherweise bereits früher hätte offener zeigen können. Andererseits braucht es schon viel Zynismus, um zu erklären, was an Auggies Haltung „Entscheide dich fürs Nettsein“so falsch sein soll.
Zudem sind Film und Botschaft in guten Händen: Autor Stephen Chbosky hat den erfolgreichen Jugendroman von Raquel J. Palacio mit gutem Tempo und einigem Witz für die große Leinwand angepasst. Er führt auch selbst Regie und besonders die Idee, Teile des Films aus verschiedenen Perspektiven zu erzählen, funktioniert sehr gut. Besonders klug ausgeführt ist dabei ein Teil der Geschichte zu Auggies Schwester Via: Es geht um den Alltag in einer Familie, in der ein Kind besondere Bedürfnisse hat und das andere etwas untergeht. (dpa)
Wunder. Regie: Stephen Chbosky. Mit Jacob Tremblay, Julia Roberts, Owen Wilson. USA 2017. 114 Minuten. Ohne Altersbeschränkung.