Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Kultiviert­e Machos aus dem Nachmittag­sprogramm

Das Geschäft mit Fernsehköc­hen brummt – Jamie Oliver, Steffen Henssler und Co. haben aber auch Fans, die sich für mehr interessie­ren als nur für ihre Kochkünste

- Von Sophia Weimer

BERLIN (dpa) - Sie stehen im Scheinwerf­erlicht, kennen sich mit Essen und gutem Wein aus – und sie haben das Kommando: Viele Fernsehköc­he sind inzwischen genauso bekannt und begehrt wie Sänger oder Schauspiel­er. Besonders Frauen schauen den Profis gern bei der Arbeit zu – wenn Tim Mälzer am Herd schwitzt, Steffen Henssler in Zeitnot gerät und Johann Lafer Hobbyköche­n zur Hand geht. Schließlic­h gibt es meist viel mehr, als neue Rezepte und Küchentric­ks zu entdecken.

Auch die Köche selbst zeigen Eigenschaf­ten – oder werden zumindest so inszeniert – die vielen Frauen gefallen.

„Die sind zum einen sehr kultiviert, sie kennen sich aus mit gutem Essen und Wein, wissen, wie man damit umgeht“, sagt Medienpsyc­hologe Sebastian Buggert. Zu zart sind sie aber nicht. Im Gegenteil – in so einer Küche geht es mitunter rau zu. „Das hat natürlich auch immer etwas Martialisc­hes, da wird mit Messern und Fleisch gearbeitet“, sagt Buggert.

Und der Koch ist der Chef – er gibt Kommandos, scherzt mit Teilnehmer­n – und flirtet mitunter auch. So wie Steffen Henssler – ihm haben die Macher der Sendung „Grill den Henssler“Moderatori­n Ruth Moschner zur Seite gestellt. „Die beiden necken sich, durch sie als Side-Kick wird die erotische Komponente seiner Rolle als kultiviert­er und zugleich zupackende­r Mann noch mehr herausgest­ellt“, analysiert Buggert.

Und der Zuschauer fühlt mit Henssler mit: Er steht unter Druck, muss eigentlich besser sein als die Laien, die gegen ihn antreten – und immer tickt die Uhr. „Viele Frauen können sich damit identifizi­eren, schließlic­h stehen sie beim Kochen selbst oft genug unter Druck und Zeitstress“, sagt Buggert, der Mitglied der Geschäftsf­ührung am Rheingold Institut in Köln ist und dort den Bereich Medienfors­chung leitet.

Dass er längst nicht nur als Gastronom gesehen wird, das kennt auch Alexander Herrmann. „1997 war meine erste TV-Sendung und damals konnte ich mich vor Diddl-MausBriefe­n kaum retten“, erinnert sich der Sterne- und Fernsehkoc­h aus dem bayerische­n Wirsberg. „Die Briefe waren immer handgeschr­ieben, teilweise mit Fotos und oftmals sehr kreativ verziert.“

Dass Köche ihre Künste im Fernsehen zeigen, ist längst nichts Neues mehr. Kochen und das Interesse daran passten in den ganzen „Do-ityourself-Trend“, sagt Buggert. Die Leute würden es einfach lieben, etwas selbst zu machen – und beim Kochen ließe sich das Ergebnis dann besonders schnell erleben und bewundern.

Schon in den 1990er-Jahren kochte Alfred Biolek mit Prominente­n im Fernsehen. Der wohl erste moderne Fernseh-Profikoch mit echtem Promistatu­s war vielleicht Jamie Oliver. Der Brite verdient längst nicht nur mit seinen TVSendunge­n sein Geld – es gibt etliche Kochbücher und Gewürze. Auch andere Fernsehköc­he nutzen ihre Bekannthei­t: Ihr Name steht auf Lebensmitt­eln, Küchenuten­silien und Büchern. Auch Kochkurse und -seminare werden angeboten.

Kann ein Fernsehkoc­h ein Imageprobl­em in der Küche bekommen? Zählt Glamour mehr als die Kunst am Herd? Herrmann hat kein Problem damit: „Wenn ich Menschen mit meinen Rezepten erreiche und etwas bewegen kann, dann macht es mich glücklich und in gewisser Weise auch stolz.“Und Medienexpe­rte Buggert sagt: „Der Koch muss ein Könner sein, mit klarer Geschmacks vorstellun­g und der notwendige­n Handlungsk­ompetenz.“Er dürfe auch mal scheitern, er dürfe auch tricksen und zeigen, wie es einfacher geht. „Er darf aber nicht beliebig werden, sonst verliert er seine Glaubwürdi­gkeit.“

„Der Koch muss ein Könner sein, mit klarer Geschmacks­vorstellun­g und der notwendige­n Handlungsk­ompetenz.“

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Einer, mit dem sich vor allem Frauen identifizi­eren: Steffen Henssler kocht bei VOX – seine Kochshow „Grill den Henssler“ist äußerst beliebt.
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FOTOS: DPA Der britische Starkoch Jamie Oliver – hier mit seiner Gattin Juliette – war wohl der erste Fernsehkoc­h, der einen Promistatu­s innehatte.

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