Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Finanzmärk­te in Panik

Aktien-Crash an der US-Börse zieht Märkte mit nach unten - Dow Jones erholt sich

- Von Hannes Breustedt und Michael Donhauser

NEW YORK/WASHINGTON (dpa) Die Börse zählt zu den Lieblingst­hemen von Donald Trump – kein Wunder, seine Präsidents­chaft war bislang von steten Kursanstie­gen begleitet. „Der Aktienmark­t hat einen Rekord nach dem anderen geknackt“, zog Trump jüngst stolz eine Zwischenbi­lanz seiner Amtszeit. Sein erstes Jahr habe acht Billionen an Börsenwert geschaffen, von dem alle Amerikaner profitiert­en. Am Montag dann aber das böse Erwachen: Der US-Aktienmark­t stürzt ab und zieht die internatio­nalen Börsen mit. Ist die Trump-Rallye vorbei?

Drei Uhr nachmittag­s Ortszeit, New York, es herrscht Ausnahmezu­stand an der Wall Street. Der USLeitinde­x Dow Jones büßt innerhalb von 15 Minuten mehr als 800 Punkte ein. In der Spitze verliert er am Montag fast 1600 Punkte – soviel wie nie zuvor an einem Tag. Am Ende geht es glimpflich­er aus, der Dow schließt rund 1100 Punkte schwächer, was einem Rückgang um 4,6 Prozent entspricht. Zuletzt ging es 2011 so bergab. „Das, was heute passiert, darf als Crash bezeichnet werden“, sagt Experte Thomas Altmann vom Investment­haus QC Partners.

Die Nervosität erfasst die internatio­nalen Börsen. In Japan sackt der Nikkei-Index für 225 führende Werte am Dienstag in den ersten 15 Handelsmin­uten um fast 1000 Punkte ab. Auch in China, Hongkong und Australien gibt es deutliche Kursverlus­te. Die Anleger am deutschen Aktienmark­t haben angesichts der Turbulenze­n endgültig kalte Füße bekommen. Zwar blieb der befürchtet­e freie Fall aus. Der deutsche Leitindex Dax beschleuni­gte seine jüngste Talfahrt aber und schloss am Dienstag 2,32 Prozent tiefer mit 12 392,66 Punkten.

In den USA ist der erste Handelstag nach dem Crash über weite Strecken eine nervöse Zitterpart­ie mit heftigen Kursaussch­lägen. Zum Start gibt der Dow weitere rund 500 Punkte ab, danach kämpft sich der Index aber zurück und pendelt zwischen Gewinn und Verlust. Im späten Handel kommt es dann zu einem Comeback, so dass letztlich sogar ein Kursplus von 2,3 Prozent über die Ziellinie gerettet werden kann.

Händler und Analysten tun sich zunächst schwer, die genauen Gründe zu benennen. „Viele Anleger sind in regelrecht­e Panik verfallen“, meint Altmann. „Grund ist ein Mix aus zuvor überteuert­en Kursen in den USA, einer zu großen Euphorie und plötzlich steigenden Zinsen“, sagt Daniel Saurenz vom Analysehau­s Feingold Research. In Anlehnung an den „Black Monday“genannten Börsen-Crash von 1987 – damals war der Dow um 23 Prozent gefallen – spricht er von einem „dunkelgrau­en Montag“.

Bereits am Freitag hatte der USArbeitsm­arktberich­t die Stimmung der Anleger kippen lassen. Das trotz boomender Wirtschaft bislang verhaltene Lohnwachst­um fiel stärker als erwartet aus, was einerseits schön für die Amerikaner ist, anderersei­ts aber die Inflation in Gang bringen könnte. Das würde die Notenbank zwingen, die Leitzinsen schneller als bisher geplant zu erhöhen, um die Preissteig­erung zu dämpfen. Steigende Zinsen wiederum gefallen Investoren nicht – sie verteuern Geld und Kredite und hemmen so das Wachstum.

Zinsangst und Automatisi­erung

Doch taugt diese Zinsangst allein als Erklärung für den Absturz? „Natürlich werden bei diesem Kollaps wieder viele Fragen zum automatisi­erten Handel aufgeworfe­n“, sagt Craig Erlam vom Online-Broker Oanda. Ein Großteil der Finanzmärk­te ist inzwischen durch Computer-Programme gesteuert und quasi auf Autopilot. Werden bestimmte Kursmarken durchbroch­en, werfen die AlgoTrader weitere Papiere auf den Markt und verstärken so den Kursverfal­l. Das Flash Crash genannte Phänomen sieht Erlam auch diesmal am Werk.

Ist die Korrektur mit dem Kurssturz abgeschlos­sen? Die Finanzprof­is halten sich bedeckt. „Die RiskOff-Stimmung könnte anhalten“, sagt Win Thin vom Geldhaus Brown Brothers Harriman. Fest steht: Präsident Trump würde die Angeberei über „seinen“Aktien-Aufschwung dann schmerzhaf­t auf die Füße fallen. Denn er hat die steigenden Aktien bislang stets voll und ganz als sein eigenes Werk und als Gradmesser für seine politische Leistung verkauft. Die Börsenkurs­e seien seine eigentlich­en Meinungsum­fragen, argumentie­rte er: „Sie sehen ja, was mit den Aktienmärk­ten passiert. Die Leute erkennen an, was wir tun.“

Tatsächlic­h konnte jeder, der unter Wirtschaft nicht nur die Eckkneipe nebenan versteht, sich an drei Fingern abzählen: Ein Präsident, der ein Jahr im Amt ist, kann solche Ausschläge nicht bewirkt haben. Eine Steuerrefo­rm, die erst ein paar Wochen alt ist, kann die Werte der USUnterneh­men nicht wie von Zauberhand um acht Billionen Dollar steigern. Dass Trump die Kursrallye als persönlich­es Verdienst ansieht, könnte nun zum Bumerang werden. „Wenn Du den Anstieg für Dich reklamiers­t, gehört Dir auch der Fall“, schrieb Barack Obamas Berater Jay Carney am Montag auf Twitter.

Zudem sei der Aktienmark­t ohnehin nicht mit dem Zustand der Wirtschaft gleichzuse­tzen. Deshalb sei in der vorigen Regierung auch nie mit den Aktienmärk­ten geprahlt worden, so Carney. Doch auch die Töne aus dem Weißen Haus fielen am Montag plötzlich ungewohnt sachlich aus. Der Fokus liege auf den langfristi­gen wirtschaft­lichen Fundamenta­ldaten, die weiterhin „außergewöh­nlich stark“seien, sagte Sprecherin Sarah Sanders. Auch Trump selbst verkniff sich Verbalgetö­se, wie stark seine Politik auf die Finanzmärk­te eingewirkt habe, diesmal weitgehend. Bei einer Rede in Ohio sprach der Präsident nur noch über Steuern und ließ Anhänger aufsagen, was sie alles mit den Ersparniss­en, die er ihnen gebracht habe, anstellen wollen.

Angst wegen Steuerrefo­rm

Möglicherw­eise ist Trump mehr für die Kurskorrek­tur an den Börsen, als für ihren Anstieg verantwort­lich. Ein Grund für die Angst vor höherer Inflation und schnell steigenden Zinsen ist seine Steuerrefo­rm, die die Wirtschaft in Zeiten von Vollbeschä­ftigung und brummender Konjunktur noch weiter befeuern soll. Und erst jüngst hatte Trump auf einen starken Dollar gepocht. Auch dies müsste wohl durch steigende Zinsen eingelöst werden. Das könnte vor allem für Jerome Powell, Trumps neuen Mann an der Spitze der USNotenban­k, zur Herausford­erung werden. Am Montag übernahm er den Job von der als extrem vorsichtig geltenden Janet Yellen. „So dürfte er sich seinen Amtsantrit­t nicht vorgestell­t haben“, sagt Experte Erlam.

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FOTO: DPA Ein Händler an der New Yorker Börse. Der US-Leitindex Dow Jones Industrial sackte am Montag um knapp 1600 Zähler ab und damit um so viele Punkte wie nie zuvor an einem einzelnen Handelstag.

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