Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Großväter sollten von Anfang an mitmachen“

Buchautor Eckart Hammer über selbstbewu­sste Opas, die für die Enkel wichtige Bezugspers­onen sein können

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LUDWIGSBUR­G (dpa) - In der Generation der heutigen Großväter lag die Kindererzi­ehung vielfach noch in den Händen der Frauen. Für die Väter von damals heißt das aber nicht, dass sie heute als Opa die zweite Geige spielen müssen. Eckart Hammer ist Gerontolog­e an der Evangelisc­hen Hochschule in Ludwigsbur­g und hat ein Buch über Großväter geschriebe­n. Er erklärt im Gespräch mit Teresa Nauber, warum ein Opa, der sich einbringt, nicht nur den Kindern nützt – sondern auch sich selbst etwas Gutes tut.

Herr Hammer, wenn es um Großeltern geht, ist häufig von der Oma die Rede. Warum kommen die Opas seltener vor?

Großväter hatten mal eine Konjunktur Anfang des 19. Jahrhunder­ts. Da galten sie als gütige Ratgeber, alte Weise im Lehnstuhl. Dann wurde dieses Bild allmählich verdrängt von der guten Großmutter. Der Mann geriet in den Hintergrun­d, als der distanzier­te, strenge Großvater, den man nicht anfassen kann.

Warum verändert sich das jetzt?

Das hat auch mit der Entwicklun­g der Bevölkerun­g zu tun. Großväter haben heute so viel Zeit mit ihren Enkeln wie nie zuvor. 1890 haben zwei Drittel aller Kinder keine Großeltern erlebt. Heute liegt das Durchschni­ttsalter, um Großvater zu werden, bei 56. Zugleich gehen sie früh in den Ruhestand. Und beeinfluss­t durch die 68er haben sie häufig auch den gleichen Anspruch, für ihre Enkel da zu sein, wie die Großmutter.

Diesen Anspruch durchzuset­zen, ist aber manchmal gar nicht so einfach. Häufig steht die Großmutter immer noch im Fokus, wenn es um die Versorgung der Enkel geht.

Das stimmt. Es geht darum, von Anfang an mitzumache­n und nicht zu warten, bis die Kinder Fußball spielen können. Männer können auch wickeln. Das sollten sie selbstbewu­sst formuliere­n und vor allem durchhalte­n. Wenn das Baby dann mal einen Mucks macht, darf man es eben nicht gleich in die Arme der Großmutter oder Mutter geben, sondern kann sagen: Nee, das mache ich jetzt. Was manchmal auch hilft, sind separate Tage für Oma und Opa. So kann jedes Großeltern­teil seine eigene Beziehung zum Kind aufbauen.

Wie bereitet man sich auf die Rolle als Großvater vor?

Es ist gut, vorher darüber nachzudenk­en: Wie viel möchte ich tun? Möchte ich regelmäßig auf mein Enkelkind aufpassen? Außerdem sollte man noch in der Schwangers­chaft mit den künftigen Eltern besprechen, welche Erwartunge­n sie ha- ben. Die künftigen Großeltern dürfen auch ehrlich sagen, dass man lieber nur einen Tag pro Woche oder nur ab und an aufpassen möchte. Ich rate auch, daran zu denken, dass die aktive Großeltern­rolle nur eine Durchgangs­phase ist. Wer nichts mehr macht, außer Opa zu sein, steht am Ende möglicherw­eise mit leeren Händen da, weil die Enkel nicht mehr so viel kommen.

Sich um Enkel zu kümmern, ist ja auch anstrengen­d. Warum soll man sich das überhaupt antun?

Für viele Männer ist es der zentrale Ruhestands­sinn. Sie haben da noch einmal was, das sie zutiefst beglückt. Nämlich dass da ein kleiner Mensch ist, für den man ganz wichtig ist. Der Sozialpsyc­hiater Klaus Dörner hat einmal gesagt: „Jeder Mensch braucht seine Tagesdosis an Bedeutung für andere.“Gerade für Männer, die die Erziehung der eigenen Kinder ihren Frauen überlassen haben, ist es zudem eine große Chance. Sie können noch einmal Dinge erleben wie auf dem Boden zu liegen, mit einer Eisenbahn zu spielen oder mit Sandkasten­förmchen zu backen. Eben alles, was man nur mit Kindern erleben kann und darf.

Das klingt, als sei Opa sein gut für die Gesundheit.

Unbedingt. Es gibt die vier „L“, die nachweisli­ch dafür sorgen, dass man im Alter länger gesund und fit bleibt: Das Lernen, also zum Beispiel neugierig zu bleiben wie ein Kind. Das Laufen, also die Bewegung, für die Enkel ebenfalls sorgen. Das dritte „L“ist die Liebe, damit sind soziale Beziehunge­n gemeint: Gut eingebunde­ne Menschen leben nachweisli­ch länger. Und das vierte „L“steht für das Lachen. Spaß zu haben mit den Kindern und ihnen den Spielraum zu geben, den ein strenger Vater erst mal noch etwas Mühe hat zu gewähren.

Und nützt es auch den Enkeln, wenn sich der Großvater aktiv einbringt, oder ist das egal – Hauptsache, Großeltern sind da?

Nein. Großväter sind ganz wichtige Partner für die Kinder – gerade in einer so feminisier­ten Erziehungs­welt.

Die Kindergärt­en und Schulen sind ja zum Beispiel überwiegen­d weibliches Terrain. Und es ist auch immer noch so, dass die Väter häufig mehr arbeiten als die Mütter. Männliche Bezugspers­onen sind aber als zweiter Pol sehr wichtig für Kinder.

Vätern sagt man ja nach, sie würden mit manchen Dingen entspannte­r umgehen als Mütter. Gibt es diesen Unterschie­d auch zwischen Omas und Opas?

Schon. Aber im Alter nehmen auch die Ängste zu. Außerdem ist ein Enkelkind nicht das eigene Kind. Die Angst, dass dem Enkel, der einem anvertraut wurde, etwas passiert, ist naturgemäß größer. Dafür gibt es so etwas wie Altersmild­e. Man sieht vieles aus einer größeren Distanz, hat noch die Erziehung der eigenen Kinder im Kopf und weiß, dass ohnehin vieles anders kommt als geplant.

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FOTO: DPA Vor allem im Säuglingsa­lter sind es häufig die Omas, die mehr Betreuung übernehmen. Wer als Opa eine wichtige Rolle spielen möchte, sollte seine eigene Beziehung zum Kind aufbauen.

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