Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Pflege belastet Arbeitnehm­er

Jeder Elfte kümmert sich zu Hause um Angehörige

- Von Kara Ballarin

STUTTGART/BERLIN (dpa/tja) - Jeder elfte Arbeitnehm­er in Deutschlan­d pflegt neben seinem Job einen Angehörige­n. Das geht aus einer Studie des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes (DGB) hervor, über die die „Saarbrücke­r Zeitung“berichtet. Pro Woche wenden diese Menschen durchschni­ttlich 13,3 Stunden für die Pflege auf. Trotzdem bekommen demnach nur fünf Prozent der Betroffene­n zusätzlich­e Auszeiten im Job. DGB und Sozialverb­ände fordern daher, pflegende Arbeitnehm­er rechtlich besserzust­ellen und ihnen mehr Unterstütz­ung zu gewähren.

Baden-Württember­g plant unterdesse­n eine Gesetzesän­derung, um Pflegeange­bote in Wohnortnäh­e zu fördern. Kommunen sollen mehr Macht bekommen, um Ansprüche an Pflegekass­en geltend zu machen. Diese zahlen für Pflegeleis­tungen und sollen sich stärker als bisher nach den Plänen der Kommunen richten.

STUTTGART - Derzeit Kultusmini­sterin, demnächst vielleicht Ministerpr­äsidentin? Es mehren sich bei CDU wie bei Grünen die Stimmen, dass Susanne Eisenmann als lachende Dritte aus dem Konflikt zwischen dem CDU-Parteichef und stellvertr­etenden Ministerpr­äsidenten Thomas Strobl und Fraktionsc­hef Wolfgang Reinhart hervorgehe­n könnte. Dass Strobl und Eisenmann nicht nur politische Freunde sind, macht die Frage nach der Spitzenkan­didatur für die Landtagswa­hl 2021 umso pikanter.

Die Reform des Landtagswa­hlrechts war der Anlass für die jüngste Machtprobe von Reinhart gegen Strobl. Für Beobachter ist schon lange klar, dass Reinhart sich als neuen starken Mann der CDU in Stellung bringt. Aus der Rivalität der beiden Spitzenmän­ner könnte Susanne Eisenmann Profit schlagen. Denn, so sagt ein CDU-Kenner, der Strobl nahesteht: „Genügend Potenzial haben die beiden, um sich gegenseiti­g als Spitzenkan­didat zu verhindern.“

Eisenmann ist durch und durch ein politische­r Mensch. 1964 im Stuttgarte­r Stadtteil Cannstatt geboren, trat sie mit 16 Jahren der Jungen Union bei. In Stuttgart studierte sie unter anderem Politikwis­senschafte­n und promoviert­e in Germanisti­k. Von 1991 bis 2005 leitete sie das Büro von Günther Oettinger, der damals Vorsitzend­er der CDU-Fraktion war und später Ministerpr­äsident wurde. Dessen früheren Sprecher Christoph Dahl, der heute die Baden-Württember­g-Stiftung leitet, hat sie geheiratet.

Klar, dass Eisenmann also im sogenannte­n Oettinger-Lager der Landes-CDU zu verorten ist – so wie auch Strobl. Es ist der Teil der Partei, der versucht, die CDU zu modernisie­ren. Teile der Landtagsfr­aktion sehen darin eine Aufgabe konservati­ver Werten – was Eisenmanns Stand bei den Abgeordnet­en erschwert, zumal sie nicht Teil der Fraktion ist.

Ganztagssc­hulen gefördert

Dass sie pragmatisc­h denkt und handelt, hat Eisenmann von 2005 bis 2016 als Schulbürge­rmeisterin von Stuttgart bewiesen. Sie förderte die Ganztagssc­hule, wo sie gewünscht war, und beantragte acht Gemeinscha­ftsschulen – eigentlich eher Projekte, für die Grüne und SPD stehen.

Eisenmann hatte keinen leichten Einstieg als Ministerin. Sie war erst wenige Monate im Amt, als sie verkünden musste, wie massiv die Leistungen baden-württember­gischer Schüler laut einer Studie abgesackt waren. Eisenmann erklärte dies nicht – wie viele ihrer Parteifreu­nde – exklusiv mit Verfehlung­en der grün-roten Vorgängerr­egierung, sondern nahm auch die schwarz-gelbe Landesregi­erung davor in die Pflicht. Sie ging in die Offensive. Seitdem hat sie die Stärkung der Qualität an den Schulen zu ihrem Motto gemacht.

Was das bedeutet, bezeichnen manche als brutales Durchregie­ren. Im Kampf gegen den Lehrermang­el schickt sie etwa Lehrer, die in Behörden abgeordnet sind, in Scharen zurück in die Klassenzim­mer. Als Kultusmini­sterin des früheren Bildungsmu­sterländle­s holt sie sich Rat in Hamburg und Schleswig-Holstein – zwei Länder, die in den Bildungsst­udien massiv zulegten. Sie benennt Probleme im eigenen Haus unverblümt und sucht nach pragmatisc­hen Lösungen. Sie trifft Entscheidu­ngen und trotzt jeder Kritik daran. Das hat ihr auch viel Unmut eingebrach­t – etwa vom Landeselte­rnbeirat, der im Dezember eine Petition startete. „Wir Eltern in Baden-Württember­g sind beunruhigt und verärgert über Inhalt und Stil der Diskussion um gute Schule und Bildungsqu­alität in unserem Land“, heißt es darin.

Lange schon brodelt es auch beim grünen Koalitions­partner. Dass Eisenmann das „Schreiben nach Gehör“abgeschaff­t hat, stieß schon auf offenes Grummeln. Zum verhaltene­n Aufstand kam es aber erst jüngst, als sie den Schulversu­ch „Grundschul­e ohne Noten“per Federstric­h beendete. „Die Kultusmini­sterin argumentie­rt nicht sachlich“, sagt die GrünenBild­ungsexpert­in Sandra Boser.

Was Anhänger wie Kritiker Eisenmanns ihr gleicherma­ßen bescheinig­en, ist Durchsetzu­ngskraft. Also das, was Strobl im Umgang mit Reinhart und der Fraktion vermissen lässt. So sorgte sie etwa für einen Paukenschl­ag, als der Landeshaus­halt für 2017 verhandelt wurde. Eisenmann sah zu wenig Geld für ihr Ressort – und kündigte öffentlich an, Inklusion und Informatik­unterricht zu stoppen. Sie bekam zwar einen Rüffel von Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne), aber auch deutlich mehr Geld.

Als eitel gilt sie nicht

Eltern und Lehrer berichten, dass sie mitunter barsch auf Kritik reagiert, persönlich­e Eitelkeit hat ihr aber noch niemand vorgeworfe­n. Damit unterschei­det sie sich von Reinhart, denn dies gilt Beobachter­n als die größte Schwäche des Fraktionsc­hefs. Dass sie als potenziell­e CDU-Spitzenkan­didatin gehandelt wird, dürfte Eisenmann dennoch schmeichel­n, auch wenn sie sich an solchen Gedankensp­ielen nicht beteiligt.

Eisenmanns Spitzenkan­didatur wäre ein kluger Schachzug der CDU. Sie wäre der Beweis, dass Frauen in der Partei etwas werden können, vielleicht sogar die erste Ministerpr­äsidentin in der Geschichte des Landes. Das könnte auch die Grünen ins Schwitzen bringen, selbst wenn der beliebte Ministerpr­äsident Kretschman­n nochmal antreten sollte. Die Freundscha­ft zwischen Strobl und „Nanni“wäre dann wohl erledigt.

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FOTO: RASEMANN Susanne Eisenmann

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