Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Bundestag weist Wahlanfechtung zurück
Prüfungsausschuss: Rollstuhlfahrer waren in Ravensburg nicht am Wählen gehindert
RAVENSBURG - Der Wahlprüfungsausschuss des Deutschen Bundestags hat die Anfechtung des Ergebnisses der letztjährigen Bundestagswahl im Wahlkreis 294 Ravensburg durch den Einzelkandidaten Stefan Weinert zurückgewiesen. Weinert hatte Einspruch eingelegt, weil aus seiner Sicht Rollstuhlfahrern der Zugang zur Urne teilweise nicht oder nur mit fremder Hilfe möglich war.
Anlass für Stefan Weinerts Wahlanfechtung war ein Artikel in der Schwäbischen Zeitung. Die SZ berichtete nach der Wahl über Klagen von Mitarbeitern des Körperbehindertenzentrums Oberschwaben (KBZO) in Weingarten, die mit Bewohnern des KBZO das zuständige Wahllokal am Bildungszentrum St. Konrad aufsuchen wollten, die körperbehinderten Menschen aber am Zugang scheiterten, weil sie mit ihren Elektrorollstühlen eine zwei bis drei Zentimeter hohe Schwelle am Eingang nicht überwinden konnten. Wahlhelfer wuchteten die schweren Elektrorollstühle daraufhin über die Barriere. Stefan Weinert meinte zudem, auch in einem Wahlraum in der Kuppelnauschule sei die Barrierefreiheit nicht gegeben gewesen – und das, obwohl beide Lokale in der Wahlbenachrichtigung als barrierefrei bezeichnet waren.
Der Wahlprüfungsausschuss des Deutschen Bundestags hat diesen Einspruch gegen das Wahlergebnis nun wegen eines Formfehlers (das entsprechende Fax war nicht unterzeichnet) und zudem als unbegründet zurückgewiesen. Zuvor hatte bereits der Kreiswahlleiter in Ravensburg Weinerts Ansinnen eine Abfuhr erteilt.
Berlin begründete seine Ablehnung folgendermaßen:
Der Wahlraum in St. Konrad werde seit Jahren genutzt, ohne dass es jemals zu Beschwerden im Hinblick auf die Barrierefreiheit gekommen sei. Der Zugang sei für Rollstuhlfahrer problemlos möglich. Schwieriger sei das aber für die Nutzer von Elektrorollis. Hierfür habe die Schule der Stadt aber einen Schlüssel zu einer anderen Tür übergeben, durch den dieser Personenkreis eingelassen werden könne. Der Wahlvorstand habe, als die KBZOBewohner vor der Tür standen, allerdings offenbar vergessen, dass es diesen Schlüssel gab. Daher seien die Wahlhelfer eingeschritten und hätten selbst Hand angelegt. Die Stadt Ravensburg habe zugesichert, bei künftigen Wahlen „abweichend von der Schlüsselregelung eine zusätzliche Rampe“anzuschaffen.
Im Fall der Kuppelnauschule heißt es, die Stadt habe überzeugend dargelegt, dass trotz einer Metallleiste am Boden vor der Tür der barrierefreie Zugang gewährleistet gewesen sei: „Zudem liegen der Stadt weder vom Wahlvorstand noch von Wahlberechtigten mit Behinderung Berichte darüber vor, dass es (...) Schwierigkeiten bereitet hätte, die Schwelle zu überwinden.“
Nach Aussage des Wahlprüfungsausschusses gibt es laut Bundeswahlordnung keinen Zwang, dass Kommunen barrierefreie Wahllokale ausweisen müssen. In der Vorschrift findet sich lediglich eine Soll-Regelung.
Stefan Weinert hat nun bis 23. Februar die Gelegenheit, zur Entscheidung des Wahlprüfungsausschusses Stellung zu nehmen. Weinert: „Darauf verzichte ich.“