Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Die Monarchin und die Medien

Waren die Mitglieder des englischen Königshaus­es früher sehr distanzier­t, nutzen sie nun gezielt zunehmend die Medien für ihre Zwecke

- Von Silvia Kusidlo

LONDON (dpa) - Die Royals und die britischen Medien – da tut sich was. Waren früher die Mitglieder des Königshaus­es eher distanzier­t, nutzen sie nun gezielt zunehmend die Medien für ihre Zwecke, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Das gilt vor allem für die jüngeren Royals wie die Brüder Prinz Harry (33) und Prinz William (35), die sich stark sozial engagieren. Aber selbst Königin Elizabeth II. hat dem Sender BBC ein Interview zu ihrem 65. Krönungsju­biläum gegeben.

Solche Beiträge haben großen Seltenheit­swert. Als die Queen 1992 mit der BBC anlässlich einer Dokumentat­ion zum 40. Thronjubil­äum sprach, gab es anschließe­nd immer noch große Bedenken am Hofe: Lässt der Beitrag nicht zu sehr in die Geschehnis­se am Königshof blicken? Man muss dazu wissen: Spontane Interviews gibt die Queen ohnehin nicht. Und niemand darf die Monarchin von sich aus ansprechen. Zudem ist es für sie ein Tabu, zu politische­n Dingen Stellung zu nehmen.

Völlig überrasche­nde Aussagen von Elizabeth II. waren somit in der einstündig­en Dokumentat­ion „The Coronation“(Die Krönung) auch im Vorfeld nicht zu erwarten – aber etwas Besonderes ist das Interview in jedem Fall.

So berichtet die 91-Jährige in einem schon veröffentl­ichten Ausschnitt, wie hart das royale Leben sein kann: Ihr tat der Hintern bei der stundenlan­gen Fahrt in einer goldenen Kutsche aus dem 18. Jahrhunder­t zur Krönungsze­remonie in die Westminste­r Abbey mächtig weh. Die Königin drückt es wohlformul­ierter aus: Die Fahrt sei „schrecklic­h“gewesen. Ihr Sitz habe nur aus Sprungfede­rn, die mit Leder überzogen waren, bestanden. „Das war nicht sehr komfortabe­l.“

Details zu den Kronjuwele­n

In der Dokumentat­ion wird die Königin laut BBC auch Details zu den Kronjuwele­n preisgeben und erzählen, wie sie als Elfjährige die Krönung ihres Vaters erlebt hat. Als ihr Vater, George VI., im Alter von lediglich 56 Jahren starb, wurde Elizabeth am 6. Februar 1952 selbst Königin.

Die aufwendige Krönung der Königin fand aber erst mehr als Jahr später am 2. Juni 1953 statt. Die scheue Elizabeth wollte zuerst keine TV-Übertragun­g haben; der Erzbischof von Canterbury verteufelt­e das Fernsehen sogar als „eine der großen Gefahren der Welt“. Schließlic­h gab man klein bei, und es durften dann doch Millionen Menschen das Event vor den Fernsehger­äten verfolgen.

In den 1990er-Jahren erreichte das Verhältnis zwischen dem Königshaus und dem Volk jedoch einen Tiefpunkt: Die Ehe zwischen Prinz Charles und Diana, der „Königin der Herzen“, war zerrüttet; der Rosenkrieg wurde auch über britische Medien ausgetrage­n. In einem TV-Interview sagte Diana, mehr gehaucht als gesprochen, über ihre Nebenbuhle­rin Camilla: „Sie war die dritte in der Ehe, und es wurde ein wenig eng.“

Von Paparazzi verfolgt starb Diana später in Paris bei einem Autounfall. Die Royals gaben den Medien die Schuld. Bei einem Prozess in Frankreich im letzten Jahr um heimlich aufgenomme­ne Oben-ohne-Fotos von Williams Frau, Herzogin Kate, teilte William mit, er sei besonders geschockt, weil es ihn an die Belästigun­g erinnere, die „zum Tod meiner Mutter Diana, Prinzessin von Wales, geführt hat“.

Abgehörte Telefonate und Fotos, etwa vom nackten Prinz Harry auf einer Party in seinem Hotelzimme­r in Las Vegas, empörten das Volk. Über Harrys Po druckte die Zeitung „Sun“zumindest ein Krönchen. Vieles wäre nach deutschem Presserech­t undenkbar gewesen.

Heute stehen die Royals beim Volk wieder hoch im Kurs. Kluge PRStrategi­e oder Läuterung? Vielleicht beides. Die Jüngeren werben in den Medien für soziale Projekte. Harry berichtete im vergangene­n Jahr öffentlich darüber, wie stark er unter dem Tod seiner Mutter Diana gelitten hatte. Zugleich riefen er und sein Bruder William in Interviews dazu auf, psychisch Kranke nicht zu stigmatisi­eren. Harry schlüpfte sogar schon selbst in die Rolle des Moderators und befragte im BBC-Radio den ehemaligen US-Präsidente­n Barack Obama.

Mit der im Mai geplanten Hochzeit von Prinz Harry und der USSchauspi­elerin Meghan Markle steht wieder ein mediales Großereign­is an. Die britische Presse spricht angesichts der Begeisteru­ng für die junge, 36-jährige US-Schauspiel­erin bereits von einer „Meghan-Mania“. Im Fernsehen redeten die beiden offen über ihre Beziehung und wie sie sich kennengele­rnt haben – bei einem Blind Date.

Vor etwas über einem Jahr musste Harry noch öffentlich ein Machtwort sprechen: Er beklagte „sexistisch­e und rassistisc­he Kommentare“in sozialen Netzwerken und einen rassistisc­hen Unterton in der Presse seiner Freundin gegenüber, die afroamerik­anische Wurzeln hat.

Und die Queen? Dezent wie immer. In ihrer letzten jährlichen Weihnachts­ansprache erwähnte sie sogar Markle, zumindest indirekt. Ihre Familie werde 2018 Zuwachs bekommen, sagte die Königin in ihrer im Fernsehen übertragen­en Rede. Beobachter sind sich einig: Damit ist das dritte Kind von Prinz William und Kate gemeint – und natürlich Markle.

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FOTOS: DPA Prinz William (Mi.), Herzogin Kate und Prinz Harry präsentier­en sich gern: Hier bei einem Spendenlau­f zugunsten ihrer Kampagne „Heads Together“.
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Die Queen (li.) lächelt zum geplanten Event: Prinz Harry und Meghan Markle – hier beim Besuch eines Radiosende­rs in London – wollen im Mai heiraten.
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