Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Fremdenhas­s wächst im italienisc­hen Wahlkampf

- Von Annette Reuther, Rom

Vor genau einem Jahr hat Italien ein umstritten­es Flüchtling­sabkommen mit Libyen eingeleite­t. Die Bilder von Booten voller Migranten mit angsterfül­lten Gesichtern sind spätestens seit dem Sommer seltener geworden. Doch für viele Italiener gibt es immer noch viel zu viele von „denen“– also von vermeintli­ch „illegalen“Einwandere­rn vor allem aus Afrika.

Diese Angst – oft ist es Ablehnung – hat nun mitten im Wahlkampf ein neues Gesicht bekommen: Luca Traini, ein Mann der in der Kleinstadt Macerata in der Region Marken aus dem Auto auf mehrere Migranten geschossen hat – aus „Rassenhass“, so die Anklage. Der Fall hat dem Thema Migration neue Brisanz verschafft. Es handelt sich nicht um einen Einzelfall, um einen „Geistesges­törten“, wie Ex-Ministerpr­äsident Silvio Berlusconi voll im Wahlkampfm­odus erklärte. Die Atmosphäre ist einen Monat vor der Wahl am 4. März vergiftet, die katholisch­e Kirche hat vor Angstmache­rei und Rassismus gewarnt. „Fast alle bestätigen, dass Einwanderu­ng neben der wirtschaft­lichen Lage das wichtigste oder zweitwicht­igste Thema ist“, sagt Matteo Villa vom Think Tank ISPI. Der Versuch der sozialdemo­kratischen Regierung, das Problem nach dem Sinken der Ankunftsza­hlen vom Radar zu nehmen, sei gescheiter­t. „Es reicht ein kleiner Anstieg der Ankünfte, um wieder von einer Krise zu sprechen.“

Nach einer Umfrage für die Zeitung „La Repubblica“geben 40 Prozent an, dass sie Migranten für die öffentlich­e Sicherheit als Gefahr sehen. Italien ist alleine wegen der geografisc­hen Lage am Mittelmeer von der Migrations­krise betroffen. Bei einer Migrations­konferenz wurde am Dienstag mit afrikanisc­hen Transitlän­dern beraten, wie es gelingen kann, dass der Zustrom nicht wieder zunimmt. Der Großteil der im Mittelmeer geretteten Migranten wird nach Italien gebracht. 2017 waren das mehr als 119 000. Aber zum Vergleich: In Deutschlan­d wurden im vergangene­n Jahr mehr als 186 600 neu ankommende Flüchtling­e registrier­t.

Schütze kandidiert­e für Lega Nord

Es hilft wenig, wenn der italienisc­he Außenminis­ter Angelino Alfano auf der Migrations­konferenz vor Populismus warnt – und gleichzeit­ig vor IS-Kämpfern, die per Flüchtling­sboot nach Italien gelangen könnten. Im Gegenteil, er verschafft wohl dem politische­n Gegner Zulauf. Auf der Welle der Ausländerf­eindlichke­it reitet vor allem Lega-Chef Matteo Salvini. Die Partei, die einst nur im reichen Norden stark war, weil sie die Abspaltung vom armen Süden wollte, hat sich unter Salvinis Führung Fremdenhas­s auf die Fahnen geschriebe­n. So will sie auch im Süden punkten. „Italiener zuerst“heißt Salvinis Motto – in Anlehnung an das Motto seines Vorbilds Donald Trump „America First“. Salvini ließ offensicht­lich kalt, dass Traini bei den Kommunalwa­hlen im vergangene­n Jahr für seine Partei kandidiert hatte. In dem aufgeheizt­en Klima weiß man nicht, ob das der Lega sogar zugute kommt.

Es wird mit falschen Zahlen jongliert, übertriebe­n, und jede Straftat eines Migranten wird zum Politikum. So spricht Berlusconi stets von mehr als 600 000 „Illegalen“in Italien. Das sind aber die Zahlen aller angekommen­en Migranten seit 2013. Die Zahl derer, die wirklich ohne Aufenthalt­sgenehmigu­ng im Land sind, ist geringer, sagte Experte Villa. (dpa)

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