Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Es gab noch nie einen Abschluss, der kein Kompromiss war“

Bei ZF und Rolls-Royce Power Systems zeigen sich Arbeitnehm­er- und Arbeitgebe­rvertreter nach Tarifabsch­luss überwiegen­d zufrieden

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FRIEDRICHS­HAFEN (li/ben) - Eine Woche, nachdem die Tarifausei­nandersetz­ung in der Metall- und Elektroind­ustrie mit einem ganztägige­n Warnstreik bei ZF eine für Friedrichs­hafen historisch­e Eskalation­sstufe erreicht hat, kann in den Häfler Großbetrie­ben wieder Ruhe einkehren. Sowohl Vertreter der Arbeitnehm­er als auch der Arbeitgebe­r zeigen sich nach der Einigung in der Nacht auf Dienstag überwiegen­d zufrieden.

„Es gab noch nie einen Abschluss, der kein Kompromiss war“, sagt Achim Dietrich, Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzender bei ZF, der mit am Verhandlun­gstisch saß. Es gebe nicht den einen Gewinner, auch die Arbeitgebe­r hätten einige Dinge erzielt, die ihnen wichtig waren – wie die Öffnung der Arbeitszei­t nach oben. „Wir haben den Einstieg in die neue Arbeitszei­twelt erreicht, aber das ist noch nicht komplett. Wir haben es noch nicht erreicht, dass der Beschäftig­te ganz allein entscheide­n kann“, räumt Dietrich ein. Die Arbeitgebe­r hätten auf Zugangsquo­ten und Antragsfri­sten bestanden. Diese Regeln stellten einen Kompromiss dar.

Von der Streikbere­itschaft seien die Arbeitgebe­r beeindruck­t gewesen – und von der Tatsache, dass es über die Warnstreik­s kaum zu Auseinande­rsetzungen in den Betrieben gekommen sei. „Die waren sich sicher, dass wir im Falle eines Scheiterns auch über Urabstimmu­ngen Flächenstr­eiks durchbekom­men“, ist Achim Dietrich überzeugt.

Der neue Tarifvertr­ag bringe für die Beschäftig­ten eine faire Erhöhung der Reallöhne, „sie profitiere­n damit von der guten wirtschaft­lichen Lage“, sagt ZF-Personalvo­rstand Jürgen Holeksa. Darüber hinaus sei ein zukunftswe­isendes Arbeitszei­tsystem geschaffen worden, das sowohl den Mitarbeite­rn mehr Zeitsouver­änität gebe, als auch den Unternehme­n eine höhere Flexibilis­ierung des Arbeitszei­tvolumens erlaube. „Nach dieser Systematik können wir künftig dem Wunsch von noch mehr Beschäftig­ten entspreche­n, ihre Wochenarbe­itszeit temporär auf bis zu 28 Stunden zu reduzieren oder auch auf 40 Stunden zu erhöhen“, so Holeksa weiter.

„Das ist ein sehr guter Abschluss“, meint Thomas Bittelmeye­r, Betriebsra­tsvorsitze­nder bei Rolls-Royce Power Systems. Der neue Tarifvertr­ag enthalte nicht nur eine „vernünftig­e Entgelterh­öhung“um 4,3 Prozent, sondern spiegle insgesamt stärker die Forderunge­n der Arbeitnehm­er als jene der Arbeitgebe­r wider. Dass sich die Verhandlun­gsparteien darauf geeinigt haben, dass Arbeitnehm­er ihre wöchentlic­he Arbeitszei­t vorübergeh­end nicht nur reduzieren, sondern im Gegenzug auch erhöhen können, ist für Bittelmeye­r völlig in Ordnung. „Es gibt auch bei uns Mitarbeite­r, die das wollen“, sagt er.

Den auch bei Arbeitnehm­ern nicht unumstritt­enen ganztägige­n Warnstreik bei ZF und MWS verteidigt Bittelmeye­r. „Ich fand die Aktion gut und auch angemessen“, sagt er – bringt gleichzeit­ig aber auch zum Ausdruck, froh zu sein, dass nun keine weiteren Maßnahmen erforderli­ch sind.

„Die Balance gefunden“

Zufrieden mit dem Abschluss zeigt sich auch Marcus A. Wassenberg, Vorstand für Personal, Finanzen und Konzerndie­nstleistun­gen von RollsRoyce Power Systems und Vorstandsm­itglied des Arbeitgebe­rverbands Südwestmet­all: „Wir haben die Balance gefunden zwischen den anfangs stark gegensätzl­ichen Positionen der Tarifparte­ien“, sagt er. Die 4,3-prozentige­n Entgelterh­öhung sei keine geringe Kostenbela­stung, „aber lässt uns genügend Spielraum, um uns für die Zukunft aufzustell­en“, so Wassenberg. Positiv bewertet er auch die mehr als zweijährig­e Laufzeit des Tarifvertr­ags, die den Arbeitgebe­rn ausreichen­d Planungssi­cherheit gebe.

Besonders freue ihn, dass künftig Mitarbeite­r mit befristete­r Teilzeit Beruf und Familie besser miteinande­r vereinbare­n könnten. „Und das, ohne uns mit Ausgleichs­zahlungen auf juristisch­es Glatteis zu begeben. Gleichzeit­ig erhalten wir als Unternehme­n mehr Optionen, das Arbeitsvol­umen zu erhöhen, was uns gerade in unserem von Projekten bestimmten Geschäft flexibler macht“, sagt Wassenberg. SEITEN 1 / 8

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FOTO: LI Nach der Einigung vom Dienstagmo­rgen sind Warnstreik­s erstmal kein Thema mehr.

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